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Volume Sitzung 32, 7. Oktober 1926

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1926 (Public Domain)

Sitzung um 7. 
Meine Damen und Herren! Das alles ist 
kein Ausgleich, das i st Willkür, das i st 
U n r e ch t! Man darf sich nicht wundern, wenn unter 
solchen Verhältnissen in den städtischen Verwaltungen 
der eine die Arbeitsfreude und der andere das Ver 
antwortungsgefühl verliert. 
Ter Herr Neichsfinanzminister hat in Dresden den 
Abbau der Aufgaben verkündet. Dafür sind wir 
ihm von Herzen dankbar. Der Abbau der Ausgaben ist 
eine Forderung, die die Vertreter der Städte Jahr um 
Jahr immer wieder erhoben haben, und wenn damit 
Ernst gemacht wird, so können wir das nur begrüßen. 
Ich hoffe auch, daß der Herr Neichsfinanzminister da 
bei nicht haltmachen wird vor den Ministerien des 
Reiches. Wenn heute noch im N e i ch s m i n i st e - 
r i u in des Inner n unter Hinzurechnung der 
jenigen Ministerien, die in und seit dem Kriege von 
ihm abgezweigt worden sind, n ch tmal soviel 
planmäßige Beamte beschäftigt werden 
als vor dem Kriege, 
(Hört, hört!) 
dann, glaube ich, ist das ein dankbares Feld für die 
Initiative des Herrn Neichsfinanzministers. 
(Stadtv. Roth: Der wird sich freuen, wenn er Ihre 
Rede liest!) 
Ich würde mich freuen, wenn im Verfolg dieser 
Initiative auch einmal die Forderung berücksichtigt 
würde, welche nicht nur von den städtischen Körper 
schaften, sondern allgemein von der Bevölkerung der 
Reichshauptstadt seit Jahren erhoben wird: zur Ver 
besserung des Verkehrs den Durchbruch 
durch die M i n i st e r g ä r t e n vorzunehmen. 
Ich würde mich unendlich freuen, wenn es dem Herrn 
Neichsfinanzminister gelingen würde, auch da den 
Ministerien klarzumachen, daß es größere Bedürfnisse 
zu befriedigen gilt, 
(Zuruf des Stadtv. Rich. Kunze:) 
als die, denen bisher die Ministergärten gedient haben. 
(Sehr gut!) 
Der Herr Neichsfinanzminister hat sich in Dresden 
mich dazu geäußert, was die Städte mit den Über 
schüssen gemacht haben, die sie zwar nicht in dem Maße 
loic das Reich, aber doch in bemerkenswertem Umfange 
1.924 gehabt haben. Der Neichsfinanzminister hat da 
bei erklärt, daß, wenn alle die Grundstückskäufe, welche 
die Gemeinden mit diesen Überschüssen gemacht hätten, 
einmal bekannt würden, sich einem „die Haare sträuben" 
würben. 
Meine Damen und Herren! Der Reichsfiuanz- 
minister hat sicherlich nicht eine allgemeine Verdäch 
tigung der deutschen Gemeinden aussprechen wollen. 
Er hat sicher nur einzelne Fälle im Auge gehabt, wo mit 
solchen Ausgaben Mißbrauch getrieben worden ist. 
Aber so, wie die Bemerkung gefallen ist, bleibt doch 
an jeder Gemeinde etwas hängen, 
(Zuruf: Natürlich!) 
und ich möchte für Berlin dieses Anhängsel nach Mög 
lichkeit beseitigen. Wie liegen die Zahlen? Wir haben 
seit dem Ende der Inflation im Laufe von 2% Jahren 
in Groß-Berlin Grundstücke angekauft im Umfange von 
1700 ha. Wir haben Grundstücke verkauft im Umfang 
von 150 ha. Wir haben also den städtischen Grund 
besitz um 1550 ha vermehrt. Das ist sicherlich eine 
großzügige Grunderwerbspolitik. Aber, meine Damen 
und Herren, aus laufenden Mitteln des 
Haushalts, ans U e b e r s ch ü s s e n 1924 oder 
irgendeines andern Jahres sind für diesen Zweck i n 
2/s Jahren nicht mehr verwendet wor 
den als 6 Millionen! Ich glaube, diese Zahl 
erträgt die öffentliche Kritik, und man wird aus ihr 
Berlin gegenüber keine Berechtigung herleiten können, 
unsere Grundstücksankäufe zu tadeln. 5 Millionen, 
Oktober 1926. 837 
glaube ich, ist ungefähr die Hälfte des Betrages, die 
das Reich für den „Kaiserhof" anlegen will. 
(Zurufe: Sehr wahr! Heiterkeit.) 
Ich habe bei der Lektüre des Kaiserhofankaufes noch eine 
andere Erinnerung gehabt: Die Kritik an den Städten 
wegen der Verwendung ihrer Überschüsse von 1924 
setzte damals — Sie werden sich dessen gut erinnern — 
ein, als die Stadt München es für notwendig hielt, 
einen Betrag, ich glaube von VA Millionen Mark, 
bereit zu stellen, um einige Hotels zu kaufen. München 
hat diese Hotels gekauft, um sie dem Fremdenverkehr 
z» erhalten. Das Reich kauft ein Hotel, unter dessen 
Eingehen der Fremdenverkehr unzweifelhaft leidet. 
(Beifall.) 
Ich weiß nicht, ob nicht der Gedanke, von dem München 
damals sich leiten ließ, allgemein gesehen sich noch eher 
verantworten läßt, als der Zweck, den jetzt die Reichs 
instanzen verfolgen. Damals haben die Münchener 
Käufe zweifellos stark dazu beigetragen, um einen 
Gegensatz zwischen Wirtschaft und Ge 
rn e i n d e n hervorzurufen. Es i st die Höchste 
Zeit, daß dieser Gegensatz beseitigt 
w i r d. Wir wollen uns das Verhältnis zur Wirtschaft 
nicht verderben lassen. Es ist die höchste Zeit, daß dieses 
Verhältnis e n t giftet wird. 
(Sehr gut!) 
Das Reich hat vor einem Jahre angeordnet, zur 
weiteren Klarstellung der Finanzverhältnifse der Ge 
meinden eine Statistik aufzustellen, die berühmte G e - 
m e i n d e f i n a n z st a t i st i k, deren Ergebnisse eben 
anfangen vorzuliegen. Die Hauptzahlen für Berlin habe 
ich inzwischen bekannt gegeben. Es ist doch wertvoll, zu 
sehen, daß für Berlin die Gesamtausgabe 1925 
ii u v uni 28% höher war als die von 1913. 
Vor längerer Zeit, im Juli 1925, hat uns das 
Statistische Reichsamt eine Uebersicht über den Reichs- 
h a u s h a l t v o n 1 9 2 4 gegeben, und zwar nicht so, 
wie er sich endgültig nach Schluß des Haushaltsjahres 
an Hand der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben 
darstellte, sondern wie er im Voranschlag aufge 
macht war. Es hat für diesen Voranschlag unter Ab 
setzung aller Ausgaben, die mit dem Kriege und unsern 
Zahlungen aus dem Daivesplan usw. zusammenhingen, 
festgestellt, daß sich die Reichsansgaben gegenüber 1913 
um 24% erhöht hätten. Das war 1924 nach dem Vor 
anschlag. Wieviel 1924 im Endergebnis ausgegeben ist, 
haben wir noch nicht erfahren, noch weniger, wieviel es 
1925 geworden ist. Ich glaube, wir können verlangen, 
wenn man die Entwicklung der Ausgabenwirtschaft der 
Städte im Verhältnis zur Vorkriegszeit der Oeffentlich- 
kcit zu unterbreiten wünscht, daß es dann eine selbst 
verständliche Maßnahme der Loyalität ist, daß auch 
Reich und Länder die Ergebnisse ihrer Wirtschaft gleich 
zeitig bekannt geben, denn wir werden keinen besseren 
Maßstab zum Vergleich haben, als den der übergeord 
neten Korporationen. 
Immerhin, meine Damen und Herren, das alles 
hilft uns nicht zu der Deckung, die wir für den Nach 
tragshaushalt brauchen. 
(Stadtv. Merten: Sehr richtig!) 
(Heitere Zustimmung.) 
Es bleibt die Frage, woher wir sie nehmen. 
(Heiterkeit.) 
(Stadtv. Merten: Jetzt kommt endlich der positive 
Teil. Jetzt hören wir etwas über die positive 
Seite!) 
— Ich hoffe, Herr Kollege Merten, daß auch meine bis 
herigen Ausführungen sich zu positiven Erfolgen aus 
wirken werden, und daß Sie in Ihrer Stellung beim 
Landtag dazu helfen werden, daß das geschieht. — 
(Stadtv. Merten: Mehr als ein kleines Pferdchen 
kann auch ich nicht!)
	        
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