Sitzung Vom 1
Man will das Schulturnen auch nicht in das
Stadtamt hinein haben. Herr Kollege Lohmann, warum
haben Sie es uns nicht gesagt?
(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Nanu?)
Das Schulturnen — ich will das hier offen aussprechen
— steht in keiner Weise auf der Höhe, auf der es stehen
müßte.
(Sehr wahr!)
Die höheren Schulen allein haben fachmännisch Vor
gebildete Tnrn- und Sportlehrer. Die höheren Schüler:
allein! Bei den Mädchenschulen trifft das schon nicht
mehr zu. Das Mädchentirrnen wurde bisher sehr stief
mütterlich behandelt. Es wurde vielfach in ähnlicher
Weise wie das Knabenturnen gegeben. Erst in neuerer
Zeit sind durch besondere Ausbildung Turulehrkräfte
herangezogen worden, die dem weiblichen Körper an
gemessenes Turnen überhaupt geben können. Aber da
liegt sehr vieles noch im argen. Es sind noch lange
nicht die notwendigen Lehrkräfte vorhanden.
Von den Gemeindeschulen ganz zu schweigen. Da
ist von einem gesunden, vernünftigen, planmäßigen
Turnunterricht überhaupt keine Rede.
(Zuruf links: Kennen Sie denn das Turnen in
den Gemeindeschulen?)
Trotzdem sträubt man sich gerade von dieser Seite mit
um meisten. Herr Kollege, ich bin auch 8 Jahre auf
diesem Gebiete ehrenamtlich tätig gewesen. Einen
kleinen Einblick in das Gemeindeschulturnwesen habe ich
auch. Trotzdem, sage ich, sträubt man sich gerade von
Ihrer Seite, und zwar, weil man befürchtet, Aufsichts-
beamte zu bekommen. Das ist das Schlagwort, das den
Gemeindeschullehrern eigentlich oktroyiert worden ist.
In Wirklichkeit handelt es sich darum gar nicht. Das
Stadtamt für Leibesübungen wird natürlich Fach
berater heranziehen, um eben auch das Turnen in den
Gemeindeschulen auf eine angemessene Höhe zu bringen.
Von einer planmäßigen Verwaltung der Turnhallen
war bis jetzt auch keine Rede. Ich würde es bedauern,
wenn die Turnhallen aus dem Stadtamt für Leibes
übungen herausgenommen werden sollten. Es ist er
forderlich, daß die absolut notwendigen Erneuerungen
in allen Turnhallen endlich mal planmäßig durchge
führt werden. Es ist notwendig, daß eine sehr große
Zahl von Neubauten geschaffen wird. Wenn das hier
nicht an dieser Zentralstelle, Herr Kollege Zobel, be
schlossen wird, habe ich — und ich glaube auch Sic —
die allerschwersten Befürchtungen. Wenn die Hallen
bei der Schule bleiben, wie bisher, wird diese Wurstelei
sich noch Jahre hinaus weiter hinziehen. Damit ist dem
Schulturnen nicht gedient, damit ist auch den Turn-
und Sportvereinen durchaus nicht gedient. Ich habe
auch gar nicht die Befürchtung, daß die Schulen zu kurz
kommen würden, wenn man die Verwaltung der Turn
hallen der eigentlichen Deputation entziehen würde.
Wir haben, meine Damen und Herren, das muß ich
mit Nachdruck betonen, früher eine besondere Deputa
tion in Berlin gehabt. Verschiedene Stadtverordnete
sind ebenso wie ich noch Mitglied dieser Deputation ge
wesen, sie hieß: Deputation für das Turn- und Bade-
wesen.
Und damit möchte ich auch zu dem Badewesen noch
etwas übergehen. Bitte lassen Sie sich doch nicht durch
die Ausführungen des Herrn Medizinalrats irgendwie
vom gesunden Gedanken abbringen. Die medizinische
Fachberatung wird niemand entbehren wollen. Die
genügt aber vollkommen für das Medizinalamt. Die
federführende Instanz braucht das Medizinalamt durch
aus nicht zu sein. Wir haben überhaupt bis jetzt jeden
falls keine Veranlassung, dem Medizinalamt gegenüber
sehr entgegenkommend zu sein, da wir die Bäderpolitik
mit Entsetzen in den letzten Jahren verfolgt haben, auch
solange der jetzt amtierende Medizinalrat da ist. Man
hat beispielsweise sämtliche Flußbäder geschlossen, also
der Bevölkerung die Möglichkeit zum Baden genommen,
1. März 192(3. 311
ohne daß man Ersatz geschaffen hat. Nun nach dem
Kriege hat man auf einmal gesagt: das Flußwasser ist
so gesundheitsschädlich.
(Zuruf.)
Bitte, Herr Kollege, da muß man lachen. Früher,
während des Krieges und noch lange nachher war das
Flußwasser nicht so gesundheitsschädlich. Das ist keine
Vorausschauende Politik des Medizinalamts. Dann
hätte man für Ersatz sorgen müssen. Für Ersatz hat
man nicht gesorgt, und für Ersatz wird das Medizinal
amt in Zukunft auch nicht sorgen. Es wird sich auf
rein medizinische Angelegenheiten beschränken, wo es
zuständig ist. Die Politik für Schwimmbäder soll auch
gerade in der Hand des Stadtamts für Leibesübungen
liegen, denn der Kern jeder Badeanstalt ist doch die
Schwimmhalle.
Hinter die Zahlen, die der Herr Medizinalrat vor
getragen hat, setze ich ein großes Fragezeichen.
(Zuruf des Stadtv. Merten.)
Jawohl, Herr Kollege Merten. Herr Kollege Merten,
ich will nicht über den Wert der Statistik überhaupt
reden, aber ich habe Zahlen von einzelnen Bezirken
gehört, die ganz anders lauten, Zahlen, die amtlich
von den Bezirken bekanntgegeben worden sind. Ich
habe natürlich nicht einen Ueberblick, tote der Herr Medi
zinalem, über das Ganze. Jedenfalls ist Tatsache,
daß in verschiedene» Bezirken bis zu 80°/o der SchwimM-
hallenbesucher gerade organisierte Sportler sind, und
das wird Wohl auch noch zunehmen. Außerdem
ist die gefaulte Schuljugend heute planmäßig verpflich
tet, am Schwimmunterricht teilzunehmen. Es sind aljo
Hunderttaufeiide von Kindern, die ebenfalls im Turnen
und Schwimmen dem Stadtamt für Leibesübungen zu
unterstellen sind. Deshalb sollten nuferer Ansicht nach
auch die Badeanstalten, deren Kernpunkt, tote gesagt,
die Schwimmhallen sind, dem Stadtamt für Leibes
übungen unterstellt werden. Die medizinischen Gut
achten, die notwendig sind und die ärztliche Beeinflussung
wird niemand dem Mcdiztnalaint verwehren.
Aehulich verhält es sich mit den Außenspielplätze»,
Herr Kollege Lohmanu. Es ist sonst nicht üblich,
daß eine Stelle, die die Außenfpielplätze für fünf Wochen
braucht — für die großen Ferien —, die Außen-
spielplatze verwaltet, während sie die andere Stelle, das
Stadtamt für Leibesübungen, für die andern l'Oy» Mo
nate braucht. Es ist doch'da eigentlich das Vernünftige,
dast das Stadtamt für Leibesübungen, das die Außenspiel-
plätze 10 Monate im Jahre braucht, diese Spielplätze auch
verwaltet, iind nicht das Jugendamt, das sie nur braucht,
um während der großen Ferien die Kinder daraus zu
verpflegen. Es steht auch ausdrücklich im' Entwurf
der Satzungen, daß die Belange des Jugendamts hin
sichtlich der Anßenspielplntze nicht berührt werden, d. H.
für die großen Ferien stehen dem Jugendamt die Außen*
spielplätze zu den bisherigen Zwecken restlos zur Ver
fügung. Das kann das Jugendamt verlangen, soll
es auch verlangen. Das will dem Jugendamt auch jeder
Mensch geben. Die Verwaltung der Außenspielplätze
aber muß in der Hand des Stadtamts für Leibes
übungen sein. Ebenso verhält es sich mit den Jugend
herbergen.
Auf die zum Teil wirklich naiven Argumente der
SPD. kann mau nicht eingehen. Meine Damen und
Herren, es ist bedauerlich, daß Berlin >a in vielen
Dingen, so auch in dieser Angelegenheit, nachhinkt.
Die' Reichshauptstadt ist wirklich heute auf wenigen
Gebieten führend.
(Links: Sehr richtig!)
Tun Sie endlich auf dem Gebiete der Jugenderziehung
und körperlichen Ertüchtigung das, was andere Städte
längst vorbildlich geleistet 'haben und schaffen Sie dadurch,
das,' Sie heute der Satzung zustimmen endlich das Stadt
amt für Leibesübungen.