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Volume Sitzung 32, 7. Oktober 1926

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1926 (Public Domain)

Sitzung am 7. 
Schliff, an die Politur, an Maßnahmen der Verfeine 
rung durch Gravierung, durch Polsterung, ich erinnere 
an sehr notwendige Reparaturen durch Defekte an Ma 
schinen, an Kesseln und dergl. Es gibt solche Arbeiten, 
die man nicht generell zu denjenigen zählen kann, für 
die man Ueberstuuden mit einem Strich beseitigen kann. 
(Zuruf bei den Kommunisten: Die können aber 
ant anderen Tage abgebummelt werden!) 
Ich glaube nicht, daß wir diese Forderung in irgend» 
einem deutschen Parlament durchsehen werben. Wir sind 
aber der Meinung, daß Ueberarbeiten nur in Ausnahme- 
fallen vorgenommen werben dürfen und beantragen, daß 
man dem Reichstag unverzüglich einen Gesetzentwurf 
vorlegt, der als tägliche Höchstarbeitsleistung den Acht 
stundentag festsetzt und Ueberarbeiten mir in Ausnahme- 
fällen vorsieht. 
Die übrigen Teile des Abschnittes 7 des Vorschlages 
des Ausschusses, soweit sie c) und d) angehen, sind für 
uns nicht annehmbar. Arbeitsintensität und Rationali 
sierungsmaßnahmen sind nun einmal erforderlich, um 
dem Auslande gegenüber konkurrenzfähig zu bleiben. 
Daher nehme ich die Möglichkeit neuer Arbeitsbeschaffung, 
während umgekehrt nicht eine Verbilligung — und wir 
wollen doch eine Verbilligung unserer Verhältnisse her 
beiführen —, sondern eine Verteuerung eintritt, die 
letzten Endes der Arbeitnehmer mit zu tragen hat und alle 
modernen Entwicklungen — wir sind doch daran, in der 
Industrie neue moderne Einrichtungen zu schaffen — 
werden dadurch illusorisch oder unterbunden. 
Selbstverständlich werden wir jederzeit für den Schutz 
der Arbeitnehmer eintreten, der gewährleistet ist durch das 
Betriebsrätegesetz, an dessen Zustandekommen wir ja in 
der Nationalversammlung in Weimar — ich darf an die 
erfolgreiche Mitarbeit meines Freundes, des Abgeord 
neten Schneider, erinnern — regen Anteil genommen 
haben. 
(Sehr richtig!) 
Die unter Ziffer 7 aufgestellten Forderungen er 
scheinen mir daher angetan, daß sich die Gewerkschaften 
mehr daran setzen, diese Forderungen durchzusetzen, we 
niger scheint mir das Aufgabe der Stadtverordnetenver 
sammlung zu sein. 
Ich darf also sagen, für die Ziffern 1 bis 6 geben 
wir voll und ganz unsere Zustimmung und bitten, die 
Abänderungsauträge, die wir zu Ziffer 7 gestellt haben, 
anzunehmen im Interesse der Arbeitnehmer, wobei wir 
den dringendsten Wunsch haben, daß die Arbeitslosenver 
sicherung bald Gesetz wird, damit in Zukunft nicht mehr 
von Unterstützungen, sondern von wohlerworbenen Rech 
ten gesprochen werden kann. 
{Bravo!) 
(Stadtv. Roth: Die von der Willkür der Beamten 
abhängig sind!) 
Stadtv. Maderholz (S.): Meine Damen und Herren! 
Auch ich bin der Meinung, daß das Kapitel „ErwerbL-- 
losennot" eines der dringlichsten ist und daß wir dieses 
Kapitel nicht als geeignetes Agitationsobjekt benutzen 
können. 
(Stadtv. Roth: Das ist ja furchtbar!) 
(Zuruf des Stadtv. Urich.) 
Wir Sozialdemokraten haben durchaus Verständnis 
für die Not der Erwerbslosen, 
(Zuruf bei den Kommunisten: Seit wann denn?) 
(Stadtv. Urich: Da warst Du noch nicht geboren, 
da hast Du noch keine Ahnung gehabt von irgend 
etwas!) 
aus dein ganz einfachen Grunde, weil viele von uns diese 
Not am eigenen Leibe kennen gelernt haben. Wir wissen 
sehr wohl, daß es nicht nur materielle Not ist, die die 
Erwerbslosen drückt, sondern daß dieses Problem viel 
tiefer geht, daß es ein seelisches, ein soziales Problem 
Oktober 1926 . 843 
ist, das mit dazu beiträgt, daß manches Verbrechen 
geschieht, welches nicht geschehen würde, hätten wir nicht 
diese bittere Not, und unsere heutige Gesellschaftsordnung 
ist diesen Opfern ihrer Ordnung vieles, vieles schuldig 
geblieben. Wir sind überzeugt, daß alles, was geschehen 
kann, diese Not zu mildern, durch die Gemeinde zu ge 
schehen hat. 
Wir fordern deshalb, genau so wie es der Er 
werbslosenausschuß getan hat, daß der Magistrat Mittel 
bereitstellt, welche die Fortführung der Notstandsaktion 
möglich machen trotz der schlimmen Situation in finan 
zieller Hinsicht, in der sich die Gemeinde befindet und die 
wir ja soeben von unserm Herrn Kämmerer geschildert 
bekommen haben. 
(Sehr richtig!) 
Ferner unterstützen wir die Forderung des Aus 
schusses, welche den Magistrat ersucht, weiter Notstands 
arbeiten baldmöglichst in Angriff zu nehmen. Wir ver 
langen weiter, genau wie der Ausschuß, daß der Ma 
gistrat bei Staat und Reich vorstellig wird, um auch 
dort den Druck der Gemeinden auszuüben, der not 
wendig ist, damit in bezug auf die Arbeitsbeschaffung 
mehr geschieht als bisher geschehen ist. Es genügt nicht, 
daß ein großes Arbeitsbeschaffungsprogramm ausgear 
beitet wird. Dieses Programm muß auch schleunigst 
in die Tat umgesetzt werden, und in dieser Beziehung 
vermissen wir die notwendige Eile bei der Reichsregierung. 
Die vornehmste Pflicht, meinen wir, ist die Arbeitsbe 
schaffung. Denn mit der Beschaffung der Arbeit wird 
den Erwerbslosen auch der größte Gefallen getan werden. 
Sodann muß die vorhandene Arbeit gestreckt wer 
den. Auch in dieser Beziehung sind wir durchaus mit 
dem Ausschuß der Meinung, es genügt durchaus nicht, 
dieses Problem dadurch zu lösen, daß wir uns lediglich 
darauf versteifen, daß ätt dem Achtstundentag festgehalten 
wird, oder daß er wieder zurückerobert und gesetzlich 
wiederum verankert wird, sondern wir meinen, daß das 
Problem der Erwerbslosigkeit nur gelöst werden kann, 
wenn tatsächlich eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit 
eintreten wird. Wir sind fest überzeugt, daß diese Forde 
rung in die Tat umgesetzt werden muß, weil wir sonst 
dauernd ein Riesenheer von Erwerbslosen haben werden, 
welches unter Umständen eine kolossale Gefahr für den 
kulturellen Fortschritt, ganz besonders großer Gemein 
den, sein wird. Schon aus diesem Grunde wird der Ma 
gistrat verpflichtet sein, dieser Forderung mit allem 
Nachdruck nachzugehen. Ganz besonders die großen Städte 
sind daran interessiert. Denn was es bedeutet, hat uns 
wiederum vor nicht allzulanger Zeit unser Herr Käm 
merer geschildert. Die Not der Städte basiert eben darauf, 
daß wir augenblicklich in solch unerquicklichen Verhält 
nissen leben. 
Die weitere Forderung, bei Betriebsstillegungen die 
Mitwirkung der Gewerkschaften, der Betriebsräte zu er 
zielen, unterstützen wir ebenfalls. In der letzten Zeit 
hat sich ganz besonders bemerkbar gemacht, daß bei Be 
triebsstillegungen durchaus nicht nach wirtschaftspoliti 
schen Gesichtspunkten gehandelt wird. Ich erinnere au 
die verschiedenen Stillegungen von Kohlenzechen. Es hat 
sich gezeigt, daß die Empörung der Bevölkerung in jenen 
Gebieten immerhin bewirkt hat, daß sich die Reichsregie 
rung etwas energischer mit den Dingen befaßt, als sie 
sich bisher damit befaßt hat. 
(Zurufe zwischen den Stadtv. Urich und Roth!) 
Ich betone, daß wir vollinhaltlich diese Forderung unter 
stützen. 
(Zurufe des Stadtv. Roth.) 
(Lärm.) 
Wir unterstützen die Forderung auf Ausdehnung der 
Unterstützung für die ganze Dauer der Erwerbslosigkeit. 
Wir wollen die Pflichtarbeit abgeschafft wissen. Dies
	        
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