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Volume Sitzung 2, 14. Januar 1926

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1926 (Public Domain)

48 Sitzung am 14. 
Bei dieser Sachlage möchte ich vorschlagen, daß 
über die Sache hinweggegangen und der Beschwerde 
führerin vielleicht anheimgegeben wird, sich mir dem 
Herrn Stadtmedizinalrat in Verbindung zu setzen, oder 
sich jedenfalls bei diesem durch Herren, die hierfür ge 
eignet sind, als der Herr Kollege Danicke, vertreten 
zu lassen; 
(Hört, hört!) 
dann wird die Sache wahrscheinlich einen solchen Ver 
lauf nehmen, daß die Schwester dabei zu ihrem Rechte 
kommt. Wenn der Fall geschickt angefaßt wird, dann 
wird mein auf das nötige Entgegenkommen rechnen 
können. 
Ich spreche mein Bedauern aus, daß die gesamte 
Stadtverordnetenversammlung durch so langatmige und 
zum Teil ganz unsachliche Ausführungen hier nicht 
gerade in ein Licht gestellt worden ist, das wir uns 
in der Öffentlichkeit wünschen müssen. Wir wollen das 
in Zukunft vermeiden und nur Ausführungen machen, 
die hierher gehören. Ja, wenn das noch in einer De 
putation geschehen oder in einem Ausschuß besprochen 
worden wäre, dann hätte ich mir gesagt, vor einem 
solchen -Formn kann man auch einmal persönliche Dinge 
zur'Sprache bringen. Aber wie ist es möglich, hier in 
der Stadtverordnetenversammlung zu erzählen, daß ein 
Arzt bei einer Schwester Kaffee getrunken hat. Wenn 
das eine solche Ungeheuerlichkeit wäre, dann würde ich 
deswegen auch zur Verantwortung zu ziehen sein, ich 
habe das sicher auch schon einmal gewacht. 
(Hört, hört! — Heiterkeit.) 
Ich glaube, wir machen mit dieser Sache Schluß 
und empfehlen der Schwester, den von mir gezeigten 
Weg zu gehen. 
(Beifall.) 
Stabtb. Reimann (8 ). Verehrte Anwesende! .Ledig 
lich die doch recht langatmigen und ich sage ausdrücklich 
meiner Meinung nach unsachlichen Ausführungen des 
Herrn Kollegen Danicke veranlassen mich, einige Worte 
zu der Sache selbst zu sagen: 
Ich glaube, daß Herr Danicke außerordentlich 
schlecht beraten worden ist, als er den vorliegenden 
Fall aufgriff. Ich habe hier vor mir einen Teil 
Material liegen, u. a. einen Brief — Briefe sind ja 
ein Stück persönliches Eigentum —, der mir von dem 
Empfänger gegeben worden ist. Meine Damen und 
Herren, der Brief kennzeichnet die Schreiberin. Ich kann 
es mir nicht verkneifen, Ihnen einige Stellen daraus 
vorzulesen. Sie schreibt diesen Brief an die Frau des 
Stadtarztes Dr. Grumbach und sagt hier it. a.: 
„Ich hatte erst die Absicht, ihm selbst und seinem 
Büroschreiber Schiemann (in dessen ruchlosen Händen 
er ja ganz eingewickelt ist, denn das ist offenes Ge 
heimnis) zu antworten; aber glauben Sie mir, gnädige 
Frau, der Ekel erfaßt mich, wenn ich an solche Ehren 
männer denke! 
Ich sage mir dieses „Eine", daß ich jetzt alles, 
und wenn es mein Leben ist, für den Tag der Ver 
geltung einsetze! So fest, wie ich auf meinen Gott 
baue, glaube ich au eine Abrechnung der schmutzigen 
Handlungen Ihres Mannes und seines Schreibers 
Schientanit! Mich hat der Stadtarzt Grumbach un 
glücklich gemacht, jetzt soll er auch die längste Zeit 
int Glücke geschwelgt haben! Gottes Mühlen mahlen 
langsam!" ' 
Ich übergehe die übrigen Zeilen und möchte nur 
noch eine verlesen. Sie sagt ü. m, Frau Grumbach 
hätte ja auch Kinder, und es wird sicher der Tag 
kommen, wo einmal Dr. Grumbach und Baum sich 
zu verantworten haben werden wegen ihrer Schand 
taten. Zum Schluß sagt sie: 
„In der Hoffnung, daß der Tag der Rache bald 
kommt und Ihr Mann ebenso viele unglückliche Stun 
den erleben möge wie ich, besonders das Weihnachts 
Januar 1926. 
fest, an dem ich die Kündigung erhalten habe, zeichne 
ich itsio." 
Meine Damen und Herren! Dieser Brief ist so 
furchtbar und zeichnet so den Tiefstand der Schreiberin, 
daß ich es mir versagt habe, den Brief ganz zu ver 
lesen. 
Nun zu der sachlichen Seite dieser Angelegenheit, 
lInzweifelhaft muß zugegeben werden, daß Herr Dr. 
Baum unkorrekt gehandelt hat. Herr Dr. Baum hat 
Patienten geröntgt in der Röntgenanstalt Friedrichs 
hain, die er der Röntgenanstalt der Lungenfürsorge 
im Bezirk Tiergarten zuführen mußte. Ganz gleich, 
wo sie wohnten, nur wenn sie iu seiner Behandlung 
waren, hat er sie in Friedrichshain röntgen lassen, das 
mußte aber in Tiergarten geschehen. Das ist eine der 
Verfehlungen. Er hat unrechtmäßig der Lungenfürsvrge 
Tiergarten diese Patienten entzogen. Das ist die Ver 
fehlung, meine Damen und Herren, des Herrn Dr. 
Baum, dieses Verfahren des Herrn Dr. Baum war 
nicht korrekt. Das ist ihm auch wohl zum Bewußtsein 
gekommen, als ihm das sehr deutlich gesagt wurde, und 
er hat in letzter Linie dann daraus die Konsequenzen 
gezogen. 
Nun aber, meine Damen und Herren, lvas ist 
denn nun mit der Schwester Morwinski? Die Schwester 
Morwinski hat, als sie zur Rede gestellt wurde, auch nicht 
einen einzigen Fall nachweisen können, daß Herr Dr. 
Baum sich oder andere einen materiellen Vor 
teil verschafft haben. Meine Damen und Herren, es 
muß doch in letzter Linie der Kern der Sache fein, zu 
untersuchen: hat der Arzt sich dadurch, daß er Lungen 
kranke röntgen ließ, einen pekuniären oder materiellen 
Vorteil verschaffen wollen? Das ist nicht nachgewiesen 
und kann auch gar nicht nachgewiesen werden. 
Nun aber weiter, meine Damen und Herren: Die 
Schwester Morwinski ist nicht etwa sofort, als ihr die 
Verfehlungen bekannt wurden, an die richtige Stelle 
gegangen und hat gesagt: hier gehen Unregelmäßigkeiten 
vor sich, sondern sie ist erst nach einem Jahre mit 
diesen Beschuldigungen aufgetreten, nachdem das Ver 
hältnis zu Herrn Dr. Baum, das vorher ein durchaus 
freundliches war, getrübt war. Meine Damen und 
Herren, das kennzeichnet doch die Beschwerdeführerin. 
Nun noch eins: Ist das Verhalten der Schwester 
Morwinski in der Fürsorgestelle tatsächlich so gewesen, 
daß sie zu gar keinen Klagen Veranlassung "gegeben 
hat? Meine Damen und Herren, ich kann mich da 
nur auf das Material stützen, das mir zugegangen ist. 
Wenn man aber z. B. hört, daß sich die Schwester bei 
jeder Gelegenheit ihrer guten Beziehungen bis zu 
Ludendorff gerühmt habe, 
(Zuruf links: Aha, darum Danicke!) 
und daß sie erklärt habe, daß man die verdammte 
Judenbagage endlich in der Deutschen Republik beseiti 
gen müsse usw., dann, meine Damen und Herren, frage 
ich: Sind das korrekte Dinge, die sich im Amte zutragen 
dürfen? Ich bin gewiß der letzte der irgend jemand seine 
politische Ueberzeugung anfassen oder schmälern will, 
aber so gehen die Dinge doch nicht, daß man an durchaus 
unschuldigen Objekten seine Agitationswut ausläßt. 
Meine Damen und Herren, nun zum Abbau der 
Dame. Ich glaube, daß die Akten beim Magistrat in 
letzter Linie nachweisen müssen, ob dieser Abbau korrekt 
vor sich gegangen ist oder nicht. Aber, meine Damen 
und Herren, es sind doch leider in der damaligen Zeit 
eine Unmenge von Personen abgebaut worden, die 
länger — ich sage leider länger — im Amte waren als 
die Schwester Morwinski. Wenn nun für die Schwester 
eine anderweitige Verwendung nicht vorhanden war, 
und es ist ja doch bei der geistigen Verfassung der 
Schwester kein Wunder, daß andere Stellen erklärten: 
um Gottes willen, wir wollen sie nicht sehen, was 
sollte dann mit ihr geschehen? Wenn keine andere
	        
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