470 Sitzung am 22. Avril 1926.
Schritt vorwärts, und man soll nicht aus grundsätz
lichen Erwägungen heraus einen solchen Schritt
hemmen.
Meine Freunde sind durchaus dafür, diese Vor
lage zu bewilligen.
Dann ist der Wunsch ausgesprochen worden, auch
vom Ausschuß, doch tien Pslegesatz zu ermäßigen. Da
möchte ich auf eine Praxis aufmerksam machen, die
sich im Bezirk Charlottenburg eingebürgert hat. Dort
hat man Sparbücher für solche Kinder eingeführt, die
in den Ferien oder auch außerhalb der Ferienzeit ihre
Erholung auf dem Lande oder an der See verleben
möchten. Diese können wöchentlich einen bestimmten
Betrag, wenn es auch Pfennige sind, auf ein Sparbuch
abgeben. Das Geld wird natürlich auch verzinst. Das
Bezirksamt Charlottenburg berichtet, daß es im ver
gangenen Jahre nicht weniger als 250 Kinder gerade
auf Grund dieses Sparbuchverfahrens verschickt habe.
Ich möchte also das Jugendamt bitten, dieses Ver
fahren auch den anderen Bezirken zur Nachahmung
zu empfehlen.
Sfabfo. Colofser (W.): Meine Freunde stimmen
der Vorlage zu, weil sie dringend und wichtig ist. Wir
müssen allerdings in Zukunft verlangen, daß uns bei
Bauvorhaben — und hier handelt es sich um ein solches
— rechtzeitig die bautechnischen Unterlagen gegeben
werden, da wir sie auf die Art und Weise ihrer Aus
führung prüfen wollen und schließlich ja Vorschläge
und Abänderungen machen könnten. Insofern ist ein
Fehler der Verwaltung festzustellen. Unter diesem
Fehler aber die Kinder leiden zu lassen, müssen wir ab
lehnen, beim wenn wir jetzt nachträglich ein solches
Verlangen stellen, so geht ein Sommer für soundso
viele Kinder draußen verloren, und das können wir
nicht verantworten.
(Stadtv. Roth: Bravo, Herr Colosser! Mensch,
bist Du vernünftig!)
Vorst. Haß: Die Beratung ist geschlossen. Wir
kommen zur Abstimmung,
Der Beschluß des Ausschusses liegt Ihnen vor.
Es wird von der Deutschnationalen Fraktion Rück
verweisung an den Ausschuß beantragt. Wer für
Rückverweisung ist, bitte ich, eine Hand zu erheben.
(Geschieht.)
Ich bitte um die Gegenprobe.
(Geschieht.)
Letzteres ist die Mehrheit; die Rückverweisung ist ab
gelehnt.
Wer nun dem Beschlusse des Ausschusses zu
stimmen will, bitte ich, eine Hand zu erheben.
(Geschieht.)
Mit großer Mehrheit beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 9 der Tagesordnung:
Berichterstattung des auf Antrag aller Parteien zur
Behandlung der Angelgenheit der Heimstätten-
gesellschaft „Primus" eingesetzten Ausschusses —
Drucks. 64 und 357 —.
Berichterstatter ist Herr Kollege Ziethen. Ich er
teile ihm das Wort.
Berichterstatter Stadtv. Ziethen (DN.): Meine
Damen und Herren! Der Ausschuß hat sich mit dieser
„Primus"-Angelegenheit eingehend beschäftigt. Er
hat, um die Sache schneller und leichter zu klären,
Vertreter der Siedler und den Direktor der Primus
gesellschaft zur Beratung hinzugezogen. Die Vertreter
der Siedler haben sich im wesentlichen auf den Stand
punkt der Anfrage gestellt. Sie haben den Vorwurf
der Uebervorteilung gegen die Primusgesellschaft wie
derholt. Sie haben angegeben, daß man ihnen ca.
7000 Jt für ein Wohnhaus abverlangt, während der
normale Preis nur 4800 Ji ausmacht.
Der Vertreter, oder der Direktor der Pirnus-
gesellschast hat nun die überraschende Erklärung im
Ausschuß abgegeben, daß nach den nunmehr fertig
gestellten Abrechnungen die Siedler nicht 7000 Ji son
dern nur 3000 bis 3600 Ji für ein Haus zu zahlen
Hütten. Mit diesem Betrage blieben die Siedler selbst
hinter dem zurück, was sie selbst als angemessen und
ausreichend bezeichnet und zu zahlen selbst sich bereit
erklärt hätten.
Auf diese Erklärung des Direktors der Siedlungs
gesellschaft, hat dann der Vertreter des Magistrats fol
gende Erklärung abgegeben:
„Der Magistrat erklärt sich bereit, auf die Ver
treter der Stadt im Aufsichtsrat der Primusgesell
schaft dahin einzuwirken, daß die Abrechnung mit
den Siedlern im Sinne der von dem Direktor
Borgsdorf in der Ausschußsitzung vom 9. April vor
getragenen Kostenaufstellung erfolgt und daß die
Zinsen für das Restkaufgeld auf einen ange
messenen, möglichst niedrigen Satz festgesetzt
werden."
Meine Damen und Herren, da nun die Stadt mit
zwei Dritteln der Gesellschaftsanteile bei der Sied
lungsgesellschaft beteiligt ist, so ist anzunehmen, daß
sie auch im Aussichtsrat die genügende Macht und die
Möglichkeit hat, dahin zu wirken, daß tatsächlich die
Primusgesellschaft nunmehr das erfüllt, was der Di
rektor im Ausschuß versprochen hat.
Unter diesen Umständen hat dann der Ausschuß
beschlossen, der Stadtverordnetenversammlung vorzu
schlagen, die Angelegenheit als erledigt anzusehen.
Vorst. Haß: Wortmeldungen liegen nicht vor. Die
Beratung ist geschlossen. Wer dem Beschluß des Aus
schusses zustimmen will, bitte ich, eine Hand zu erheben.
(Geschieht.)
Das ist, wie ich sehe, einstimmig.
Wir kommen nun zu Punkt 10 der Tagesordnung:
II. Beratung des Antrages der Stadtv. Gäbet und
Gen., betr. Vergebung von Konfektion durch die
Berliner Anschaffungsgesellschaft an Privatfirmen
— Drucks. 167 und 229 —.
Berichterstatter ist Herr Kollege Mielentz. Ich erteile
ihm das Wort.
Berichterstatter Stadtv. Mielentz (V.): Meine
Damen und Herren! Nachdem im Ausschuß dieser An
trag der Stadtv. Gübel u. Gen. eine Erweiterung er
fahren hat, finden Sie den Antrag zur Beschluß
fassung unter Nr. 229 der Drucksachen.
Der Ausschuß empfiehlt Ihnen die Annahme des
Antrages in dieser Form.
Stadtv. Wisnewski (K.): Meine Damen und
Herren! Die Ursache unseres Antrages bildete ein
Artikel in der „Welt am Abend", der am 21. Januar
d. Js. erschien. In diesem Artikel wird it. a. behauptet,
daß der ehemalige Direktor Hiekmann von der B.A.G.
die gesamte Lieferung des Bedarfs der Stadt Berlin
für die Waisenhäuser der Firma Maaßen übertragen
hatte, die ihm von hoher Stelle empfohlen wurde. Es
wurde den Waisenhäusern überlassen, mit der Firma
Maaßen direkt in Verhandlungen einzutreten über die
Lieferung, die Ausstattung und den Preis. Die Firma
Maaßen war bis zu der Zeit auf die Lieferung von
Modeartikeln eingerichtet. Sie hatte also keine Ab
teilung für sogenannte Armeleutekleidung und war
gezwungen, sich eine derartige Abteilung einzurichten.