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Volume Sitzung 19, 29. April 1926

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1926 (Public Domain)

500 Sitzung am 29. April 1926. 
Ausdruck verliehen. Der Arbeitervertreter hat unserm 
Beamten gegenüber außerdem erklärt, daß allen An- 
fvrderuugeu, die seitens der Arbeitnehmer in bezug aus 
Maßnahmen zur Verhinderung van Unfällen an die 
Bauleitung herangebracht werden, das weiteste Ent 
gegenkommen entgegengebracht wird. 
Der Unfall von gestern abend ist auf ein irrtüm 
liches Kommando eines Richtmonteurs zurückzuführen, 
der selbst sein Leben eingebüßt hat. Die näheren Einzel 
heiten des Unfalls werden durch den Vertreter der.Bau 
polizei Ihnen sogleich dargelegt werden. 
Wir haben festgestellt, daß die banpalizeilichen Vor 
schriften genau beachtet worden sind. Der Arbeiterkon- 
trolleur hatte seit einiger Zeit schon seine Aufgabe auf 
dem Werke erfüllt. Der größere Teil der Arbeiterkon 
trolleure, die nach dem Beschluß der Stadtverordneten 
versammlung eingestellt werben sollten, ist bereits ein 
gestellt worden. Selbstverständlich wird dieser Unfall 
dazu Anlaß geben, von neuem alle Einzelheiten zu 
prüfen, die geeignet sind, derartige Unfälle zu ver 
hindern. Es hat aber bedauerlicherweise den Anschein, 
als ob bei uns in Deutschland und in Berlin große' 
Bauten von dem Umfange, wie sie in Rummelsburg 
jetzt aufgeführt werden, nicht mehr so int Gefühl aller 
Beteiligten, vielleicht auch der Techniker und Arbeit 
nehmer liegen, wie es vor dem Kriege der Fall lim, 
als derartige Bauten öfter in Berlin, und in Deutsch 
land überhaupt, zur Ausführung kamen, und es wird 
deswegen eine Aufgabe unserer Verwaltung sowohl 
wie der ersten Firmen, die an diesen Bauten beteiligt 
sind, sein, mit der größten Sorgfalt darauf zu achten, 
daß nur gut ausgebildete Arbeiter und Techniker bei 
einem derartigen Ban beschäftigt werden, 
(Bei den Kommunisten: Sehr wahr!) 
weil hiervon das Leben der beteiligten Arbeiter in 
erster Reihe abhängt. Wir werden aufs schärfste dafür 
sorgen, daß die Arbeitszeit innegehalten wird. Gerade 
diese Frage habe ich an Ort und Stelle geprüft und habe 
auf das entschiedenste gegenüber den Firmen darauf 
gedrängt, daß in all den Fällen, wo es technisch nur 
irgend möglich ist, die achtstündige Arbeitszeit innege 
halten wird. 
(Zuruf bei den Kommunisten.) 
Davon, Herr Kollege, können Sie sich an Ort und Stelle 
überzeugen, wenn Sie wollen. Soweit die Arbeiter- 
kontrolleure noch nicht eingestellt sind, werden sie in 
kürzester Frist eingestellt werden, und es wird auch ent 
sprechend den Wünschen, die hier heute abend zum Aus 
druck gekommen sind, geprüft werden, ob die Zahl der 
Arbeiterkontrolleure weiter zu vermehren ist, besonders 
auf denr Bau, um den es sich hier handelt. 
Daß in sanitärer Beziehung Mängel vorhanden 
sind, höre ich zum ersten Male. Ich werde auch die 
Wünsche, die hier in dieser Beziehung vorhin zum Aus 
druck gebracht worden sind, nachprüfen und, falls ein 
Bedürfnis sich herausstellen sollte, diesem unverzüglich 
nachkommen. 
Magistratsobcrbaurat Fischer: Meine Damen und 
Herren! Bei dem gestrigen Unfall ans dem Großkraft 
werk Rummelsburg handelte es sich darum, in einer 
ungefähren Höhe von 15 m einen Krau einzubauen. 
(Zurufe: Lauter!) 
Der Träger dieses 40-Tonnen-Kranes wiegt etwa 60 
Tonnen. Er war au vier Punkten an Drahtseilen auf 
gehängt, die über Bockwiuden liefen, um ihn in eine 
Höhe von 15 m zu heben. 
(Zurufe: Lauter!) 
Die Arbeit war bereits so weit fortgeschritten, daß 
dieser 60 Tonnen schwere Kran träger in der Höhe von 
15 in hing. Da dieser Kranträger nun länger ist als 
die Oeffnung zwischen den beiden Kranschienen, so 
mußten an den Kranschienen zwei Träger ausgefahren 
werden, um diesen langen Kranträger durch die Oeff 
nung hindurchbugsieren zu können. Nachdem der Kran 
träger sich in der Höhe von 15 m befand, wurde auf 
der einen Seite das ausgefahrene Trägerstück des Kran 
bahnträgers hochgehoben, und zwar an zwei Draht 
seilen. Auch diese Arbeit war bereits so weit vorge 
schritten, daß der Kranbahnträger bereits auf einem 
Auflager lag, und das andere Auflager sollte eben 
fertiggestellt werden. Der erste Richtmonteur begab sich 
von dem einen Ende des Kranbahnträgers zum andern, 
um dort auch die letzten Arbeiten an dem Einbau des 
Kranbahnträgers zu vollenden. In diesem Augenblick 
hörte er ein Kommando unten im Erdgeschoß und sah die 
Arbeiter an der Bockwinde drehen. Sie zogen das eine 
Ende des Kranbahnträgers so stark an, daß es an den 
Kranträger stieß. Nun drehten sie aber leider weiter, und 
zwar ging das so schnell, daß es nicht möglich war, xin 
Gegenkommando zu erteilen. Durch dieses Weiterdrehen 
wurde ein Drahtseil, an dem das eine Ende des Kran- 
trägers hing, überbeansprucht, das Ende an die Unter- 
kante des Kranträgers gedrückt, wodurch das Drahtseil 
zerriß. Nun stürzte der Kranbahnträger auch von dem 
anderen Auflager herunter und zerschnitt unglücklicher- 
weise eines der 4 Drahtseile, mit denen der Kranträger 
gehoben worden war. Nunmehr hing der große 60 Ton 
nen schwere Kranträger nur noch an drei Drahtseilen. 
Durch Ncberbeanspruchnug eines dieser Drahtseile 
senkte sich eine Seite des Kranträgers und dieser kam 
ins Kippen und stürzte ab, den zweiten Richtmonteur, 
der das falsche Kommando gegeben hatte, unter sich 
begrabend, ebenso einen Arbeiter, die beide ihren Tod 
dabei fanden, während drei andere Arbeiter schwer und 
ein vierter leicht verletzt wurden. 
Es gibt keine Maßnahmen, die ein derartiges Un 
glück verhindern können. 
(Links: Hört, hört!) 
Gegen ein falsches Kommando ist auch das festeste Ge 
rüst nicht standhaft genug. 
Die Unfallstelle wurde heute nachmittag von dem 
Herrn Oberpräsidenten besichtigt. Er hat alle Einzel 
heiten genau untersucht und auch festgestellt, daß, soweit 
es menschenmöglich ist, alles geschehen war, um einen 
Unfall zu verhindern. Ich muß hinzufügen, daß ich 
am gestrigen Nachmittag noch auf der Baustelle war 
und beobachtet habe, wie der große 60 Tonnen schwere 
Kranträger hochgehoben wurde. Es befand sich alles 
in bester Ordnung. 
Auf dem Großkraftwerk Rummelsburg entsteht ein 
Bauwerk von einer Ausdehnung und einer Höhe, wie 
man sie in Deutschland nur erst wenige errichtet hat, 
wenigstens in den letzten Jahren hat errichten können. 
Natürlich sind die Arbeiter auf derartige Großkonstruk- 
tioneu noch nicht eingestellt. 
(Zuruf: Unerhört!) 
Stadtv. Repschläger (K.): Bereits am 16. Februar 
haben wir uns in diesem Hause mit den Vorgängen, 
wie sie in der letzten Zeit auf den Berliner Baustellen 
vorhanden sind, beschäftigt. Damals habe ich ein 
gehend int Namen meiner politischen Freunde von der 
Kommunistischen Partei dargetan, wie es wirklich aus 
sieht. Es ist hier auf dieser Baustelle in Rummels- 
burg genau so wie im vorigen Jahre auf der Bau 
stelle des Kraftwerkes Charlotteuburg. Da sind im 
vorigen Jahre Tausende von Fällen vorgekommen, und 
hier scheint sich das jetzt in einem noch höheren Maste 
zu ereignen. 
Meine Damen und Herren! Das „Berliner Tage 
blatt" bringt heute abend einen Bericht, dast die Staats 
anwaltschaft 20 Arbeiter der Baustelle vernommen 
hat und dast dort einmütig erklärt worden ist, dast sie 
nicht 8 Stunden, nicht 10 Stunden, nicht 12 Stunden,
	        
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