6 Sitzung ant 7.
Nun, der eigentliche Stand der Angelegenheit ist fol
gender :
Die Straßenbahn hat die Gleisteile, die notwendig
sind, mit die Verbindung Hardenbcrgstraße—March
straße herzustellen, schon Mitte Dezember, und zwar
bei drei verschiedenen Firmen, bestellt, damit die Ar
beit möglichst rasch vor sich geht. Die Teile werden
etwa mit 10. oder 12. d. Mts. angeliefert, so daß
damit gerechnet werden kann, daß der Verkehr der
Linien 56 und 64 von der Hardenbergstraße nach der
Marchstraße etwa mit 20.—35. d. Mts. wird durch
geführt werden körnten.
Schwieriger liegen die Verhältnisse bei der Not
brücke. Auch hier ist die erforderliche Eingabe beim
Polizeipräsidium bereits Mitte Dezember seitens der
Tiefbauverwaltung erfolgt. Leider hat jedoch das Po
lizeipräsidium in seiner ersten Antwort mitgeteilt, daß
es eine Notwendigkeit für diese Notbrücke nicht einsehe.
(Hört, hört!)
(Zurufe rechts: Was?)
(Zuruf: Die leben wohl ans dem Mond?)
Es haben nun wiederholt Verhandlungen stattgefunden,
und es könnte nach den letzten Aeußerungen ange
nommen werden, daß voraussichtlich im Laufe der
nächsten Tage die Bewilligung zur Herstellung dieser
Notbrücke nun endlich da sein wird. Darat wird mit
dem Bau, und zwar seitens der Stadt, sofort begonnen
werden. Es wird angenommen, baß inetwa 4—5
Wochen der Verkehr über die Notbrücke wird erfolgen
können. Jedenfalls 'möchten wir ausdrücklich betonen,
daß seitens des Magistrats wie seitens des zuständigen
Bezirksamts nichts versäumt wurde, um diesen un
haltbaren Verkehrszuständen ein baldiges Ende zu be
reiten.
Vorst. Haß: Wir treten in die Debatte ein. Das
Wort hat Herr Stadtv. Dr. Hildebrandt.
Stabtb. Dr. Hildebrandt (D.): Meine Damen und
Herren! Wir stehen eigentlich sämtlichen drei Sachen, der
Anfrage und den beiden Dringlichkeitsanträgen, außeror
dentlich sympathisch gegenüber. So kann es doch wirklich
nicht bleiben, daß die Linie 64 und die Straßenbahnen,
die über das Knie usw. gehen, plötzlich liegen bleiben
und daß die Arbeiter nicht weiterbesördert werden
können. Wer einmal an einem frühen Tage da hinaus
gegangen ist, wird gesehen haben, welcher Strom Ar
beiter sich dort hinüberwaht, der wird auch ohne
weiteres einsehen, daß solche Verhältnisse, wie sie dort
eingetreten sind, einfach unhaltbar sind.
Wir glauben aus den Worten des Herrn Stadtbau
rats Dr. Adler durchaus entnehmen zu können, daß
das, was der Magistrat in dieser Sache hat trat können,
geschehen ist. Aber leider ist es ja immer so, daß sich
Kompetenzstreitigkeiten ergeben. Und wenn wir hier,
nun wieder hören, daß die hochwohllvbliche Polizei
sich einmengt und erklärt, von ihrem Standpunkt aus
sei eine Notbrücke nicht nötig, so muß man doch mit
dem beschränkten Untertauenverstand eines Berliner
Bürgers sagen: eine derartige Aeußerung ist nicht zu
verstehen!
(Sehr richtig!)
Wir möchten nicht unterlassen, noch einmal mit
aller Energie darauf hinzuweisen, daß sowohl der Ma
gistrat als auch das Bezirksamt die unabweisbare Pflicht
haben, dafür zu sorgen, daß diesen unhaltbaren Zu
ständen in allernächster Zeit ein Ende bereitet wird.
(Lebhafter Beifall bei den Demokraten.)
Stadtv. Paul Sommer (K.): Meine Damen und
Herren! Es ist außerordentlich befremdend, daß gerade
die Deutschnationale Partei, die damals, als wir mit den
Sozialdemokraten den Dringlichkeitsantrag einbrachten,
Januar 1926.
widersprochen hat, heute eine Anfrage stellt. Heute
kommt sie nun her und stellt eine großartige Anfrage,
was der Magistrat zu trat gedenkt. Ich glaube, etwas
ist schon getan worden. Das Polizeipräsidium, das
ja auf alle Dinge der Oeffentlichkeit immer Bezug
nimmt, hat die Schloßjbrücke so gesperrt, daß Tausende
und aber Tausende von Arbeitern auch nicht mehr
darüber hinweggehen können, trotzdem die Brücke so
stabil ist, daß wahrscheinlich noch die Bahn darüber hin
wegfahren kann. Darin liegt ein Widerspruch. Herr
Staotbanrat Adler erklärt: das Polizeipräsidium wider
spricht dem, was eigentlich der Magistrat im Sinne
hat durchzuführen. Wir haben ja auch in unserm
Dringlichkeitsantra^ beantragt, daß von der Hardenberg
straße bis Marchstraße sofort ein Gleis gelegt werden
muß. Jetzt kommt der Herr Stadtbaurat her und sagt,
es müssen erst Teile angefertigt werden, sie müssen
irgendwo bestellt werden, sie sind nicht so schnell zur
Hand. Im vorigen Jahre ist in den Straßen alles
mögliche gebaut worden, überall wurde gesperrt. Mau
ist überhaupt nicht mehr vom Fleck gekommen. Wenn
tnan irgendwo hin wollte, wozu man sonst V» Stunde
brauchte, mußte man 2 Stunden fahren. Jetzt hat die
staatliche Brücke einen Knacks. So wie unser Staat
und das Reich einen Knacks bekommen haben, scheint
überall ein Knacks vorhanden zu jein, scheint die ganze
Gesellschaft einen Knacks gekriegt zu haben. Früher
waren die Berliner Techniker nicht so auf der Höhe,
heute scheinen sie schon mehr weg zu haben; man sieht
es ja manchmal an den Funktürmen, die umfallen.
Man streitet sich ja mich beim Polizeipräsidium darüber.
Ich sage, es ist notwendig, daß die Arbeiter nach
Siemensstadt hinausbefördert werden. Jetzt machen sie
einen Ringelreigen. Sie gehen sonst vielleicht nicht auf
den Tanzboden. Früher fuhren sie die Berliner Straße
herunter. Man fährt jetzt die Bismarckstraße herum,
kommt am Wilhelmplatz wieder zurück und fährt wieder
durch die Berliner Straße und dann zur Marchstraße.
Der Magistrat und vor allen Dingen die Direktion
der Straßenbahn hätten natürlicherweise dafür Sorge
tragen können, daß die unmittelbare Ueberführung
Hardenbergstraße über Marchstraße schon längst fertig
gestellt worden wäre, und zwar mit den Gleisen, die
sie sonst beim Umbau in den Straßen verwendet hat,
und zwar Aufleggleise, die sie natürlich mit Bohlen aus
füllen muß. Man hat es aber nicht getan. Man glaubt
immer, ein anderer würde noch kommen, nämlich ein
schlauer Techniker, der feststellen könnte, die Schloßbrücke
ist gar nicht so gefährlich. Darauf wartete man Haupt«
sächlich, dann brauche mau eine Notbrücke überhaupt
nicht mehr.
Aber nun scheint man doch endlich dazu zu kommen,
etwas zu machen. Die Hoch- und Tiefbauverwaltuug
hat auch schon getagt und vor Wochen schon beschlossen,
die Notbrücke soll angefertigt werden. Ich glaube, von
der Deutschnationalen Partei werden verschiedene Mit
glieder auch in der Hoch- und Tiefbaudeputation mit
anwesend gewesen sein. Also, die Anfrage wäre damit
schon hinfällig gewesen.
Nun sagt der Herr Stadtbanrat, es sind 180 000 .Mo
dazu notwendig, um im Zuge der Spreestraße vom Wil
helmplatz aus über die Caprtvibrücke—Söntnteringstraße
nach der Kaiserin-Augusta-Allee ein Gleis zu bauen.
Ich kann es int Augenblick nicht untersuchen, ob der
Preis von 180 000 M den Tatsachen entspricht. Die
Notbrücke soll nur 60 000 M erfordern. Wenn die
Notbrücke nur 60 000 M kosten soll, ist wahrscheinlich
die Tatsache Hm^Wxzejchueu, daß es bloß eine Fuß
gängerbrücke werdeN'nsojlß die in 4 Wochen fertigzu
stellen ist.
(Zuruf.)
Mit der Straßenbahn wollen Sie eingleisig darüber
hinweggehen.
Wir ersuchen, das Gleis zweigleisig hiuüberzulegen.
Es ist natürlich dafür Sorge zu tragen, daß die Not-