Sitzung am 10. Juni 1926. 667
auf das Verständnis und die wohlwollende Förderung
des Herrn Kämmerers rechnen zu können. Aber wir
Iverbcii uns in diesem Hause ja wohl darüber klar sein,
daß,, wenn nun einmal ein Etat der Reichshauptstadt
als Kuliturstadt würdige Einnahmen und Ausgaben vor
weisen soll, der (Statt nicht so gemacht werden samt, wie er
jetzt gemacht worden ist und wie er immer wieder bei
uns gemacht wird, daß man nämlich sagt: Wir haben
die und die Einnahmen, infolgedessen können wir die nnd
die Ausgaben decken, und alles, was darüber hinweg
ist, fällt im Munde genommen von den Kultur
ford e r u n g e n d. H. von den S ch n l f o r d e r it n g e n
fort.
Ja, meine Damen und Herren, mit einem solchen
Raisonnemeut läßt sich zwar ein ausgezeichnet balan
cierender Etat machen, aber kein Etat, wie tvir ihn
uns denken. Denn wiif sagen, daß die Anforderungen, die
die Kultur an die Neichshauptstadt stellt, an erste r
Stelle stehen müßten, daß danach die Einnahmen be
messen werden müßten, daß mit anderen Worten die
Ausgaben, die für die Schule und für die Kunst gemacht
werden sollen, an die erste Stelle gerückt werden sollten
und die Einnahmen dafür geschaffen werden müßten.
Wenn 'Städte wie Hamburg — auch wenn es ein
Staat ist, dann wird man ihm wohl auch mildernde
Umstände von seiten des Herrn Kämmerers zubilligen
— und Wien ünstaifdr sind, ihrem Kultnretat die erste
Stelle im ganzen Etat - einzuräumen, dann müßte es
für die Reichshauptstadt auch möglich sein. Sie sehen
aber — wie schon der Herr Berichterstatter hervor
gehoben hat —: unsere finanzielle Lage scheint so schlimm
zu sein, daß gerade für diese Dinge kein Raum
vorhanden ist. Immerhin hat der Herr Kämmerer
schon im vorigen Jahre erklärt, daß die Stadt Berlin
alles tun würde, um die Substanz der Schule zu
erhalten. Wir haben uns infolgedessen tut Haushalts--
ansschuß schon einmal darüber unterhalten, daß der
Schlüssel für die Reparaturen an Baulichkeiten un
möglich in dieser Art weiter errechnet werden kann
wie jetzt, nämlich “/ 5 pCt. von der Battsuntnte, weil
dadurch die eine Schule zu kurz kommt nnd für die
andere Schule zu stark gesorgt wird. Der Herr Käm
merer hat uns ja tu dankenswerter Weise zugesagt, daß
größere Summen für alle Gebäude an die betreffenden
Bezirke mit der Maßgabe gegeben werden. sollen, daß
davon den Bezirksämtern für die einzelnen Gebäude
Geld bewilligt wird. Aber die Gravamitta, die wir in
bezug auf die Schulen haben, gehen in bezug auf die
Erhaltung der Substanz viel weiter.
Meine Damen und Herren! Wenn es in der Reichs»
Hauptstadt vorkommt, daß sich die Jungen' die Hosen
an den Bänken zerreißen, die die Stadt liefert, müßte
man eigentlich annehmen, das; hier Wandel geschafft
werden könnte nnd daß es möglich wäre, auch Bänke
für große Jungen anzuschaffen, die nicht zu klein sind
nnd für kleine, die nicht zu groß sind. Ich habe neulich
in meiner Schule die Beschwerde mehrerer mittlerer
Schüler annehmen müssen, daß sie Bänke hätten, die wohl
für die Sexta paßten, aber nicht für ihre Klasse.
Wir stehen weiter — nnd ich weiß, daß meine ganze
Partei für diesen Antrag einmütig eintritt — auf dem
Standpunkt, daß die bisher bewilligten Kosten für die
Elektrifizierung in keiner Weiß genügen. Meine Dame»
und .Herren, es sind im gesamten Etat 100 000 M
für die Elektrifizierung von Anstalten bewilligt worden,
und darunter sind — ich will nur die höheren Schulen
einmal herausheben, damit Sie lehen, wie die Dinge
liegen30000 M für die höheren Schulen im ganzen
bewilligt. Mit 30000 M lassen sich ungefähr
Schulen elektrifizieren. Die Stadtverordnetenver
sammlung wollte Vo sämtlicher noch mit Gas beleuchteter
Schulen elektrifizieren. Sie hat das mehrere Male dem
Magistrat durch Anträge nahegelegt, es wird aber nicht
elektrifiziert.
Meine Damen und Herren! Es kommt dazu ein
recht merkwürdiger Fall, auf den ich die Aufmerksamkeit
des Herrn Kämmerers richten möchte: Eine. Ober-
realschule hatte im vorigen Jahre eine Schalttafel an
bringen wollen. Diese Schalttafel ist vom Provinzial-
schulkollegium verlangt worden, weil sonst die Ober-
realschule nicht den naturwissenschaftlichen Unterricht
geben konnte. Sie kostet 5000 M. Es ist eine Selbst
verständlichkeit, daß von den 30000 M diese 5000 M
zunächst einmal weggenommen werden. Wir haben dann
also für die gesamten! höheren Schulen genau die Summe
von 25 000 M zur Verfügung. Damit wird man
ungefähr HF Schulen elektrifizieren können. Meine
Damen und Herren, das geht nicht. Alle die Argumente
spare ich mir, diel gegen die Gasbeleuchtung hier in diesem
Hause bereits angeführt worden sind. Wir halten das
für einen Berlins unwürdigen Zustand.
Aber, wenn nun schon der Etat so steht, dann sollte,
doch nicht auf der anderen Seite durch Kleinigkeiten die
Stadt Berlin Bauten verhindern, die notwendig sind.
Meine Damen nnd Herren, in diesem Zusammenhange
möchten wir darauf hinweisen, daß das Staatliche Gym
nasium in Neukölln nicht gebaut werden kann. Die
Stadt Berlin hatte zunächst die Hälfte der Baukosten
Und auch das Gründstück zu liefern übernommen. Nun
aber hat sich die Notwendigkeit herausgestellt — und
das wird ■ den Herrn Oberbürgermeister außerordentlich
interessieren —, daß zur Befriedigung von Turn- und
Sportzwecken noch ein kleines Grundstück, eine kleine
Parzelle, zu dem ursprünglich in Aussicht genommenen,
hinzukommen soll. Die Stadt Berlin verlangt für diese
Parzelle vom Staat 100 000 M, obwohl sie ungefähr nur
20 000 M wert ist. Wir betrachten das hier unter dem
Gesichtspunkte, daß durch diese — wir müssen schon
sagen: kleinliche — Maßregel der Stadt der Bau eines
staatlichen Gymnasiums dort verhindert wird. Ich will
hoffen, daß in aller nächster Zeit — ich entnehme
das aus dem Kopfschütteln des Herrn Syndikus — die
Forderung Berlins erheblich herabgesetzt wird, damit
endlich der Bau erfolgen kann.
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf auf
merksam machen, daß Assessoren ans der Provinz, hie
nach Berlin kommen sollen und vom Provinzial-
schulkollegium hierher beordert werden, von der Stadt
Berlin — ich glaube, es ist das die einzige Stadt
in ganz Preußen — keine Reisekosten ersetzt bekommen.
Meine Damen und Herren, das geschieht mit der Be
merkung, wir brauchten die Assessoren aus der Provinz
nicht. Meine Damen und Herren, das mag ein finan
zielles Moment sein, das pädagogische verlangt nun
aber, daß die Assessoren zwischen der Provinz und
der Reichshauptstadt ausgetauscht werden, das ist immer
so gewesen. Ich« habe cs aut eigenen Leibe erfahren,
und es ist mich sehr gut bekommen, daß ich zunächst einmal
ein Jahr in die Provinz geschickt und dann wieder
nach Berlin gekommen bi». Wir halten das für eine
Kleinigkeit, denn diese Kosten betragen nur einige, hundert
Mark.
Ebenfalls in diesem Zusammenhange möchten wir
darauf aufmerksam machen, daß es der Magistrat ab
gelehnt hat, die künstlerisch vorgebildeten Assessoren wie in
allen anderen Städten nach der Gruppe 10 einzu
gruppieren. Der Magistrat hat lediglich die Kosten
dafür bewilligt, sie nach Gruppe 8 einzugruppieren.
Wir halten auch dies, da es sich im ganzen um 20
überhaupt handelt, für ein Verfahren, das Berlin nur
schädigen kann. Denn in dem Augenblick, wo diese
Assessoren nach Gruppe 8 eingegliedert werden, wird
Berlin natürlich auf diese Assessoren überhaupt ver
zichten müssen. Das kann der Reichshauptstadt nicht
zum Vorteil gereichen.
Auch bei den Direktvrenkonferenzen zeigt sich ein
ähnliches _ Verfahren der Finanzverwaltung. Die amt
lichen Direktorenkonferenzen sollten wieder eingerichtet