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Volume Sitzung 4, 03.02.1927

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1927 (Public Domain)

82 Sitzung stin 3. 
der uns im Haushaltsausschuß abgelehnt worden ist, er 
neut einzureichen. Er verlangt, 
das; die Vertreter der Stadt Berlin int Aufsichtsrat 
und in der Generalversammlung der Berliner Ver 
kehrtsbetriebe angewiesen werden, bei der Vereinheit 
lichung des Berliner Verkehrs für einen 15-Pfennig 
Tarif mit Umsteigeberechtigung auf alle» 3 Verkehrs 
Mitteln zu stimmen. 
(Sehr gut!) 
Man kann uns heute nicht mehr kommen und sagen, das 
ist „juristisch" nicht richtig, man kann die Anssichtsritte 
da nicht beauftragen. Sie haben ja selbst den Beschluß 
angenommen, daß beauftragte Aufsichtsräte irgendwelche 
Mandate ausführen sollen. Also, mit diesem „juristischen 
Schmus" und den „Methoden" dürfen Sie uns nicht 
mehr kommen. 
Sollte sich dafür, was wir bedauern würden, keine 
Mehrheit in diesem Hause finden, so verlangen wir, daß 
dann anschließend über folgenden Antrag abgestimmt 
wird: 
„Im Falle der Ablehnung obigen Antrages be 
schließt die Stadtverordnetenversammlung die Einfüh 
rung von Einzelfahrscheinen ohne Zoneueinteilung auf 
allen drei Verkehrsunternehmungen zum Preise von 
15 z9# mit Umsteigeberechtigung im eigenen Netz. Des 
gleichen werden Arbeiterwochenkarten bei der Straßen 
bahn, Aboag und Hochbahn auf der Grundlage von 
0 Fahrkarten eingeführt." 
Dieser Antrag spricht für sich. Wenn also für unsern 
15-Pfennig-Einheitstarif keine Mehrheit vorhanden ist, 
dann verlangen wir mindestens, daß Sie dann, wenn 
Sie den 20-Pfennig-Tarif annehmen, Einzelfahrscheine 
aus allen drei Verkehrsunternehmungen ohne Zonenein- 
teilung für 15 $ einführen. Dann haben Sie wirklich, 
wenn Sie nicht die Mehrheit der Einzelfahrer belasten 
wollen, einen Ausweg gefunden, der die Arbeiter und 
Einzelfahrer nicht belastet. 
Tann weiter: Umsteigemöglichkeit im eigenen Netz. 
Das bedeutet keine Verschlechterung des jetzt Vorhandenen, 
denn jetzt kann mau für 15 ,3, im eigenen Netz auf der 
Straßenbahn umsteigen. 
(Stadtv. Tr. Lohmann: Aber nicht Aboag!) 
Das kann mau aber doch dort einführen, Herr Kollege 
Lohmauu. 
(Stadtv. Dr. Lohmanii: Nicht bei der Unter 
grundbahn!) 
Herr Kollege Lohmann, bei der Untergrundbahn können 
Sie das konkret sehen, Sic können ebenfalls auf Gleis 
dreieck umsteigen und nach jeder Richtung hin weiter-- 
kommen. Sie müssen nicht immer etwas Schlechtes 
als Beispiel annehmen, richten Sie sich doch nach dem 
Guten, das ist viel vernünftiger. 
Wir sind auch der Meinung, daß die Arbeiterwochen 
karten^ eingeführt werden müssen. Dem stehen keine Hin 
dernisse entgegen. In verschiedenen Kommissionen und 
in Privatgesprächen wurde uns von entscheidenden 
oder nicht „e n t sch e i d e u d e n" Persönlichkeiten ge 
sagt: das geht doch nicht, das ist doch technisch nicht 
möglich. Die Arbeiter sollen doch die Woche, einen Be 
trag zurücklegen, dann haben sie am Ende des Monats 
auch die Möglichkeit, sich eine Monatskarte zu kaufen. 
Soviel' Naivität auf einem Haufen ist mir unverständ 
lich. Wenn der Arbeiter am Monatsende seine Miete be 
zahlen muß, weint er Gas-, Wasser und Eleklrizitätsrech- 
iHingen bezahlen muß, ist es ihm gar nicht möglich, auf 
einen Schlag 10 und 20 M für ein Abonnement aus 
zugeben. Diesem Bedürfnis hat selbstverständlich die 
Staatsbahn Rechnung getragen. Darum hat die Staats 
bahn sogenannte Teilkarten zu 1,7.0 M. Wir sind also 
der Meinung, wenn die Versammlung überzeugt ist, daß 
sie den 20-Pfennig-Tarif durchführen muß, muß sie für 
diesen zweiten Antrag als Entlastung stimmen. 
Februar 1927. 
Was soll man überhaupt zur Abstimmung sprechen? 
Etwas derartiges von Durcheinander, eine solche Komödie 
habe ich selten erlebt. Im Haushaltsausschuß wird mit 
Mehrheit angenommen, daß man gegen die Vorlage 
protestiert, daß man sie bloß zur Kenntnis nehmen 
will. Man protestiert gegen die Erhöhung des Tarifs 
usw. Dieselben Herren Vertreter von Herrn Kollege» 
Lohmann bis zu Herrn Kollegen Schwarz unterschreiben 
heute den Antrag. Dieser Antrag bedeutet Schinns, weiße 
Salbe für die Oeffentlichkeit 
(Sehr gut!) 
Was besagt dieser Antrag? Diese Vertreter im Aus 
sichtsrat der Straßenbahn usw., weiß ich, wo sonst noch, 
sollen nochmals die Rentabilitätsberechnungen vornehmen 
und sollen nochmals prüfen und feststellen, ob es nicht 
doch anders zu machen ist. So eine Verblüffung, eine 
Hinterslichtführnng der Oeffentlichkeit ist noch nicht dage 
wesen. In Wirklichkeit plädiert Herr Kollege Lohmann 
jedoch hier für den 20-Pfennig-Tarif. Zum Teufel 
nochmal, ans der einen Seite will man die Rentabilitäts 
berechnung nachprüfen lassen und hier in der Oeffentlich 
keit plädiert man für den 20-Pfennig-Tarif. Das ver 
stehe ich nicht. Das ist aber verständlich, wenn man der 
Stimmung seiner Wähler Rechnung tragen muß. Es ist 
doch nicht so ganz angenehm, daß man in Spandau 
mit Forderungen anfing, daß Beschlüsse der Genteinde- 
liud Staatsarbeitcr vorliegen, daß Unterschriften aus dem 
Siemens-Konzern, nicht besonders getadelte Betriebsräte, 
die Kollege Reuter eingeladen hat, —,—■ 
(Redner wird vom Vorsteher ans den Ablauf der 
Redezeit aufmerksam gemacht.) 
Ja, ich schließe mit meinem letzten Antrag. Ich will 
noch zum Antrag kommen, der im Haushaltsausschuß 
eine Rolle gespielt hak. Wir sind nicht der Meinung, 
daß unser Dringlichkeitsantrag 817 damit erledigt ist. 
Ich reiche ihn zum Tagesordnungspunkt erneut ein und 
bitte um Einzelabstimmung, weil er vorsieht die Kom 
munalisierung der Betriebe, die Durch 
führung der einheitlichen Arbeitszeit» s w. 
Der letzte Antrag, den ich noch zu begründen habe, ist 
der über die Betriebsräte. Es ist eine sehr fabelhafte 
Methode. Im Haushaltsausschuß beschließt man mit 
Mehrheit ans Antrag des Kollegen Lohntattn, daß der 
Magistrat eine Vorlage machen soll, nach der prozentual 
angemessen die Betriebsräte im Ausschuß vertreten sein 
sollen. Das ist betriebsrätegesetzlich unmöglich, Kollege 
Lohntann. Wie kann der Magistrat eine Vorlage machen, 
daß die Betriebsräte in den Ausschuß kommen. Die Be 
triebsräte werden delegiert von den Betriebsräten selbst 
und gewählt von den Arbeitern. 
(Zuruf des Stadtv. Dr. Lehmann.) 
Ja, es ist peinlich, wenn mau hier feststellt, wie man 
nämlich den Betriebsrat aus dem Ausschuß jonglieren 
will. Es ist verständlich, daß Vertreter der Rech 
t e u erklärt haben: wenn alle Betriebsräte von der Aboag, 
Straßenbahn und Untergrundbahn jetzt in diesem söge 
nannten Gemeinschaftsausschuß hineinkommen, dann ist 
zuviel proletarisches Element drin. Stadtrat Ren- 
ter erklärte int Haushaltsausschuß: wir 
wollen nicht, daß die politische Beein - 
fl ns s u n g d it r eh die Betriebsräte s 0 in den 
V o r d e r g r u n d tritt. 
(Bei den .Kommunisten: Hört, hört!) 
Wir sind der Meinung, daß die Stadtverordneten 
Versammlung unserm Antrag zustimmen muß. Wir bitten 
also deshalb die Stadtverordnetenversammlung, unseren 
Anträgen zuzustimmen, die erstens de>( 15-Pfennig-Ein 
heitstarif mit Umsteigemöglichkeit verlangen, weiter die 
Festsetzung der Arbeitszeit, Löhne und darüber hinaus 
Durchführung der Vertretung der Betriebsräte. 
Ich schließe nicht mit so großen pompösen Worten: 
nach 50 Jahren fahren wir nach dem Mond. Ich bin der 
Meinung, wenn man wirklich aus verkehrstechnischen
	        
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