48 Sitzung am 14.
Bei dieser Sachlage möchte ich vorschlagen, daß
über die Sache hinweggegangen und der Beschwerde
führerin vielleicht anheimgegeben wird, sich mir dem
Herrn Stadtmedizinalrat in Verbindung zu setzen, oder
sich jedenfalls bei diesem durch Herren, die hierfür ge
eignet sind, als der Herr Kollege Danicke, vertreten
zu lassen;
(Hört, hört!)
dann wird die Sache wahrscheinlich einen solchen Ver
lauf nehmen, daß die Schwester dabei zu ihrem Rechte
kommt. Wenn der Fall geschickt angefaßt wird, dann
wird mein auf das nötige Entgegenkommen rechnen
können.
Ich spreche mein Bedauern aus, daß die gesamte
Stadtverordnetenversammlung durch so langatmige und
zum Teil ganz unsachliche Ausführungen hier nicht
gerade in ein Licht gestellt worden ist, das wir uns
in der Öffentlichkeit wünschen müssen. Wir wollen das
in Zukunft vermeiden und nur Ausführungen machen,
die hierher gehören. Ja, wenn das noch in einer De
putation geschehen oder in einem Ausschuß besprochen
worden wäre, dann hätte ich mir gesagt, vor einem
solchen -Formn kann man auch einmal persönliche Dinge
zur'Sprache bringen. Aber wie ist es möglich, hier in
der Stadtverordnetenversammlung zu erzählen, daß ein
Arzt bei einer Schwester Kaffee getrunken hat. Wenn
das eine solche Ungeheuerlichkeit wäre, dann würde ich
deswegen auch zur Verantwortung zu ziehen sein, ich
habe das sicher auch schon einmal gewacht.
(Hört, hört! — Heiterkeit.)
Ich glaube, wir machen mit dieser Sache Schluß
und empfehlen der Schwester, den von mir gezeigten
Weg zu gehen.
(Beifall.)
Stabtb. Reimann (8 ). Verehrte Anwesende! .Ledig
lich die doch recht langatmigen und ich sage ausdrücklich
meiner Meinung nach unsachlichen Ausführungen des
Herrn Kollegen Danicke veranlassen mich, einige Worte
zu der Sache selbst zu sagen:
Ich glaube, daß Herr Danicke außerordentlich
schlecht beraten worden ist, als er den vorliegenden
Fall aufgriff. Ich habe hier vor mir einen Teil
Material liegen, u. a. einen Brief — Briefe sind ja
ein Stück persönliches Eigentum —, der mir von dem
Empfänger gegeben worden ist. Meine Damen und
Herren, der Brief kennzeichnet die Schreiberin. Ich kann
es mir nicht verkneifen, Ihnen einige Stellen daraus
vorzulesen. Sie schreibt diesen Brief an die Frau des
Stadtarztes Dr. Grumbach und sagt hier it. a.:
„Ich hatte erst die Absicht, ihm selbst und seinem
Büroschreiber Schiemann (in dessen ruchlosen Händen
er ja ganz eingewickelt ist, denn das ist offenes Ge
heimnis) zu antworten; aber glauben Sie mir, gnädige
Frau, der Ekel erfaßt mich, wenn ich an solche Ehren
männer denke!
Ich sage mir dieses „Eine", daß ich jetzt alles,
und wenn es mein Leben ist, für den Tag der Ver
geltung einsetze! So fest, wie ich auf meinen Gott
baue, glaube ich au eine Abrechnung der schmutzigen
Handlungen Ihres Mannes und seines Schreibers
Schientanit! Mich hat der Stadtarzt Grumbach un
glücklich gemacht, jetzt soll er auch die längste Zeit
int Glücke geschwelgt haben! Gottes Mühlen mahlen
langsam!" '
Ich übergehe die übrigen Zeilen und möchte nur
noch eine verlesen. Sie sagt ü. m, Frau Grumbach
hätte ja auch Kinder, und es wird sicher der Tag
kommen, wo einmal Dr. Grumbach und Baum sich
zu verantworten haben werden wegen ihrer Schand
taten. Zum Schluß sagt sie:
„In der Hoffnung, daß der Tag der Rache bald
kommt und Ihr Mann ebenso viele unglückliche Stun
den erleben möge wie ich, besonders das Weihnachts
Januar 1926.
fest, an dem ich die Kündigung erhalten habe, zeichne
ich itsio."
Meine Damen und Herren! Dieser Brief ist so
furchtbar und zeichnet so den Tiefstand der Schreiberin,
daß ich es mir versagt habe, den Brief ganz zu ver
lesen.
Nun zu der sachlichen Seite dieser Angelegenheit,
lInzweifelhaft muß zugegeben werden, daß Herr Dr.
Baum unkorrekt gehandelt hat. Herr Dr. Baum hat
Patienten geröntgt in der Röntgenanstalt Friedrichs
hain, die er der Röntgenanstalt der Lungenfürsorge
im Bezirk Tiergarten zuführen mußte. Ganz gleich,
wo sie wohnten, nur wenn sie iu seiner Behandlung
waren, hat er sie in Friedrichshain röntgen lassen, das
mußte aber in Tiergarten geschehen. Das ist eine der
Verfehlungen. Er hat unrechtmäßig der Lungenfürsvrge
Tiergarten diese Patienten entzogen. Das ist die Ver
fehlung, meine Damen und Herren, des Herrn Dr.
Baum, dieses Verfahren des Herrn Dr. Baum war
nicht korrekt. Das ist ihm auch wohl zum Bewußtsein
gekommen, als ihm das sehr deutlich gesagt wurde, und
er hat in letzter Linie dann daraus die Konsequenzen
gezogen.
Nun aber, meine Damen und Herren, lvas ist
denn nun mit der Schwester Morwinski? Die Schwester
Morwinski hat, als sie zur Rede gestellt wurde, auch nicht
einen einzigen Fall nachweisen können, daß Herr Dr.
Baum sich oder andere einen materiellen Vor
teil verschafft haben. Meine Damen und Herren, es
muß doch in letzter Linie der Kern der Sache fein, zu
untersuchen: hat der Arzt sich dadurch, daß er Lungen
kranke röntgen ließ, einen pekuniären oder materiellen
Vorteil verschaffen wollen? Das ist nicht nachgewiesen
und kann auch gar nicht nachgewiesen werden.
Nun aber weiter, meine Damen und Herren: Die
Schwester Morwinski ist nicht etwa sofort, als ihr die
Verfehlungen bekannt wurden, an die richtige Stelle
gegangen und hat gesagt: hier gehen Unregelmäßigkeiten
vor sich, sondern sie ist erst nach einem Jahre mit
diesen Beschuldigungen aufgetreten, nachdem das Ver
hältnis zu Herrn Dr. Baum, das vorher ein durchaus
freundliches war, getrübt war. Meine Damen und
Herren, das kennzeichnet doch die Beschwerdeführerin.
Nun noch eins: Ist das Verhalten der Schwester
Morwinski in der Fürsorgestelle tatsächlich so gewesen,
daß sie zu gar keinen Klagen Veranlassung "gegeben
hat? Meine Damen und Herren, ich kann mich da
nur auf das Material stützen, das mir zugegangen ist.
Wenn man aber z. B. hört, daß sich die Schwester bei
jeder Gelegenheit ihrer guten Beziehungen bis zu
Ludendorff gerühmt habe,
(Zuruf links: Aha, darum Danicke!)
und daß sie erklärt habe, daß man die verdammte
Judenbagage endlich in der Deutschen Republik beseiti
gen müsse usw., dann, meine Damen und Herren, frage
ich: Sind das korrekte Dinge, die sich im Amte zutragen
dürfen? Ich bin gewiß der letzte der irgend jemand seine
politische Ueberzeugung anfassen oder schmälern will,
aber so gehen die Dinge doch nicht, daß man an durchaus
unschuldigen Objekten seine Agitationswut ausläßt.
Meine Damen und Herren, nun zum Abbau der
Dame. Ich glaube, daß die Akten beim Magistrat in
letzter Linie nachweisen müssen, ob dieser Abbau korrekt
vor sich gegangen ist oder nicht. Aber, meine Damen
und Herren, es sind doch leider in der damaligen Zeit
eine Unmenge von Personen abgebaut worden, die
länger — ich sage leider länger — im Amte waren als
die Schwester Morwinski. Wenn nun für die Schwester
eine anderweitige Verwendung nicht vorhanden war,
und es ist ja doch bei der geistigen Verfassung der
Schwester kein Wunder, daß andere Stellen erklärten:
um Gottes willen, wir wollen sie nicht sehen, was
sollte dann mit ihr geschehen? Wenn keine andere