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Volume Sitzung 9, 18. Februar 1926

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1926 (Public Domain)

Sitzung vom 18. Februar 1926. 
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Rettungskähne wieder an Ort und Stelle ztt bringen. 
Wir stellen fest, daß das vollkommen zwecklos ist, nur 
die Hälfte aufzubauen, denn wenn jemand ins Wasser 
fällt, dann muß ein solches Fahrzeug gleich zur Stelle 
fein. Wettn man erst 10 Minuten laufen muß von 
der Lichtensteinbrücke bis zur Potsdamer Brücke, dann 
kommt das Boot so spät, daß alle Wiederbelebungs 
versuche umsonst sind. 
Wir hoffen, daß der Magistrat uns auf diese An 
frage eine genügende Auskunft geben kann. 
Vorst. Hatz: Zur Beantwortung der Anfrage hat 
Herr Stadtrat Dr. Richter das Wort. 
Stadtrat Dr. Richter: Meine Damen und Herren! 
Die Zustände bezüglich der Rettungskähne sind betit 
Magistrat seit Jahren bekannt. In der Inflationszeit 
genügten selbstverständlich die im Haushalt bereit ge 
stellten Mittel nicht, um die Rettungskähne zu repa 
rieren und eventl. durch neue zu ersetzen. Im Haus 
halt 1924 wurden schon sämtliche Mittel für die 
Rettungskähne gestrichen und im Jahre 1925 ebenfalls, 
trotzdem das Gesundheitsamt sich die größte Mühe gab, 
diese Position, die es vorgesehen hatte, ausrecht zu er 
halten. Sowohl die Gesundheitsdeputation als auch der 
Etatsausschuß lehnten diese Mittel ab, und zwar aus 
dem Grunde, weil die Mitglieder der Deputation und 
der Stadtverordnetenversammlung der Meinung waren, 
daß die Unterhaltung und Ausstellung der Rettungs 
kähne nicht Sache des Magistrats sondern des Herrn 
Polizeipräsidenten sei. 
Wir haben deswegen schon int Juni 1924 in dieser 
Frage an den Herrn Polizeipräsidenten geschrieben und 
ihn aufgefordert, die Rettungskähne als Aufgabe der 
Polizeiverwaltung zu unterhalten und für deren Neu 
aufstellung Sorge zu tragen. Der Herr Polizeipräsident 
konnte keine Entscheidung finden. Inzwischen wurden 
die Zustände immer unerträglicher, und die Beschwer 
den aus dem Publikum und von den Polizeiämtern 
mehrten sich. Infolgedessen sahen wir, der Dezernent 
des Gesundheitsamtes und ich, uns veranlaßt, an den 
Magistrat heranzutreten und Mittel außerhalb des Etats 
anzufordern. Im November 1925 hat der Magistrat 
auch 4000 Ji aus Vorbehaltsmitteln bewilligt, und 
darauf sind neue Rettungskähne bestellt worden. Die 
reparaturbedürftigen Rettungskähne werden repariert, 
und in einigen Wochen werden die Rettungskähne dort, 
wo die Polizei ihre Auslegung für erforderlich erachtet 
hat/ wieder ausgelegt werden. Selbstverständlich werden 
bei den knappen Mitteln nicht sämtliche Rettungskähne 
dort wieder stationiert, wo sie vor dem Kriege einmal 
gelegen haben. Die Gesundheitsdeputation wird aber 
erwägen, ob es nicht zweckmäßig ist, an diesen Stellet: 
Rettungsringe anzubringen. Denn wenn die Rettnngs- 
kähne überhaupt einen Zweck haben sollen, dann müßten 
sie alle 25 Meter aufgestellt werden. Muß man aber 
erst 100 Meter weit rudern, um einem Ertrinkenden 
zu helfen, dann ist, bis man Herankommt, der Be 
treffende schon längst ertrunken. 
Vorst. Hatz: 
(Stadtv. Preißing: Ich hatte ums Wort gebeten!) 
Herr Kollege Preißing, es ist keine Besprechung 
beantragt. Wird die Besvrechnng beantragt? — Das 
ist nicht der Fall. Dann ist Punkt 1 der Tagesordnung 
erledigt. 
Es hat nunmehr der Herr Kollege Letz das Schluß 
wort zu Punkt 43. Im Anschluß daran finden sechs 
Abstimmungen statt. 
Stadtv. Letz (K.): Meine Damen und Herren! Zu 
nächst ein Wort über die Diskussion, die zu unseren 
Anträgen stattfand, und vor allen Dingen zu dem An 
trage. den die Herren von den Völkischen gestellt haben. 
Der Herr Kunze erlaubte sich seinen Antrag damit 
zu begründen, daß er unserm Antrage Inkonsequenz vor 
warf, die er durch seinen Antrag beseitigen wolle. Nun, 
meine Damen und Herren, wir wollen die Inkonse 
quenz, die der Herr Kunze und seine völkischen Kol 
legen bei diesen Dingen selber begehen, doch einiger 
maßen unter die Lupe nehmen. Er erlaubt sich, in 
seinem Antrage folgendes zu sagen: „Alles Vermögen, 
das den Vermögensstand vom 1. August 1914 über 
schreitet und nicht durch ehrliche Arbeit erworben ist, 
soll enteignet werden." Meine Damen und Herren, was 
liegt darin? Vor dem 1. Angust 1914 war es nicht 
nur möglich, sondern war es sogar nach dem Antrage 
der Herren Völkischen moralisch zu vertreten, daß je 
mand sich aus eine Art und Weise, die nicht als 
durch ehrliche Arbeit erworben zu kennzeichnen ist, Ver 
mögen verschaffte. Nach ihren Anträgen sind nur die 
jenigen zu verurteilen, die dies nach dem 1. August 1914 
getan haben. Ich glaube, daß hierin doch eine weit 
größere Inkonsequenz liegt. Wenn es nach uns ginge, 
so wären wir gerne bereit, in diesen Enteignungen 
so weit zu gehen wie nur irgend möglich und auch das 
Privateigentum zu enteignen. Aber einen Unterschied 
zu machen zwischen dem unrechtmäßigen Erwerb vor 
dem 1. August 1914 und dem unrechtmäßigen Erwerb 
nach dem 1. August 1914, ist geradezu grotesk. Das 
bringen eben nur die. Völkischen fertig. 
(Heiterkeit.) 
Nun zn dem weiteren Vorschlage, den Herr Kunze 
gemacht hat. Er hat gesagt, man solle den deutschen 
Vorbesitzern von Häusern, die während der Inflations 
zeit an Ausländer verkauft haben, soweit sie das 
Geld haben, die Möglichkeit geben, sie wieder zurück 
zuerwerben. Herr Kuttze, auch da sind sie doch inkonse 
quent. Gerade die ant meisten zu bedauernden Opfer 
lassen sie dabei links liegen, diejenigen, die damals das 
Haus verkaufen mußten und heute nicht das Geld haben, 
es zurückzukaufen. 
Also in beiden Dingen, Herr Kunze, sind Sie nicht 
der Konsequente, sondern überall derjenige, der äußerst 
inkonsequent vorgegangen ist. 
Meine Partei steht auf dem Standpunkt — das ist 
nicht etwa irgendwie von uns verschwiegen worden —, 
daß wir für die Enteignung allen Privateigentums an 
den Produktionsmitteln sind. Wir wissen aber ganz 
genau, daß das keine Sache ist, die man vielleicht aus 
dem Wege eines Gesetzentwurfes im Parlament durch 
setzen kann. Dazu gehört die proletarische Revo 
lution, dazu gehört die Machtergreifung durch das 
Proletariat. 
Nun noch ein Wort: Weshalb haben denn die 
Herren von den Völkischen überhaupt diesen Gegen 
antrag eingebracht? Man tvill damit die Aufmerksam 
keit ablenken von dem, was vor uns steht. Vor uns steht 
nicht der Vermögenserwerb nach dem 1. August 1914, 
sondern vor nutz steht die Entscheidung der Stadtver 
ordnetenversammlung zu den maßlosen Anträgen, die 
seitens der ehemaligen deutschen Fürsten gestellt wer 
den. Deshalb werden wir diese Anträge der Völkischen, 
weil sie nichts anderes als ein Vertuschungsmanöver 
sind, allesamt ablehnen müssen. 
(Lachen bei den Völkischen.) 
Herr Kunze, Sie brauchen nicht zu lachen. Genau 
so, wie es vorgekommen ist, daß wir für Anträge von 
Ihnen gestimmt haben, genau so ist es vorgekommen, 
daß Sie für Anträge von uns gestimmt haben. 
Nun noch einige Worte zu den Herren von den 
Neichsbaunerparteien. Man sieht hier schon das Aus 
einanderklaffen der Parteien ocs Reichsbanners vor 
sich gehen. Der Herr Dr. Dullo hat in seinen Aus 
führungen am Dienstag dieser Woche hier eine ganz 
gute Begründung gegeben für das juristische.Zustande-
	        
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