Sitzung am 14.
Sie haben diese Finanzhoheit durch den entsetzlichen
Dawesvertrag einer internationalen Bank übertragen.
Es ist Ihnen Wohl bekannt, daß die heutige Reichsbank
nicht mehr deutsch ist, sondern daß sie, eben weil man
diesen Weg vorzog, umgewandelt wurde in die vom
Dawesvertrag geforderte internationale Bank. Sie haben
sich damit Ihres Rechts begeben, die Waren in Ihrem
Lande so herzustellen, zu einem solchen Preise herzn*
stellen, wie es den Interessen Deutschlands entspricht,
denn diejenigen, die über die Zinspolitik der Reichsbank
wachen, sind nicht unsere Landsleute, sondern sind die
Internationalen, die ein Interesse daran haben, daß
der ausländische Handel blüht und nicht der deutsche.
Darum die wahnwitzige Zinspolitik der Reichsbank, die
den deutschen,Handel ruiniert, die deutsche Wirtschaft zu
grunde richtet. Die Reichsbank, d. h. diejenigen, die
dort die Macht ausüben, haben ein Interesse daran,
daß Deutschland aus der Konkurrenz des Auslandes,
des Weltmarktes ausscheidet. Wenn Sie sich überlegen,
daß wir im Jahre 1924 eine passive Handelsbilanz von
3 Milliarden Goldmark gehabt haben, daß wir im Jahre
1925, wie ich es im vorigen Jahre vorausgesagt habe,
eine passive Handelsbilanz von fast 5 Milliarden Gold
mark hatten, dann müßten Sic doch, wenn Sie unpar
teiisch und ohne Voreingenommenheit an die Dinge her
antreten wollten, einsehen, daß hier der Haupt
grund unserer wirtschaftlichen D e p r e s -
f t o n liegt und daß es nur anders werden kann, wenn
hier angesetzt wird. Notstandsarbeiten, und wenn iutt
für Milliarden ausführen lassen, können uns nicht hel
fen. Helfen kann uns nur die Möglichkeit, wieder mehr
Waren auszuführen anstatt einzuführen. Wenn mir
nicht einmal die Waren, die wir selber herstelle»
können, —
(Stadtb. Roth: Was wollen Sie denn inzwischen
mit den Millionen Erwerbslosen machen?)
— Werter Herr Kollege, das will ich Ihnen auch gleich
sagen. —
Ich sage, wir müssen unter allen Umständen dafür
sorgen, daß wenigstens die Waren, die wir selber her
zustellen imstande sind, bei uns hergestellt werden, daß
wir nicht den wahnsinnigen Weg gehen wie 1924 —
vom Jahre 1925 kenne ich die Zahlen noch nicht, sie
werden aber nicht viel anders sein —, daß wir allein
für 14 Milliarde Mark fertige Baumwollwaren, die wir
sämtlich in Deutschland hätte herstellen können, aus
Amerika beziehen und dafür unsere Textilindustrie, die
deutsche Textilindustrie ruinieren, so daß Hunderttau
sende von Arbeitern auf die Straße gesetzt werden. Sie'
müssen doch endlich einmal einsehen, daß das ein
Wahnsinn ist. Und wie ist das möglich? Weil nach den
„Dresdner Neuesten Nachrichten" trotz des Zolles von
100%, der auf amerikanischen Textilwaren liegt, die
Ware immer noch — damals, vor einigen Wochen —
27% billiger war als unsere deutsche Ware.
Wenn Sie nicht anfangen, das zu begreifen, und
wenn Sie hier nicht den Hebel ansehen, kann es nicht
anders kommen als bei dem Papiermarkschwindel. Der
Wagen geht rettungslos dem Abgrund zu, die Arbeits
losenziffer muß sich jeden Tag vermehren, gleich La
winen, die um so schneller rollen, je länger der Weg ist,
genau so, wie es beim Papiergeldschwindel zuging. Wir
werden also im nächsten Jahre wahrscheinlich eine noch
höhere Einfuhrziffer haben.
Wir müssen uns darum endlich einmal mit der Frage
beschäftigen: Woher kommt es, daß wir dauernd aus
ländische Waren einführen, die wir selber herstellen
könnten? Weshalb sind unsere Waren dauernd teurer
als die ausländischen? Um diese Frage kommen wir
nun mal nicht herum. Ich habe sie hier schon ver
schiedene Male beantwortet und mache es noch einmal
ganz kurz, indem ich sage: Der Haupt g r n n d i st
n n d bleibt n » » e i n nt gl d i e v e r k e h r t e
Volks- und staatsfeindliche Zinspolitik
Januar 1926. 35
der Reichsbank, weil sie die deutsche Ware mit
einem ungeheuren Zins belastet, über den heute beinahe
jeder klagt. Heute, nachdem wir bereits zwei Jahre laug
die wahnsinnige Wirtschaft getrieben haben, nachdem
bereits jüdische Blätter, die doch gewiß nicht meine
Freunde sind, zugeben, daß ohne Zinsabbau kein Preis
abbau möglich ist, dürfen Sie, meine Herren, nicht die
Hände in die Tasche stecken und, wie es bei dem Papier
geldschwindel der Fall war, einfach erklären: es geht
nicht anders. Wir können nicht, wie damals, warten
bis der letzte Sparpfennig verloren ist. Es ist endlich
Zeit, das Uebel an der Wurzel anzufassen. W i r in ü s -
s c n von der Regierung verlange n, d a ß
sie eingreift und daß sieden Zins g e s e tz. -
l i ch b e s ch r ä n k t. Wenn Amerika mit 3—4% aus
kommt, so dürfen wir eben nicht mehr Prozent Zinsen
nehmen, sonst ist unser Unternehmer nicht imstande, bil
liger als Amerika zu produzieren, weil ja ohnehin in
folge des Dawesvertrages, den Sie angenommen haben,
neue Steuerlasten auf unsere Unternehmer gekommen
sind, die der Ausländer nicht hat. Wenn wir also schon
infolge dieses Vertrages unsere Unternehmer nicht von
allen Steuern befreien können, von denen wir sie
von Rechts wegen befreien müßten, so müssen mir
ihnen doch wenigstens das andere, was die Ware
verteuert, abnehmen, damit auf dieser Seite eine Er
leichterung geschaffen wird. Wenn Sie aber beides be
stehen lassen, den Zinswucher und die die Wirtschaft
belastenden Stenern, so kann es nicht besser werden.
Beraten Sie meinetwegen alle Tage hier über das
Elend der Arbeitslosen, Sie werden es nicht lindern.
Nein, Sie werden im Gegenteil trotz aller Ausgaben
die Zahl der Arbeitslosen dauernd vermehren, und cs
wird zuletzt der Zusammenbruch genau so kommen, wie
er bei dem Papiergeldschwindel gekommen ist. Und
deshalb mache ich heute den letzten Versuch. Ich bringe
abermals einen Antrag ein,' dahingehend, daß die
Stadtverordnetenversammlung beschließen soll, den
Magistrat zu ersuchen, bei der Reichsregierung sofort
die Einbringung eines Gesetzentwurfs zu verlangen,
durch den alle, auch die verantwortlichen Männer der
behördlichen oder Privatinstitute, mit schwerer Zucht
hausstrafe bedroht werden, die mehr als 5% Zinsen
nehmen.
(Zimts: So ist es gut!)
Meine Damen und Herren, wenn in Amerika der Zins
unter 5% steht, wenn er sich in England um 5% herum
bewegt, so können auch wir es unbedingt durchsetzen.
Der Versuch muß gemacht werden. Es ist der letzte, den
wir unternehmen können, um uns zu retten. Man kann
nicht mit der Ausrede kommen, die deutschen Kapita
listen würden dann mit ihrem Kapital ins Ausland
gehen.
(Zuruf links: Natürlich würden sie das!)
Sie würden sich schwer hüten, draußen nicht mehr zu
nehmen als 3 oder 4%, weitn sie bei uns 5% bekommen
können.
Vor allen Dingen ist es unerhört, daß sogar be
hördliche Institute solche wahnsinnigen Zinsen nehmen.
Ich habe eben gehört, daß die Stadtbank in Berlin für
das Darlehn, das sie jetzt bei der großen Notlage der
Beamten den Beamten in Höhe eines Monatsgehalts
gewähren will, 12% Zinsen verlangt.
(Rechts: Hört, hört!)
Das ist ein Skandal sondergleichen! Das tut die Stadt
bank, die 42 000 Ji Tantieme für ihre obersten Be
amten ausgeworfen hat. Sie soll die Tantieme nehmen,
um den hungernden Beamten ein zinsloses Darlehn zu
geben.
(Zuruf: Bravo!)
Wir haben bereits einen dahingehenden Antrag bei dem
Herrn Vorsteher eingebracht. Die Amtsgerichte, alle
Gerichte überhaupt, verlangen vom Schuldner für den
Gläubiger heute schlankweg an Verzugszinsen 12%,
und wenn bereits Gerichte 12% bewilligen, ist es kein