Sitzung ant 29. April 1926. 507
ausgeführt — müßten die Verantwortlichen Unter
nehmer für jeden Todesfall Zuchthausstrafe bekommen.
(Sehr richtig!)
Taun wollten wir mal sehen, ob die Ingenieure nicht
auch einmal auf die Sicherung von Menschenleben
bedacht sein müßten. So aber haben wir ja das
Verhältnis, daß diese Kategorie der Arbeiter als Steh
kragenproletarier nur den Interessen der Unternehmer
dienen und leider ihren Geist nicht in den Dienst des
Arbeiterschutzes stellen.
(Zurufe rechts!)
Das ist natürlich eine Angelegenheit, die Ihnen etwas
unangenehm ist. Ich glaube den Vertretern der
Dentschnativnalen, daß Ihnen diese Unfälle auf dem
Kraftwerk Rummelsburg unangenehm sind —
(Zurufe rechts!)
jawohl, weil die Tatsache besteht, daß die Stadt Berlin
als Bauherr letzten Endes doch die Verantwortung für
diese Unfälle hat. Ich will gleich anführen, aus wel
chen Gründen: Es ist nicht angängig, deswegen, weil
das Kraftwerk Rummelsburg nun unbedingt im Ok
tober fertiggestellt sein nmß, den ausführenden Firmen
Termine zu setzen. Denn was kommt bei diesen Ter
minen heraus? Wenn die ausführenden Firmen diese
Termine nicht innehalten, sind sie zu einer hohen Kon
ventionalstrafe verurteilt, und sie werden natürlich
ans ihren Angestellten alles herausholen, um dieser
Geldstrafe zu entgehen. Es ist nicht angängig, daß die
Stadt Berlin derartige Verträge abschließt. Es nützt
auch nichts, wenn hier gesagt wird, daß das Kraftwerk
deswegen fertiggestellt werden muß, weil sonst noch eine
viel größere Arbeitslosigkeit im Oktober wegen Elektrizi
tätsmangel eintritt.
Meine Damen und Herren, das sind mit einem
Male ganz neue Töne. Bisher fehlte Geld,
fehlten Kredite, — deshalb mußten d i e
Betriebe geschlossen werden. Jetzt er
zählet: Sie uns auf einmal, daß di e Be
triebe geschlossen werden müssen, weil
ihnen die Elektrizität fehlt. Ich glaube,
diesem Uebelstande hätte wohl schnell abgeholfen werden
können. Es wären auch wohl noch andere Wege offen
gewesen, um den Betrieben, die stillgelegt sind, Elektri
zität zuzuführen. Also, ich bitte Sie, die Dinge nicht
auf ein falsches Gleis zu schieben.
Aber ich möchte noch auf eius ganz besonders auf
merksam machen. Herr Oberbürgermeister, wenn die
Dinge wirklich so ständen, daß die Arbeitervertreter bei
Ihrem Dortsein erklärt haben, d.iß allen Forderungen
der Arbeiter das größte Entgegenkommen gezeigt
werde, dann verstehe ich nicht, wie es heute
spontan möglich gewesen ist, daß die gesamte Beleg
schaft des Großkraftwerks Rummelsburg die Arbeit
niedergelegt hat —
(Bei den Kommunisten: Hört, hört!)
ja, die Arbeit niedergelegt Hit zur Demonstration,
weil sie sich derartiges Schindluderspielen mit ihrem
Leben nicht mehr gefallen lassen will.
(Bravo! bei den Kommunisten.)
Sie haben das nicht nur aus Pietät gegenüber ihren
verunglückten Arbeitskollegen getan, sondern deswegen,
weil sie genau gesehen haben, daß das, was denen
gestern passiert ist, ihnen morgen passieren wird. (Nach
rechts gewendet:) Ich möchte gerade Ihnen aus dieser
Seite sagen: genau so, wie Sie sich heute etwas un
glücklich fühlen, haben sich ans der andern Seite Ihre
politischen Freunde gestern abend sogar erlaubt, höh
nisch zu lächeln, als über die Dinge im Kraftwerk
Rummelsburg in der Bezirksversammlung Lichtenberg
gesprochen wurde.
(Zurufe von der Tribüne.)
Ihren politischen Freunden im 17. Verwaltungsbezirk
ist die Behandlung der Sache lächerlich gewesen in der
selben Minute, in der das Unglück in Rummelsburg
passierte.
(Zuruf rechts: Ueber Ihre lächerlichen Ausfüh
rungen. Ihre technischen Ausführungen sind
lächerlich gewesen!)
Sie können nicht behaupten, daß ich schwindele. Denn
ich habe an dieser Bezirksversammlung teilgenommen.
Mich von Ihnen Schwindler nennen zu lassen, impo
rtiert mir absolut nicht mehr. Jedenfalls ist das, was
ich behaupte, eine feststehende Tatsache.
(Zuruf rechts: Daß Sie nichts davon verstehen!)
Heute sind Sie etwas stiller, weil Sie wieder vor einem
neuen Unfall stehen. Vorsichtsmaßnahmen liegen Ihnen
ja niemals. Sie sind höchstens dazu zu haben, wenn
das Kind in den Brunnen gefallen ist, einen Deckel
darüber zu legen.
(Zurufe rechts, insbesondere des Stadtv. Dr. Faltz.)
(Zurufe bei den Kommunisten.)
(Borst. Haß: Ich bitte, doch solche Zwischenrufe zu
unterlassen. Das trägt wirklich nicht zur
Hebung der Würde der Stadtverordnetenversamm
lung bei!)
(Rechts: Sehr richtig!)
(Zurufe bei den Kommunisten.)
— Aber, Herr Faltz kann doch niemand beleidigen, den
nimmt doch kein Mensch ernst. —
(Lärm.)
— Das imponiert nicht mehr. —
Wenn bei diesem Fall ebenfalls die Frage
der Arbeitsvermittlung, des Arbeitsnachweises hier aus
geworfen wird, so ist sie schließlich doch das A
und das O dieser ganzen Zustände im Kraftwerk
Rummelsburg. Diese Frage ist sehr interessant. Wir
haben schon des öfteren die Forderung gestellt, daß die
Arbeiter, die dorthin verpflichtet werden, nur durch die
Fach- und städtischen Arbeitsnachweise vermittelt wer
den dürfen. Der Magistrat hat auch schon etwas durch
Verfügung veranlaßt, es sind auch Anschläge dort
draußen aufgehängt worden, die darauf hinweisen.
Aber kein Unternehmer kümmert sich darum und richtet
sich darnach, sondern sie holen sich ihre Arbeiter von der
Straße mit der Begründung, daß man zu dieser Arbeit
ganz spezielle Arbeiter brauche, die sie sich mitbringen
müßten. Wir haben tatsächlich auch den Zustand, daß
in der vergangenen Woche 46 Berliner Arbeiter ent
lassen worden sind, wenn ich nicht irre auch bei der
Firma Jttcho, während die oberschlesischen Arbeiter
behalten wurden. Ja, das wundert mich gar nicht
mehr, deittt in Groß-Berlin dürfte es schwierig sein,
erstklassige Facharbeiter für 60 Pfg. Stundenlohn zu
bekommen.
(Sehr wahr!)
(Stadtv. Urich: Leider ist es nicht der Fall. Sie
melden sich leider, das ist das traurige!)
Trotz alledem holt man sich aus Oberschlesien Fach
arbeiter, von denen wir uns erlauben zu behaupten,
das sie bestimmt nicht fachkundiger sind als die Ber
liner,
(Stadtv. Urich: Das ist richtig!)
weil sie gar nichts mit solchen Ausführungen und sol
chen Bauten "zu tun haben, wie die Groß-Berliner
Arbeiter.
(Sehr richtig!)