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der uns im Haushaltsausschuß abgelehnt worden ist, er
neut einzureichen. Er verlangt,
das; die Vertreter der Stadt Berlin int Aufsichtsrat
und in der Generalversammlung der Berliner Ver
kehrtsbetriebe angewiesen werden, bei der Vereinheit
lichung des Berliner Verkehrs für einen 15-Pfennig
Tarif mit Umsteigeberechtigung auf alle» 3 Verkehrs
Mitteln zu stimmen.
(Sehr gut!)
Man kann uns heute nicht mehr kommen und sagen, das
ist „juristisch" nicht richtig, man kann die Anssichtsritte
da nicht beauftragen. Sie haben ja selbst den Beschluß
angenommen, daß beauftragte Aufsichtsräte irgendwelche
Mandate ausführen sollen. Also, mit diesem „juristischen
Schmus" und den „Methoden" dürfen Sie uns nicht
mehr kommen.
Sollte sich dafür, was wir bedauern würden, keine
Mehrheit in diesem Hause finden, so verlangen wir, daß
dann anschließend über folgenden Antrag abgestimmt
wird:
„Im Falle der Ablehnung obigen Antrages be
schließt die Stadtverordnetenversammlung die Einfüh
rung von Einzelfahrscheinen ohne Zoneueinteilung auf
allen drei Verkehrsunternehmungen zum Preise von
15 z9# mit Umsteigeberechtigung im eigenen Netz. Des
gleichen werden Arbeiterwochenkarten bei der Straßen
bahn, Aboag und Hochbahn auf der Grundlage von
0 Fahrkarten eingeführt."
Dieser Antrag spricht für sich. Wenn also für unsern
15-Pfennig-Einheitstarif keine Mehrheit vorhanden ist,
dann verlangen wir mindestens, daß Sie dann, wenn
Sie den 20-Pfennig-Tarif annehmen, Einzelfahrscheine
aus allen drei Verkehrsunternehmungen ohne Zonenein-
teilung für 15 $ einführen. Dann haben Sie wirklich,
wenn Sie nicht die Mehrheit der Einzelfahrer belasten
wollen, einen Ausweg gefunden, der die Arbeiter und
Einzelfahrer nicht belastet.
Tann weiter: Umsteigemöglichkeit im eigenen Netz.
Das bedeutet keine Verschlechterung des jetzt Vorhandenen,
denn jetzt kann mau für 15 ,3, im eigenen Netz auf der
Straßenbahn umsteigen.
(Stadtv. Tr. Lohmann: Aber nicht Aboag!)
Das kann mau aber doch dort einführen, Herr Kollege
Lohmauu.
(Stadtv. Dr. Lohmanii: Nicht bei der Unter
grundbahn!)
Herr Kollege Lohmann, bei der Untergrundbahn können
Sie das konkret sehen, Sic können ebenfalls auf Gleis
dreieck umsteigen und nach jeder Richtung hin weiter--
kommen. Sie müssen nicht immer etwas Schlechtes
als Beispiel annehmen, richten Sie sich doch nach dem
Guten, das ist viel vernünftiger.
Wir sind auch der Meinung, daß die Arbeiterwochen
karten^ eingeführt werden müssen. Dem stehen keine Hin
dernisse entgegen. In verschiedenen Kommissionen und
in Privatgesprächen wurde uns von entscheidenden
oder nicht „e n t sch e i d e u d e n" Persönlichkeiten ge
sagt: das geht doch nicht, das ist doch technisch nicht
möglich. Die Arbeiter sollen doch die Woche, einen Be
trag zurücklegen, dann haben sie am Ende des Monats
auch die Möglichkeit, sich eine Monatskarte zu kaufen.
Soviel' Naivität auf einem Haufen ist mir unverständ
lich. Wenn der Arbeiter am Monatsende seine Miete be
zahlen muß, weint er Gas-, Wasser und Eleklrizitätsrech-
iHingen bezahlen muß, ist es ihm gar nicht möglich, auf
einen Schlag 10 und 20 M für ein Abonnement aus
zugeben. Diesem Bedürfnis hat selbstverständlich die
Staatsbahn Rechnung getragen. Darum hat die Staats
bahn sogenannte Teilkarten zu 1,7.0 M. Wir sind also
der Meinung, wenn die Versammlung überzeugt ist, daß
sie den 20-Pfennig-Tarif durchführen muß, muß sie für
diesen zweiten Antrag als Entlastung stimmen.
Februar 1927.
Was soll man überhaupt zur Abstimmung sprechen?
Etwas derartiges von Durcheinander, eine solche Komödie
habe ich selten erlebt. Im Haushaltsausschuß wird mit
Mehrheit angenommen, daß man gegen die Vorlage
protestiert, daß man sie bloß zur Kenntnis nehmen
will. Man protestiert gegen die Erhöhung des Tarifs
usw. Dieselben Herren Vertreter von Herrn Kollege»
Lohmann bis zu Herrn Kollegen Schwarz unterschreiben
heute den Antrag. Dieser Antrag bedeutet Schinns, weiße
Salbe für die Oeffentlichkeit
(Sehr gut!)
Was besagt dieser Antrag? Diese Vertreter im Aus
sichtsrat der Straßenbahn usw., weiß ich, wo sonst noch,
sollen nochmals die Rentabilitätsberechnungen vornehmen
und sollen nochmals prüfen und feststellen, ob es nicht
doch anders zu machen ist. So eine Verblüffung, eine
Hinterslichtführnng der Oeffentlichkeit ist noch nicht dage
wesen. In Wirklichkeit plädiert Herr Kollege Lohmann
jedoch hier für den 20-Pfennig-Tarif. Zum Teufel
nochmal, ans der einen Seite will man die Rentabilitäts
berechnung nachprüfen lassen und hier in der Oeffentlich
keit plädiert man für den 20-Pfennig-Tarif. Das ver
stehe ich nicht. Das ist aber verständlich, wenn man der
Stimmung seiner Wähler Rechnung tragen muß. Es ist
doch nicht so ganz angenehm, daß man in Spandau
mit Forderungen anfing, daß Beschlüsse der Genteinde-
liud Staatsarbeitcr vorliegen, daß Unterschriften aus dem
Siemens-Konzern, nicht besonders getadelte Betriebsräte,
die Kollege Reuter eingeladen hat, —,—■
(Redner wird vom Vorsteher ans den Ablauf der
Redezeit aufmerksam gemacht.)
Ja, ich schließe mit meinem letzten Antrag. Ich will
noch zum Antrag kommen, der im Haushaltsausschuß
eine Rolle gespielt hak. Wir sind nicht der Meinung,
daß unser Dringlichkeitsantrag 817 damit erledigt ist.
Ich reiche ihn zum Tagesordnungspunkt erneut ein und
bitte um Einzelabstimmung, weil er vorsieht die Kom
munalisierung der Betriebe, die Durch
führung der einheitlichen Arbeitszeit» s w.
Der letzte Antrag, den ich noch zu begründen habe, ist
der über die Betriebsräte. Es ist eine sehr fabelhafte
Methode. Im Haushaltsausschuß beschließt man mit
Mehrheit ans Antrag des Kollegen Lohntattn, daß der
Magistrat eine Vorlage machen soll, nach der prozentual
angemessen die Betriebsräte im Ausschuß vertreten sein
sollen. Das ist betriebsrätegesetzlich unmöglich, Kollege
Lohntann. Wie kann der Magistrat eine Vorlage machen,
daß die Betriebsräte in den Ausschuß kommen. Die Be
triebsräte werden delegiert von den Betriebsräten selbst
und gewählt von den Arbeitern.
(Zuruf des Stadtv. Dr. Lehmann.)
Ja, es ist peinlich, wenn mau hier feststellt, wie man
nämlich den Betriebsrat aus dem Ausschuß jonglieren
will. Es ist verständlich, daß Vertreter der Rech
t e u erklärt haben: wenn alle Betriebsräte von der Aboag,
Straßenbahn und Untergrundbahn jetzt in diesem söge
nannten Gemeinschaftsausschuß hineinkommen, dann ist
zuviel proletarisches Element drin. Stadtrat Ren-
ter erklärte int Haushaltsausschuß: wir
wollen nicht, daß die politische Beein -
fl ns s u n g d it r eh die Betriebsräte s 0 in den
V o r d e r g r u n d tritt.
(Bei den .Kommunisten: Hört, hört!)
Wir sind der Meinung, daß die Stadtverordneten
Versammlung unserm Antrag zustimmen muß. Wir bitten
also deshalb die Stadtverordnetenversammlung, unseren
Anträgen zuzustimmen, die erstens de>( 15-Pfennig-Ein
heitstarif mit Umsteigemöglichkeit verlangen, weiter die
Festsetzung der Arbeitszeit, Löhne und darüber hinaus
Durchführung der Vertretung der Betriebsräte.
Ich schließe nicht mit so großen pompösen Worten:
nach 50 Jahren fahren wir nach dem Mond. Ich bin der
Meinung, wenn man wirklich aus verkehrstechnischen