492 Sitzung am 22. April 1926.
(Zuruf bei den Kommunisten: Im Gegenteil, das
inacht uns Spaß!)
Die deutsche Sozialdemokratie ist in dem Gedan
ken der Maifeier ain konservativsten gewesen. Sie ist
es gewesen, die am zähesten diesen Gedanken durch
gehalten hat, trotzdem — ich wiederhole das — die Ge
werkschaften bei Beginn der Maifeier sehr stark gegen
die Maifeier gekämpft haben.
In einer Ausgabe der sozialdemokratischen „Mc-
tallarbeiterzeitung" heißt es:
„Aber noch eins kommt in Betracht, und das
verekelt uns die jetzige Form der Maifeier am
meisten. Eine große Anzahl der Feiernden demon
striert im wahrsten Sinne des Wortes nicht. Sehr
viele find darunter, die in irgendeiner Form Ur
laub van ihrem Unternehmer genommen haben, sei
es durch Krankmeldung. Verreisen oder Umzug.
Andere wieder holen die versäumte Schicht durch
eine Ueberschicht heraus, oder sie demonstrieren am
Tage und arbeiten des Nachts."
So die sozialdemokratische „Metallarbeiterzcitung."
Heute sprach ich einen Kollegen,
(Zurufe bei den Kommunisten: Einen Kollegen?)
der Betriebsversammlung hatte,
(Zurufe. — Lärm.)
der Betriebsversammlung hatte und verkürzt arbeitet.
(Zurufe links.)
Die haben beschlossen, die Tage so zu legen, daß sie ain
1. Mai den verkürzten Feiertag haben und die andern
Tage zu arbeiten, trotzdem sie"
(Redner wird dauernd durch Zurufe auf der
äußersten Linken unterbrochen.)
(Glocke.)
(Vorst. Haß: Meine Damen und Herren, wenn
wir so weiterverhandeln, dann sind wir um Mit
ternacht auch noch hier. Es ist eine ganze Reihe
von Rednern eingezeichnet. Ich bitte, doch jetzt,
den Redner ruhig ausreden zu lassen.)
(Zuruf bei den Kommunisten: Fastnachts
stimmung!)
— Die Fastnachtsstimmung wird Ihnen noch ver
gehen. —
(Lachen links.)
Meine verehrten Damen und Herren, wir wollen uns
doch mal praktisch vor Augen führen: Welchen posi
tiven Gewinn hat denn die Arbeiterschaft von der
Maidemonstration?
(Stadtv. Dcgncr: Sie haben keine Ahnung davon!)
(Zuruf: Was sagen Sie denn zum Bußtag?)
— Auf den Bußtag komme ich noch. —
(Zurufe links.)
— Ich komme noch darauf, jawohl! —
(Zurufe. — Lärm.)
(Zuruf bei den Kommunisten: Und Himmelfahrt!)
Trotz der jahrzehntelangen Demonstration schreibt die
sozialdemokratische „Volksmacht" in Bielefeld folgen
des in einem Artikel:
„Die Erringung der Arbeitsruhe
(Zuruf: Jetzt lesen Sie mit einem Male Arbeiter-
blätter?)
Es liegt mir gerade daran, daß Sie diesen Artikel
hören:
„Die Erringung der Arbeitsruhe am 1. Mai ist
nur eine Demonstration, die wohl Begeisterung er
wecken kann, —"
(Stadtv.. Czeminski: Herr Vorsteher, sonst ist es
doch nicht üblich, hier Vorlesungen zu halten!)
„— aber nur eine vorübergehende, schnell ver
flackernde, welche deshalb —" "
(Zuruf links: Sie müssen doch frei reden!)
Bitte sehr, ich lese das, was die „Volksmacht" in Bie
lefeld geschrieben hat.
(Zuruf links: So gut und so schlecht, wie Sie es
gelernt haben!)
„— welche deshalb solange großen Anklang fand,
als das Proletariat nichts zu verlieren hatte, —"
(Zuruf: Lesen Sie doch nicht alles ab!)
Ich verlese die Bielefelder „Volksmacht".
(Stadtv. Czeminski: Das ist ja gar nicht gestattet!)
Ich lese die Bielefelder „Volksmacht".
(Stadtv. Hoffman»: Das Recht zum Ablesen
haben Sie nicht!)
Herr Hoffmann, wenn es Ihnen auch unangenehm ist,
ich zitiere die Bielefelder „Volksmacht".
(Bei den Kommunisten: Bravo, zitiere man
weiter!)
Es liegt mir daran, daß Sie das gerade hören.
(Zurufe links: Welche Zeitung?)
Ich muß also nach mal von vorne anfangen.
(Große Heiterkeit.)
„Die Erringung der Arbeitsruhe am 1. Mai ist
nur eine Demonstration, —"
(Zuruf: Welche Zeitung?)
„— die wohl Begeisterung erwecken kann, aber nur
eine vorübergehende —"
(Stadtv. Czeminski: Wo steht denn das?)
(Zuruf links: Fangen Sie mal von hinten an!)
(Stadtv. Czeminski: Wo steht das geschrieben?)
(Lärm. — Glocke.)
(Zuruf: Wo steht denn das?)
Ich habe es schon dreimal wiederholt, wenn Sie es
nicht gehört haben, dann verstehe ich das nicht.
(Stadtv. Wisnewski: Wo steht denn das?)
— Es ist unangenehm, aber es muh raus! —
(Schallende Heiterkeit.)
(Stadtv. Hoffmann: Die Station für Seekranke ist
unten im Keller!)
(Zuruf bei den Kommunisten: Der hat ja falsch
gesprochen!)
(Andauerndes Glockenzeichen.)
(Zuruf: Wo find Sie Gewerkschaftler?)
Sie haben keine Ahnung! Als Sie noch gar keine
Ahnung hatten, als Sie die Windeln noch naßmachten,
war ich schon Gewerkschaftler.
(Zuruf: Wo denn?)
Als Sie die Windeln noch naßmachten.
(Zurufe: Wo denn?)
Ich bin auch in der freien Gewerkschaft gewesen, ja
wohl!
(Zurufe. — Glocke.)
(Zuruf: Weiterlesen!)
(Borst. Haß: Haben Sie nicht alle das Gefühl, daß
wir damit unserm Ansehen nicht dienen, wenn wir
in einer solchen Weise über die Maifeier verhan
deln? Ich bitte also um Ruhe.)
(Stadtv. Roth — auf den Redner weisend '—:
Der kann ja nach Hause gehen!)
— Nein, ich gehe nicht nach Hause. —
(Vorst.. Haß: Ich bitte also die Herren, Platz zu
nehmen und den Redner ausreden zu lassen.)
(Zurufe.)