510 Sitzung am 29.
Meine Damen und Herren, folgen Sie mir, wenn es
Ihnen mit der Sache Ernst ist, aus dein von mir vorge
schlagenen Wege ider sachlichen Mitarbeit. Sachlich
wollen wir raten und mittaten und helfen, aber nicht
agitieren und eine so traurige Angelegenheit zu poli
tischen Zwecken mißbrauchen!
(Lebhafter Beifall bei den Deutschuativualeu.)
Stadtv. Dr. Birk (Z.): Meine Damen und Herren!
Wir beklagen alle auf das tiefste den Unfall, der sich
auf dem Kraftwerk Rummelsburg ereignet hat. Darüber
sind sich wvhl alle hier in diesem Hause einig, daß alles
versucht werden muß, um nach Möglichkeit weitere Uit-
fälle zu verhüten. Aber wir wissen auch — und das ist
das Deprimierende —, daß diese Unfälle sich nicht gmiz
vermeiden lassen. Ueberall, wo solche Bauwerke auf
geführt werden, kommen Unfälle vor. Wir können hier
noch so lange reden und wir werden die Unfälle doch
nicht aus der Welt schaffen.
Wie hat sich nun der Rummelsburger Unfall zu
getragen? Der Kranträger des großen Laufkranes in
der Vorwärmehalle war bereits auf richtige Höhe ge
hoben. Ein Laufbahnträger war gleichfalls schon hoch
gezogen und bereits mit einem Ende aufgelegt, als in
folge eines falschen Befehles die Leute an der Bockwinde
den Bahnträger weiter nach oben gegen den schweben
den Kranträger zogen, so daß der Seilzug eine starke
Ueberbeanspruchung erhielt, da er den Laufträger und
den Kranträger ziehen mußte. Das Seil, an dem der
Bahnträger hing, riß und der Träger stürzte in die Tiefe,
wobei er eines der vier Seile, an denen der große Kran
träger hing, durchschlug. Dieser drehte sich ruckartig,
so daß auch die übrigen Seile der Beanspruchung nicht
mehr standhielten und rissen.
(Zuruf des Stadtv. Urich.)
Bitte schön, so ist es amtlich dargestellt worden.
(Zuruf des Stadtv. Urich.)
Der Krauträger im Gewicht von 70 t fiel nach unten
und begrub zwei Mann, den Richtmonteur und einen
Arbeiter. Auch die zwanzigfache Sicherheit der Seile
konnte das Unheil nicht abhalten.
(Zurufe.)
Es ist falsch, wenn Sie es anders darstellen, denn die
Seile sind geprüft, sie kommen aus der Fabrik nicht
eher heraus.
(Zuruf der Stadtv. Frau Rosenthal.)
Frau Rosenthal, vielleicht geben wir Ihnen eine Pro
fessur für Statistik an der Technischen Hochschule in
Charlottenburg, daun kommen wir zu Ihnen ins
Kolleg, dort können die Ingenieure der Betriebsleitung
sich dann belehren lassen.
Meine Damen und Herren, ich komme aus dein
Bergbau, dort hängen jeden Tag an einem Seil sound
so viele Menschenleben. Sie wissen, daß trotz der aller
schärfsten Aufsicht, die dort ausgeübt wird, immer
wieder Seilbrüche vorkommen. Also, wir stehen auch
dort diesen Ereignissen machtlos gegenüber.
(Zurufe links.)
Wenn weiter gesagt wird,
(Zurufe bei den Kommunisten.)
— Lassen Sie mich aussprechen. —
(Zurufe. — Glocke.)
Wenn weiter gesagt wird, es müssen Gerüste gebaut
werden, so möchte ich fragen, wie es wohl technisch mög
lich ist, einen Träger von parterre, von der Erde aus
auf 26 m hochzuheben, wenn man dazwischen Gerüste
baut. Das ist doch nicht möglich, da wären Gerüste
hinderlich.
(Zurufe bei den Kommunisten.)
Es handelt sich doch zunächst um die Unglücksstätte,
von den andern Geschichten reden wir doch vorläufig
April 1926.
nicht. Also, in der Halle, wo der Kran gehoben wurde,
konnte die Oeffnung frei bleiben.
(Zuruf bei den Kommunisten: Sie sind ja gar
nicht so dumm, wie Sie da tun. Stellen Sic sich
doch nicht so an!)
— Reden Sie doch nicht! Ich spreche zu Ihnen ja gar
nicht. —
Wenn es Tatsache ist, daß auf dem Werk Rurnrnels-
burg 14 Stunden ununterbrochen von einzelnen Leuten
gearbeitet worden ist, so muß ich allerdings sagen, daß
dies bedenklich ist. Man motiviert es damit, daß die
Arbeit von denselben Leuten fertig gestellt werden
mußte, die die Arbeit angefangen hatten. Aber dann
muß man ni. E. doch anders disponieren. Denn sonst
sind die Leute übermüdet und die Aufmerksamkeit ist
nicht mehr gegeben. Hierbei kann natürlich ein Unfall
leichter vorkommen. Ich stimme mit Ihnen darin
überein, daß wir alles versuchen müssen, um die Un
fälle zu verhüten und die normale Arbeitszeit nach
Möglichkeit nicht zu überschreiten.
(Zuruf bei den Kommunisten: Den Lohn zu er
höhen!)
Nun ist weiter Klage darüber geführt worden, daß
man auswärtige Arbeiter herangezogen hat. Meine
Damen und Herren, man muß daun auswärtige Ar
beiter bei solchen Arbeiten anstellen, wenn diese infolge
ihrer besonderen Uebung besonders qualifiziert sind.
Das ist meine Ueberzeugung, denn
(Zurufe.)
— erlauben Sie bitte — wenn Spezialfirmen ihre ein
geschulten Leute mitbringen, so ist cs ganz selbstver
ständlich, daß das der einzige richtige Weg ist.
(Zurufe bei den Kommunisten.)
Man soll nicht ungelernte Leute, die die Arbeit nicht
kennen, in Berlin annehmen.
(Zurufe und Lärm bei den Kommunisten.)
Hier ist gesagt worden, beim Kraftwerk Charlottenburg
wäre ein Arbeiter zu Tode gekommen, weil ein Iso
lierer ein Stück Holz heruntergeworfen hMe und weil
nicht vorschriftsmäßig gebaut worden sei. Der verant
wortliche Mann für diesen Unfall steht hier. Hierfür
ist nicht die Baupolizei, nicht die Betriebsleitung und
auch nicht der Herr Oberbürgermeister verantwortlich,
sondern ich selbst. Ich hatte die Leute unter meiner
Kontrolle und stehe dafür ein, daß alles getan ist, um
Unfälle zu verhüten. Es ist aber trotzdem der erwähnte
Unfall vorgekommen, nicht, wie es vom Vertreter der
Kommunistischen Partei dargestellt worden ist, des
wegen, weil kein Schutzgerüst vorhanden gewesen wäre,
sondern beim Bau eines Schutzgerüstes fiel das
Rundholz herunter und traf zufällig einen unten stehen
den Arbeiter.
(Zurufe bei den Kommunisten.)
Ich wollte das nur klarstellen, damit Sie wissen, wie
die Dinge wirklich liegen.
Zum Schluß muß ich mein Bedauern aussprechen
über die Art. in der hier eine solch ernste Angelegen
heit parteipolitisch ausgeschlachtet wird.
(Beifall rechts. — Lärm links.)
* Oberbürgermeister Böß: Meine Damen und
Herren! Es sind hier eine so große Anzahl von Vor
würfen und Vermutungen zum Ausdruck gekommen, die
sofort zu prüfen und klarzustellen unmöglich ist. Ich
werde mir deshalb erlauben, morgen vormittag Vertreter
der Parteien zu einer Besprechung und Besichtigung aus
dem Werk selbst einzuladen, um mit den beteiligten
Beamten und Bauleitern die Lage so zu klären, wie es im
Augenblick möglich ist.