122 Sitzung ant 17.
Der Vertreter der Deutschnativnaleu Partei hat im
Ausschuß eine ganz eigenartige Stellung eingenommen.
Er hat nämlich erklärt: für die Arbeiter bestehen ja
zur Zeit in den städtischen Betrieben Tarifverträge, und
infolgedessen kann die jetzige Arbeitszeit nicht verkürzt
werden. Aber für die Beamten bestehen keine Tarifver
träge. Und wenn man nun dafür sorgen will, daß
weitere Arbeitslose Beschäftigung finden, dann kann man
doch zum allermindesten die 45stündige Arbeitszeit der Be
amten auf 40 Stunden herabmindern. Dann wäre es
doch ebenfalls möglich, weiteren Arbeitslosen, hauptsäch
lich Versorgnngsanwärter» usw., Beschäftigung zu
sichern.
Wir stehe» auf dem Standpunkt, daß es zunächst
mal notwendig ist, dafür zu sorgen, daß in den Ver
kehrsbetrieben, für die Schaffner und Fahrer bei der
Straßenbahn, bei der Untergrundbahn und bei der
„Aboag", die eine außerordentlich schwere Arbeitsleistung
zu vollbringen haben, zunächst mal die 48-Stundenwoche
und darüber hinaus für alle städtischen Arbeiter ,die
45stüudige Arbeitswoche eingeführt wird.
Es wurde im Ausschuß darauf Hingeiviesen, daß die
bestehenden Tarifverträge eine solche Arbeitszeitverkürzung
nicht zulassen. Diese Ansicht ist irrig. Es ist durchaus
möglich, wenn der Magistrat und die Stadtverordneten»
Versammlung unsern Vorschlägen zustimmen, daß durch
Vereinbarung beider Parteien zunächst mal bei den Ge
sellschaften und bei den gemischtwirtschaftlichen Betrieben
die 45stündige Arbeitszeit durchgeführt werden kann. Für
die Kämmereiarbeiter besteht allerdings ein Reichstarif-
vertrag, der eine zwingende Bestimmung für die
48stündige Arbeitszeit enthält. Aber der Herr Vertreter
des Tarisvertragsamts hat selbst erklärt, daß dann im
Reichsarbeitgeberverband eben ein Antrag gestellt werden
muß, der die Zustimmung des Arbeitgeberverbandes
dahingehend durchsetzt, daß die Stadt Berlin die ^stän
dige Arbeitszeit durchführen kann. Wir stehen auf dem
Standpunkt, daß eine solche Maßnahme notwendig ist und
daß die Stadt Berlin sehr wohl die Verpflichtung hat, in
diesem Sinne mit gutem Beispiele voranzugehen.
In dem Ausschuß ist mich festgestellt worden, daß
in anderen Städten, auch- in mittleren Städten, die
48stündige Arbeitszeit schon seit langer Zeit restlos
durchgeführt worben ist. Es ist außerordentlich bedauer
lich, daß die Stadt Berlin in dieser Beziehung ebenfalls
hinter den verschiedenen anderen Städten herhinkt. Wir
sehen uns aus diesem Grunde gezwungen, unsern An
trag, den Ivir schon in der Ausschußsitznng gestellt
haben, die 45stündige Arbeitszeit einzuführen, hier noch
mals einzubringen. Wir haben aber gelesen, daß die
Vertreter der Sozialdemokratischen Partei im „Vor
wärts" die Behauptung aufgestellt haben, daß dieser
Antrag nicht durchführbar sei und daß vor allen Dingen
die Fassung dieses Antrages die Sozialdemokratische
Partei zwingt, diesem Antrage die Zustimmung zu ver
sagen. Aus diesem Grunde werden wir einen Eventual
antrag einbringen, der der Fassung des Sozialdemo
kratischen Antrages im Ausschüsse entspricht, nur mit
des Aenderung, daß anstatt 48stündige 45,ständige Ar
beitszeit gesetzt wird. Wir sind der Ansicht, daß die For
derung, die auch die freigewerkschaftlichen Vertreter im
Ausschuß aufgestellt und vertreten haben, Beachtung
verdient und daß unter allen Umständen dafür gesorgt
werbe» muß, daß in der Stadt Berlin eine weitere Ver- ,>
kürznng der Arbeitszeit eintritt. Deshalb müssen die
städtischen Betriebe und vor allen Dingen die Stadtver
waltung Berlin gezwungen werden, in dieser Beziehung
mit gutem Beispiel voranzugehen und für die städtischen
Betriebe und Verwaltungen diese verkürzte Arbeitszeit
einzuführen.
Wir bitten aus diesem Grunde, unsern: Antrage
resp. unserm Eventualantrag die Zustimmung zu er
teilen.
(Lebhafter Beifall bei den Kommunisten.)
Februar 1927.
Stadtv. Klein (DN): Meine Damen und Herren!
In der Drucksache Nr. 81, Dringlichkeitsantrag der
Kommunistischen Fraktion, lesen wir:
„Die Erwerbslosenziffer in Berlin ist seit de»
letzten Tagen in ständigem Steigen begriffen. Um
eine weitere Steigerung zti verhindern, wolle die
Stadtverordnetenversammlung beschließen:
Der Magistrat wird ersucht:
1. In allen städtischen Büros und Dienststellen ist
unter strikter Einhaltung der 45>stündigen Arbeits
Woche jede Ueberarbeit für Beamte, Angestellte
und Arbeiter zu verbieten."
Tie Kommunistische Fraktion läßt sich bei diesem An
trage von dem Gedanken leiten, daß bei Einführung
der 46stündigen Arbeitswoche die Erwerbslosenziffer 'sin
keil wird. Meine parteipolitischen Freunde und ich stehen
auf dem Standpunkt, daß wir mit der Einführung der
45stündigen Arbeitswoche das Gegenteil erreichen könnten,
(Rechts: Sehr richtig!)
(Gelächter und Zurufe bei den Kommunisten.)
daß sich dies zum Schaden der Arbeiterschaft auswirken
müßte.
(Zurufe bei de» Kommunisten.)
Wir haben doch eine gewisse Erfahrung hinter uns, —
(Zuruf links: Ja, aber eine sehr üble! — Glocke.)
und wir haben daraus gelernt.
Wir stehen auf dem Standpunkt, daß man mit
diesem Experiment gar nicht erst wieder anfangen sollte,
man sollte sich vielmehr bemühen, dem deutschen Arbeiter-
Arbeit zu verschaffen,
(Zustimmung rechts.)
dann würde die Arbeitslosigkeit beseitigt werden.
(Zurufe bei den Sozialdem. lind Kommunisten.)
Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen. Sehen
Sie mal, die so bösen Teutschnationalen geben sich alle
Mühe, wirklich Arbeit zu beschaffeil.
(Gelächter und Zurufe links. — Glocke.)
(Zurufe des Stadtv. Fritz Lange.)
Herr Kollege Lange, ich fühle Ihnen ja nach, daß Sie
ein bißchen aufgeregt sind. Ich hätte gar nicht gedacht,
daß so viel Kraft in mir steckt, Sie aus der Ruhe zu
bringen.
Sehen Sie mal, da fährt einer der bösen Deutsch
nationalen nach Rußland — der Name dürfte Ihnen
nicht ganz unbekannt sein — und schließt mit der rufst
schell Regierung einen Vertrag über 150 Millionen Mark
ab. Für diese 150 Millionen werden in Deutschland
Lokomotiven und Eisenbahnwagen gebaut. Derselbe
Teutschnationale fährt nach Rumänien und schließt mit
Rumänien einen Vertrag über 200 Millionen Mark ab
Es werden in Deutschland für die rumänische Staats
regierung Lokomotiven und Eisenbahnwagen gebaut.
Dieser böse Deutschnationale —
(Zurufe bei den Kommunisten: Namen nennen!)
ich kann Ihnen ja auch den Namen nennen. Es ist der
von Ihnen so viel bekämpfte Reichstagsabgeordnete Geis
ler. Derselbe Reichstagsabgevrdnete steht jetzt mit der
Tscheche! in Verhandlungen, und es wird ihm auch
hier gelingen, für deutsche Arbeiter Arbeit zu beschaffen
(Tanerude Zurufe bei den Kommunisten. — Glocke.)
Nur auf diesem Wege ist es möglich, die Arbeits
losigkeit in Deutschland zu beheben. Ich möchte aber
noch darauf aufmerksam machen, daß von unserer Seite
aus des öfteren schon im Reichstag und im Landtag
in diesem Sinne Vorstöße gemacht worden sind.
(Zuruf: Was denn z. B.?)
Das Wirtschaftsprograinm des Reichsministers Schiele
j dürfte Ihnen ja bekannt sein. Sie lesen diese Schriften
jedenfalls auch.
(Zurufe.)