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Volume Sitzung 18, 22. April 1926

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1926 (Public Domain)

6 Sitzung ant 7. 
Nun, der eigentliche Stand der Angelegenheit ist fol 
gender : 
Die Straßenbahn hat die Gleisteile, die notwendig 
sind, mit die Verbindung Hardenbcrgstraße—March 
straße herzustellen, schon Mitte Dezember, und zwar 
bei drei verschiedenen Firmen, bestellt, damit die Ar 
beit möglichst rasch vor sich geht. Die Teile werden 
etwa mit 10. oder 12. d. Mts. angeliefert, so daß 
damit gerechnet werden kann, daß der Verkehr der 
Linien 56 und 64 von der Hardenbergstraße nach der 
Marchstraße etwa mit 20.—35. d. Mts. wird durch 
geführt werden körnten. 
Schwieriger liegen die Verhältnisse bei der Not 
brücke. Auch hier ist die erforderliche Eingabe beim 
Polizeipräsidium bereits Mitte Dezember seitens der 
Tiefbauverwaltung erfolgt. Leider hat jedoch das Po 
lizeipräsidium in seiner ersten Antwort mitgeteilt, daß 
es eine Notwendigkeit für diese Notbrücke nicht einsehe. 
(Hört, hört!) 
(Zurufe rechts: Was?) 
(Zuruf: Die leben wohl ans dem Mond?) 
Es haben nun wiederholt Verhandlungen stattgefunden, 
und es könnte nach den letzten Aeußerungen ange 
nommen werden, daß voraussichtlich im Laufe der 
nächsten Tage die Bewilligung zur Herstellung dieser 
Notbrücke nun endlich da sein wird. Darat wird mit 
dem Bau, und zwar seitens der Stadt, sofort begonnen 
werden. Es wird angenommen, baß inetwa 4—5 
Wochen der Verkehr über die Notbrücke wird erfolgen 
können. Jedenfalls 'möchten wir ausdrücklich betonen, 
daß seitens des Magistrats wie seitens des zuständigen 
Bezirksamts nichts versäumt wurde, um diesen un 
haltbaren Verkehrszuständen ein baldiges Ende zu be 
reiten. 
Vorst. Haß: Wir treten in die Debatte ein. Das 
Wort hat Herr Stadtv. Dr. Hildebrandt. 
Stabtb. Dr. Hildebrandt (D.): Meine Damen und 
Herren! Wir stehen eigentlich sämtlichen drei Sachen, der 
Anfrage und den beiden Dringlichkeitsanträgen, außeror 
dentlich sympathisch gegenüber. So kann es doch wirklich 
nicht bleiben, daß die Linie 64 und die Straßenbahnen, 
die über das Knie usw. gehen, plötzlich liegen bleiben 
und daß die Arbeiter nicht weiterbesördert werden 
können. Wer einmal an einem frühen Tage da hinaus 
gegangen ist, wird gesehen haben, welcher Strom Ar 
beiter sich dort hinüberwaht, der wird auch ohne 
weiteres einsehen, daß solche Verhältnisse, wie sie dort 
eingetreten sind, einfach unhaltbar sind. 
Wir glauben aus den Worten des Herrn Stadtbau 
rats Dr. Adler durchaus entnehmen zu können, daß 
das, was der Magistrat in dieser Sache hat trat können, 
geschehen ist. Aber leider ist es ja immer so, daß sich 
Kompetenzstreitigkeiten ergeben. Und wenn wir hier, 
nun wieder hören, daß die hochwohllvbliche Polizei 
sich einmengt und erklärt, von ihrem Standpunkt aus 
sei eine Notbrücke nicht nötig, so muß man doch mit 
dem beschränkten Untertauenverstand eines Berliner 
Bürgers sagen: eine derartige Aeußerung ist nicht zu 
verstehen! 
(Sehr richtig!) 
Wir möchten nicht unterlassen, noch einmal mit 
aller Energie darauf hinzuweisen, daß sowohl der Ma 
gistrat als auch das Bezirksamt die unabweisbare Pflicht 
haben, dafür zu sorgen, daß diesen unhaltbaren Zu 
ständen in allernächster Zeit ein Ende bereitet wird. 
(Lebhafter Beifall bei den Demokraten.) 
Stadtv. Paul Sommer (K.): Meine Damen und 
Herren! Es ist außerordentlich befremdend, daß gerade 
die Deutschnationale Partei, die damals, als wir mit den 
Sozialdemokraten den Dringlichkeitsantrag einbrachten, 
Januar 1926. 
widersprochen hat, heute eine Anfrage stellt. Heute 
kommt sie nun her und stellt eine großartige Anfrage, 
was der Magistrat zu trat gedenkt. Ich glaube, etwas 
ist schon getan worden. Das Polizeipräsidium, das 
ja auf alle Dinge der Oeffentlichkeit immer Bezug 
nimmt, hat die Schloßjbrücke so gesperrt, daß Tausende 
und aber Tausende von Arbeitern auch nicht mehr 
darüber hinweggehen können, trotzdem die Brücke so 
stabil ist, daß wahrscheinlich noch die Bahn darüber hin 
wegfahren kann. Darin liegt ein Widerspruch. Herr 
Staotbanrat Adler erklärt: das Polizeipräsidium wider 
spricht dem, was eigentlich der Magistrat im Sinne 
hat durchzuführen. Wir haben ja auch in unserm 
Dringlichkeitsantra^ beantragt, daß von der Hardenberg 
straße bis Marchstraße sofort ein Gleis gelegt werden 
muß. Jetzt kommt der Herr Stadtbaurat her und sagt, 
es müssen erst Teile angefertigt werden, sie müssen 
irgendwo bestellt werden, sie sind nicht so schnell zur 
Hand. Im vorigen Jahre ist in den Straßen alles 
mögliche gebaut worden, überall wurde gesperrt. Mau 
ist überhaupt nicht mehr vom Fleck gekommen. Wenn 
tnan irgendwo hin wollte, wozu man sonst V» Stunde 
brauchte, mußte man 2 Stunden fahren. Jetzt hat die 
staatliche Brücke einen Knacks. So wie unser Staat 
und das Reich einen Knacks bekommen haben, scheint 
überall ein Knacks vorhanden zu jein, scheint die ganze 
Gesellschaft einen Knacks gekriegt zu haben. Früher 
waren die Berliner Techniker nicht so auf der Höhe, 
heute scheinen sie schon mehr weg zu haben; man sieht 
es ja manchmal an den Funktürmen, die umfallen. 
Man streitet sich ja mich beim Polizeipräsidium darüber. 
Ich sage, es ist notwendig, daß die Arbeiter nach 
Siemensstadt hinausbefördert werden. Jetzt machen sie 
einen Ringelreigen. Sie gehen sonst vielleicht nicht auf 
den Tanzboden. Früher fuhren sie die Berliner Straße 
herunter. Man fährt jetzt die Bismarckstraße herum, 
kommt am Wilhelmplatz wieder zurück und fährt wieder 
durch die Berliner Straße und dann zur Marchstraße. 
Der Magistrat und vor allen Dingen die Direktion 
der Straßenbahn hätten natürlicherweise dafür Sorge 
tragen können, daß die unmittelbare Ueberführung 
Hardenbergstraße über Marchstraße schon längst fertig 
gestellt worden wäre, und zwar mit den Gleisen, die 
sie sonst beim Umbau in den Straßen verwendet hat, 
und zwar Aufleggleise, die sie natürlich mit Bohlen aus 
füllen muß. Man hat es aber nicht getan. Man glaubt 
immer, ein anderer würde noch kommen, nämlich ein 
schlauer Techniker, der feststellen könnte, die Schloßbrücke 
ist gar nicht so gefährlich. Darauf wartete man Haupt« 
sächlich, dann brauche mau eine Notbrücke überhaupt 
nicht mehr. 
Aber nun scheint man doch endlich dazu zu kommen, 
etwas zu machen. Die Hoch- und Tiefbauverwaltuug 
hat auch schon getagt und vor Wochen schon beschlossen, 
die Notbrücke soll angefertigt werden. Ich glaube, von 
der Deutschnationalen Partei werden verschiedene Mit 
glieder auch in der Hoch- und Tiefbaudeputation mit 
anwesend gewesen sein. Also, die Anfrage wäre damit 
schon hinfällig gewesen. 
Nun sagt der Herr Stadtbanrat, es sind 180 000 .Mo 
dazu notwendig, um im Zuge der Spreestraße vom Wil 
helmplatz aus über die Caprtvibrücke—Söntnteringstraße 
nach der Kaiserin-Augusta-Allee ein Gleis zu bauen. 
Ich kann es int Augenblick nicht untersuchen, ob der 
Preis von 180 000 M den Tatsachen entspricht. Die 
Notbrücke soll nur 60 000 M erfordern. Wenn die 
Notbrücke nur 60 000 M kosten soll, ist wahrscheinlich 
die Tatsache Hm^Wxzejchueu, daß es bloß eine Fuß 
gängerbrücke werdeN'nsojlß die in 4 Wochen fertigzu 
stellen ist. 
(Zuruf.) 
Mit der Straßenbahn wollen Sie eingleisig darüber 
hinweggehen. 
Wir ersuchen, das Gleis zweigleisig hiuüberzulegen. 
Es ist natürlich dafür Sorge zu tragen, daß die Not-
	        
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