Sitzung um 7.
Meine Damen und Herren! Das alles ist
kein Ausgleich, das i st Willkür, das i st
U n r e ch t! Man darf sich nicht wundern, wenn unter
solchen Verhältnissen in den städtischen Verwaltungen
der eine die Arbeitsfreude und der andere das Ver
antwortungsgefühl verliert.
Ter Herr Neichsfinanzminister hat in Dresden den
Abbau der Aufgaben verkündet. Dafür sind wir
ihm von Herzen dankbar. Der Abbau der Ausgaben ist
eine Forderung, die die Vertreter der Städte Jahr um
Jahr immer wieder erhoben haben, und wenn damit
Ernst gemacht wird, so können wir das nur begrüßen.
Ich hoffe auch, daß der Herr Neichsfinanzminister da
bei nicht haltmachen wird vor den Ministerien des
Reiches. Wenn heute noch im N e i ch s m i n i st e -
r i u in des Inner n unter Hinzurechnung der
jenigen Ministerien, die in und seit dem Kriege von
ihm abgezweigt worden sind, n ch tmal soviel
planmäßige Beamte beschäftigt werden
als vor dem Kriege,
(Hört, hört!)
dann, glaube ich, ist das ein dankbares Feld für die
Initiative des Herrn Neichsfinanzministers.
(Stadtv. Roth: Der wird sich freuen, wenn er Ihre
Rede liest!)
Ich würde mich freuen, wenn im Verfolg dieser
Initiative auch einmal die Forderung berücksichtigt
würde, welche nicht nur von den städtischen Körper
schaften, sondern allgemein von der Bevölkerung der
Reichshauptstadt seit Jahren erhoben wird: zur Ver
besserung des Verkehrs den Durchbruch
durch die M i n i st e r g ä r t e n vorzunehmen.
Ich würde mich unendlich freuen, wenn es dem Herrn
Neichsfinanzminister gelingen würde, auch da den
Ministerien klarzumachen, daß es größere Bedürfnisse
zu befriedigen gilt,
(Zuruf des Stadtv. Rich. Kunze:)
als die, denen bisher die Ministergärten gedient haben.
(Sehr gut!)
Der Herr Neichsfinanzminister hat sich in Dresden
mich dazu geäußert, was die Städte mit den Über
schüssen gemacht haben, die sie zwar nicht in dem Maße
loic das Reich, aber doch in bemerkenswertem Umfange
1.924 gehabt haben. Der Neichsfinanzminister hat da
bei erklärt, daß, wenn alle die Grundstückskäufe, welche
die Gemeinden mit diesen Überschüssen gemacht hätten,
einmal bekannt würden, sich einem „die Haare sträuben"
würben.
Meine Damen und Herren! Der Reichsfiuanz-
minister hat sicherlich nicht eine allgemeine Verdäch
tigung der deutschen Gemeinden aussprechen wollen.
Er hat sicher nur einzelne Fälle im Auge gehabt, wo mit
solchen Ausgaben Mißbrauch getrieben worden ist.
Aber so, wie die Bemerkung gefallen ist, bleibt doch
an jeder Gemeinde etwas hängen,
(Zuruf: Natürlich!)
und ich möchte für Berlin dieses Anhängsel nach Mög
lichkeit beseitigen. Wie liegen die Zahlen? Wir haben
seit dem Ende der Inflation im Laufe von 2% Jahren
in Groß-Berlin Grundstücke angekauft im Umfange von
1700 ha. Wir haben Grundstücke verkauft im Umfang
von 150 ha. Wir haben also den städtischen Grund
besitz um 1550 ha vermehrt. Das ist sicherlich eine
großzügige Grunderwerbspolitik. Aber, meine Damen
und Herren, aus laufenden Mitteln des
Haushalts, ans U e b e r s ch ü s s e n 1924 oder
irgendeines andern Jahres sind für diesen Zweck i n
2/s Jahren nicht mehr verwendet wor
den als 6 Millionen! Ich glaube, diese Zahl
erträgt die öffentliche Kritik, und man wird aus ihr
Berlin gegenüber keine Berechtigung herleiten können,
unsere Grundstücksankäufe zu tadeln. 5 Millionen,
Oktober 1926. 837
glaube ich, ist ungefähr die Hälfte des Betrages, die
das Reich für den „Kaiserhof" anlegen will.
(Zurufe: Sehr wahr! Heiterkeit.)
Ich habe bei der Lektüre des Kaiserhofankaufes noch eine
andere Erinnerung gehabt: Die Kritik an den Städten
wegen der Verwendung ihrer Überschüsse von 1924
setzte damals — Sie werden sich dessen gut erinnern —
ein, als die Stadt München es für notwendig hielt,
einen Betrag, ich glaube von VA Millionen Mark,
bereit zu stellen, um einige Hotels zu kaufen. München
hat diese Hotels gekauft, um sie dem Fremdenverkehr
z» erhalten. Das Reich kauft ein Hotel, unter dessen
Eingehen der Fremdenverkehr unzweifelhaft leidet.
(Beifall.)
Ich weiß nicht, ob nicht der Gedanke, von dem München
damals sich leiten ließ, allgemein gesehen sich noch eher
verantworten läßt, als der Zweck, den jetzt die Reichs
instanzen verfolgen. Damals haben die Münchener
Käufe zweifellos stark dazu beigetragen, um einen
Gegensatz zwischen Wirtschaft und Ge
rn e i n d e n hervorzurufen. Es i st die Höchste
Zeit, daß dieser Gegensatz beseitigt
w i r d. Wir wollen uns das Verhältnis zur Wirtschaft
nicht verderben lassen. Es ist die höchste Zeit, daß dieses
Verhältnis e n t giftet wird.
(Sehr gut!)
Das Reich hat vor einem Jahre angeordnet, zur
weiteren Klarstellung der Finanzverhältnifse der Ge
meinden eine Statistik aufzustellen, die berühmte G e -
m e i n d e f i n a n z st a t i st i k, deren Ergebnisse eben
anfangen vorzuliegen. Die Hauptzahlen für Berlin habe
ich inzwischen bekannt gegeben. Es ist doch wertvoll, zu
sehen, daß für Berlin die Gesamtausgabe 1925
ii u v uni 28% höher war als die von 1913.
Vor längerer Zeit, im Juli 1925, hat uns das
Statistische Reichsamt eine Uebersicht über den Reichs-
h a u s h a l t v o n 1 9 2 4 gegeben, und zwar nicht so,
wie er sich endgültig nach Schluß des Haushaltsjahres
an Hand der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben
darstellte, sondern wie er im Voranschlag aufge
macht war. Es hat für diesen Voranschlag unter Ab
setzung aller Ausgaben, die mit dem Kriege und unsern
Zahlungen aus dem Daivesplan usw. zusammenhingen,
festgestellt, daß sich die Reichsansgaben gegenüber 1913
um 24% erhöht hätten. Das war 1924 nach dem Vor
anschlag. Wieviel 1924 im Endergebnis ausgegeben ist,
haben wir noch nicht erfahren, noch weniger, wieviel es
1925 geworden ist. Ich glaube, wir können verlangen,
wenn man die Entwicklung der Ausgabenwirtschaft der
Städte im Verhältnis zur Vorkriegszeit der Oeffentlich-
kcit zu unterbreiten wünscht, daß es dann eine selbst
verständliche Maßnahme der Loyalität ist, daß auch
Reich und Länder die Ergebnisse ihrer Wirtschaft gleich
zeitig bekannt geben, denn wir werden keinen besseren
Maßstab zum Vergleich haben, als den der übergeord
neten Korporationen.
Immerhin, meine Damen und Herren, das alles
hilft uns nicht zu der Deckung, die wir für den Nach
tragshaushalt brauchen.
(Stadtv. Merten: Sehr richtig!)
(Heitere Zustimmung.)
Es bleibt die Frage, woher wir sie nehmen.
(Heiterkeit.)
(Stadtv. Merten: Jetzt kommt endlich der positive
Teil. Jetzt hören wir etwas über die positive
Seite!)
— Ich hoffe, Herr Kollege Merten, daß auch meine bis
herigen Ausführungen sich zu positiven Erfolgen aus
wirken werden, und daß Sie in Ihrer Stellung beim
Landtag dazu helfen werden, daß das geschieht. —
(Stadtv. Merten: Mehr als ein kleines Pferdchen
kann auch ich nicht!)