Sitzung am 20. Dezember 1927. 997
ein Unverstand sondergleichen gegenüber der Not
lage unseres Volkes, und es muß zur Katastrophe
treiben, jetzt noch derartige Gehälter bewilligen zu
wollen. X
(Rechts: Sehr richtig!)
Im übrigen möchte ich auf einen Punkt ein
gehen, der vorhin, wie ich glaube, von dem Ver
treter der Demokratie erwähnt wurde, daß nämlich
nicht nur die Stelle, sondern allerdings auch die
Leistungen durch ein derartiges Gehalt belohnt wer
den sollten. Ich möchte doch wirklich wissen, worin
diese abnormen Leistungen des Herrn Oberbürger
meisters bestehen. Abnorm sind sie vielleicht ge
wesen. Denn abnorm war, daß das Oberhaupt einer
Stadt sich dazu hergab, eine Modekönigin zu krönen.
(Heiterkeit.)
Aber daß man ihm deswegen ein so hohes Gehalt
bewilligen will, das spottet jeder Beschreibung. Im
übrigen bestehen die abnormen Leistungen vielleicht
auch darin, daß wir unter der Aegide des Ober
bürgermeisters dauernd in die größte Schuldenwirt
schaft hiueingeraten sind, daß wir heute eigentlich über
haupt unsern Etat nur durch neue Anleihen balan
cieren können. Es ist wirklich empörend angesichts der
Tatsache, daß in dem Augenblick, wo der Kämmerer
eine neue Millionenanleihe von 120 Millionen aufzu
nehmen gedenkt, daß angesichts dieser neuen unge
heuren Belastung unserer Wirtschaft und unserer
Steuerzahler dem Herrn Oberbürgermeister ein so
riesiges Gehalt bewilligt wird. Diese 120 Millionen
mag inan auch sagen, sie sollen zu werbenden Anlagen
verwendet werden — müssen verzinst werden, und
diese Zinsen muß die Wirtschaft, müssen die Steuer
zahler aufbringen, und diese Zinsen gehen ebenfalls
wieder ins Ausland, weil das Ausland die Millionen
hergeben soll. Aus allen diesen Gründen ist es
nicht zu verstehen, wie eine Mehrheit sich dafür
finden kann, solche Riesengehälter auf der einen
Seite und so geringfügige Erhöhungen auf der an
deren Seite zu bewilligen.
Es ist vorhin von seiten der Sdzialdemokratie,
um ihre mehr als merkwürdige Stellung in dieser
Frage zu rechtfertigen, darauf hingewiesen worden,
daß' die einengenden Bestimmungen der Reichsbe-
solduugsordnung es nicht gestatteten, den unteren
Beamten mehr zu bewilligen. Ich möchte nur dar
auf hinweisen, daß die Sozialdemokratie früher, als
sie in der Lage war, solche einengenden Be
stimmungen nicht zuzulassen, von ihren Machtbefug
nissen keinen Gebrauch gemacht hat.
(Zimts bei der Sozialdemokratie: Wer hat
Ihnen denn das erzählt?)
Denn gerade die Sozialdemokratie ist es gewesen, die
uns zu dem Ermächtigungsgesetz verhelfen hat, das
erst das Sperrgesetz für die Beamten möglich machte,
und hier in Berlin ist es gewesen, wo die Mehrheit
der Funktionärversammlung der Sozialdemokratie sich
zunächst gegen das Ermächtigungsgesetz aussprach.
Hier in Berlin ist es gewesen, wo der frühere und
nachmalige Finanzminister Hilferding in der Ver
sammlung erschien, um die Mehrheit herumzureißen
für dieses erbärmliche niederträchtige Ausnahme
gesetz, um die Mehrheit zu gewinnen für den Ge
danken: Wir müssen das Ermächtigungsgesetz
schlucken, damit wir die politische Macht in
Preußen behalten. Damit wurden die Interessen
Hunderttausender von Beamten geopfert dem politi
schen Machtkitzel der Führer der Sozialdemokratie,
und heute stellen die Herrschaften sich hin und wollen
den Beamten sagen: Das geht nicht, weil andere
Parteien Grenzen gezogen haben.
(Rechts: Sehr richtig!)
Es ginge sehr wohl, wenn man nur wollte. Aber
man will eben nicht. Denn wenn man ein Gefühl
für Gerechtigkeit hätte, so könnte man nicht, ange
sichts der Tatsache, die ich dann als richtig unter
stellen will, daß Grenzen da sind, nach unten diese
Grenzen gelten lassen und sie nach oben bei weitem
überschreiten. Dann muß man auch nach oben hin
zum Ausdruck bringen, daß Grenzen da sind, die an
gesichts der Grundsätze ohne bestehende Notlage nicht
überschritten werden können.
Aus allen diesen Gründen ist diese Besoldungs
vorlage nicht geeignet, das zu erfüllen, was die ver
schiedenen Parteien sich von ihr versprochen haben,
nämlich Beruhigung in der Beamtenschaft zu schaffen
und der Beamtenschaft Lust, Liebe und Freudigkeit
für ihren Beruf zu geben. Gerade das Gegenteil
wird und muß erreicht werden.
(Rechts: Sehr richtig!)
Eine ungeheure Unzufriedenheit muß vielmehr einen
großen Teil der Beamtenschaft ergreifen angesichts
dieser Ungerechtigkeiten, die die Besoldungsvorlage
enthält.
(Rechts: Sehr richtig!)
Vorst. Haß: Die Beratung ist geschlossen. Der
Herr Berichterstatter verzichtet. Wir kommen nach den
Verabredungen im Aeltestenausschuß nun zu der
Spezialberatung, und zwar zu den Anträgen der
Besoldungsordnung. Es liegen Anträge vor zu den
§§ 2, 3 und 18. Für diese Anträge der KPD. hat
Herr Kollege Menz das Wort. Es stehen ihm
5 Minuten zur Verfügung.
Stadtv. Menz (K): Meine Damen und Herren!
Es ist bezeichnend, daß die Versammlung in ihrer
Mehrheit für die Begründung der Anträge nur 5
Minuten Zeit gegeben hat, aus dem Grunde näm
lich, weil man verhindern will, daß die Oeffentlichkeit
sieht, wie die Anträge begründet werden, weil man
lieber hier ein Versteckspiel treiben will vor den
Beamten. Ich werde mir Mühe geben, mit 5 Mi
nuten auszukommen.
Der Magistrat von Berlin hat durch diese Be
soldungsvorlage wieder sein reaktionäres Gesicht ge
zeigt und sich nicht mit Ruhm bekleckert, und die
Versammlung, die die Vorlage so annimmt, wie sie
uns heute vorliegt und nicht unseren Anträgen zu
stimmt, wird sich auch nicht mit Ruhm bekleckern.
Wir haben im Ausschuß — und das ist bezeich
nend — darauf hingewiesen, daß diese Ausschußver
handlungen nicht vertraulich vorgenommen werden
sollen; wir haben weiter darauf hingewiesen, daß eine
Beruhigung der Beamtenschaft nicht eintreten wird.
Man hat nämlich die Sache übereilt verabschieden
wollen. Man hat im Ausschuß alle mögliche Per
sonen anrücken lassen, die sonst nicht hineingehören.
Das hat natürlich geholfen. Wir werden heute und in
den kommenden Tagen dafür sorgen, daß die Unruhe
in der Beamtenschaft noch größer wird angesichts
dieser scheußlichen Besoldungsvorlage, die in die
Wolfsschlucht gehört.
(Bei den Kommunisten: Sehr richtig!)
Meine Damen und Herren! Das Versteckspiel, das
die Sozialdemokratische Partei bei dieser Sache treibt,
ist Ihnen zur Genüge bekannt geworden durch meinen
Freund Raddatz. Es ist bezeichnend, daß man auch im
Ausschuß versucht hat, Wahlpropaganda zu treiben,
und als die Sozialdemokratie unsern Antrag das
erste Mal abgelehnt hatte, die gesamte Besoldungs-
Vorlage abzulehnen, da scheint sie von der Reichs
gewerkschaft der Beamten einen Wink bekommen zu
haben. Denn sie kam mit einem ähnlichen Antrage.
Sie hat mal wieder etwas stöhnen wollen, wie sie