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Volume Sitzung 7, 11. Februar 1926

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1926 (Public Domain)

Sitzung am 11. 
des Herrn Kämmerers natürlich mit der gebührenden 
Aufmerksamkeit gefolgt, hat aber trotzdem beschlossen, 
und zwar mit sehr großer Mehrheit, Nr. 1 des vor 
liegenden Antrages anzunehmen und die 2,9 Millionen, 
die vorhanden sein müssen, sofort für Schulneubauten 
freizugeben. 
Der Herr Kämmerer hat darauf hingewiesen, daß 
für die Erwerbslosenfürsorge sehr große Beträge aus 
geworfen werden müßten. Mit Recht aber wurde darauf 
hingewiesen, daß die in den Etat 1925 für Schulbauten 
eingesetzten Mittel nicht ohne weiteres für andere Zwecke 
ausgegeben werden dürften. Meine Damen und Herren, 
Ivcittt gebaut wird, was vom Standpunkt der Schulen 
aus eine absolute Notwendigkeit ist, so wird auch da 
durch gleichzeitig die Erwerbslosigkeit ganz erheblich 
eingeschränkt. 
(Zustimmung bei den Kommunisten.) 
Das Baugewerbe ist, wie alle Sachverständigen be 
haupten, das Schlüsselgewerbe für eine Reihe anderer 
Gewerbe. Wenn hier nun die Stadt sofort einsetzt, —- 
die Witterung ist jetzt darnach — wenn gleich gebaut 
werden kann, dann wird die Erwerbslosigkeit gerade 
auf dem Gebiete der Facharbeiter ganz erheblich ver 
mindert werden. 
Den Ausführungen der Antragsteller wurde eigent 
lich auf der ganzen Linie beigepflichtet, mit Ausnahme 
der Teutschnativualen. Die Sozialdemokraten sowohl 
als auch die Demokraten haben in ausführlichen Reden 
diese von mir bereits gehaltenen Ausführungen illu 
striert und betont, daß es eine Kulturpflicht ersten 
Ranges für Berlin ist, jetzt endlich diese großen Ver 
nachlässigungen wieder gutzumachen. 
Mit großer Mehrheit wurde der erste Teil des 
Antrages auch angenommen. Stadtrat Beuecke machte 
dann die Mitteilung, daß leider die Vorbereitungen für 
den Etat 1926 noch nicht vollkommen abgeschlossen 
worden seien, und infolgedessen haben die Antragsteller 
den zweiten Teil des Antrages zurückgezogen. 
Ich möchte also im Namen der großen Mehrheit 
des Ausschusses die Stadtverordnetenversammlung 
bitten, den ersten Teil des vorliegenden Antrages anzu 
nehmen, wodurch der Magistrat veranlaßt wird, die 
für 1925 eingestellten aber gesperrten Mittel zur so 
fortigen Inangriffnahme von Schulbauten freizugeben. 
Stadtkämmerer Dr. Karding: Meine Damen und 
Herren! Ich darf auch hier klarstellen, daß der Käm 
merer keine Mittel sperren kann. Soweit gehen seine 
Befugnisse in Berlin nicht. 
(Zuruf bei den Kommunisten: Nicht sperren, aber 
streichen!) 
Die Maßnahme, gegen die sich der Antrag richtet, 
ist eine Maßnahme des Magistrats, für die der Magistrat 
im ganzen die Verantwortung trägt und zu tragen 
bereit ist. 
Ich darf hier klarstellen, daß eine Sperrung 
von Ausgaben nicht gleichbedeutend i st mit 
ein'er Streichung. Zn einer Streichung ist der 
Magistrat nicht ohne weiteres befugt. Er würde sie 
auch nicht vorgenommen haben, ohne mit der Stadt 
verordnetenversammlung erneut in Fühlung zu treten. 
Etwas anderes ist aber die Entscheidung über den 
Zeitpunkt, zu dem eine Ausgabe geleistet werden kann. 
Der Magistrat ist schließlich die Stelle, die dafür ver 
antwortlich ist, daß die Hanshaltswirtschaft ordnungs 
mäßig durchgeführt und aufrecht erhalten wird, und er 
muß deswegen auch von der Möglichkeit Gebrauch 
machen, Ausgaben hinauszuschieben, wenn er es. im 
Augenblick nicht für möglich hält, sie zu leisten. Das wurde 
im Herbst vorigen Jahres notwendig. Ich habe dem 
Haushaltsansschuß sowohl als auch der Finanzdeputation 
wiederholt eingehende zahlenmäßige Darlegungen über 
die Entwicklung unserer Haushaltswirtschaft gegeben. 
Ich habe für jeden der Monate seit Beginn des Hans- 
Februar 1926. 181 
Haltsjahres bis einschließlich Dezember den Gesamtbetrag 
der Einnahmen und Ausgaben gezeigt. Die Damen und 
Herren haben daraus ersehen, daß etwa von Ende des 
Sommers v. Js. ab, zusammenfallend mit der Neu 
regelung, die der Finanzausgleich mit Reich, Ländern 
und Gemeinden ab 1. Oktober 1925 erfuhr, die Ent 
wickelung unserer Haushaltswirtschaft erheblich un 
günstiger wurde als man vorher erwar 
ten konüte, und daß wir Monat für Monat m i t 
steigenden Fehlbeträgen abschlössen. 
Da wir im Herbst offensichtlich am Anfang einer solchen 
Entwickelung standen, die Zeichen für die Wirtschafts 
krise sich von Woche zu Woche verstärkten, so mußte der 
Magistrat damit rechnen, daß die Not für die Stadt 
von Monat zu Monat größer werden würde, und er 
mußte sich darauf einrichten, daß er in den Winter- 
monaten mindestens gewappnet blieb für die Mehr 
anforderungen, die die Wohlfahrtspflege erfahrungsge- 
mäß in den Wintermonaten bringt und die in diesem 
Jahre ja besonders scharf geltend gemacht werden 
mußten. Es ist deswegen im Oktober v. Js. vom 
Magistrat beschlossen worden, bei denjenigen einmaligen 
Allsgaben des Etats, bei d e n e n d ie Arbeite» 
überhaupt noch nicht begonnen hatten, 
vorläufig die Inangriffnahme abzustoppen. Das war 
gerade bei den Hochbauten damals um so weniger be 
denklich, als man im allgemeinen Hochbauten nicht int 
Oktober, November oder Dezember des Jahres beginnt, 
sondern im Frühjahr, und man erwarten konnte, daß 
sich die Situation bis zum Frühjahr geklärt haben 
würde. Dieser Beschluß des Magistrats hat sich nicht 
nur auf die Schulbauten erstreckt. Der Magistrat hat 
vollkommen Verständnis dafür, daß es sich bei den 
Schulneubauten um notwendige Kulturaufgaben han 
delt, und er hat nicht die Absicht, diese Aufgaben hinter 
andere zurückzustellen. Der Beschluß bezog sich auf a l l e 
einmaligen größeren Ausgaben, die noch nicht begonnen 
waren, und es wurden durch ihn insgesamt Unter 
nehmen betroffen in einem Etatswerte von etwa 8 bis 
9 Millionen Mark. 
Ich habe mir erlaubt, im Haushaltsansschuß aus 
zuführen, daß, wenn die städtischen Körperschaften es 
heute für erforderlich halten, diesen Aufschiebungsbc- 
schluß umzustoßen, sie dann doch wohl verpflichtet sein 
würden, zu prüfen, welches die übrigen mit 5 Mil 
lionen vorgesehenen Aufgaben waren, die von dem Be 
schluß des Magistrats mit betroffen werden. Es können 
sich darunter doch Ausgaben befinden, die für n o ch 
dringlicher erachtet werden als der Neubau dieser 
Schulen. 
Der Haushaltsansschuß ist hierauf nicht einge 
gangen und hat es abgelehnt, nähere Mitteilungen über 
die sonst gesperrten Bauvorhaben entgegenzunehmen. 
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege 
Goß hat darauf hingewiesen, daß es sich bei diesen 
Arbeiten auch um solche handle, die besonders geeignet 
seien, der Erwerbslosigkeit entgegenzuwirken. Das ist 
natürlich richtig. Aber es ist nicht ganz so richtig, wie 
cs scheint. Bei den Schulbauten wird die Ausgabe für 
Material gegenüber der Ausgabe für Löhne so stark 
in den Vordergrund gerückt, daß erfahrungsgemäß die 
Mittel, die von der Negierung für Notstandsaktionen 
zur Verfügung gestellt werden, für Hochbauten ver 
weigert werden. Es ist also nicht möglich, wie es im 
Haushaltsansschuß angeregt worden war, einen Teil der 
Mittel auf dem Wege über Notstandsbeihilfen der Re 
gierung zu gewinnen. Mit demselben Betrage läßt sich 
bei Tiefbauarbeiten, namentlich bei reinen Erdarbeiten 
eine weit größere Zahl von Erwerbslosen beschäftigen, 
als bei diesen Hochbauten, lind deswegen habe ich auch 
im Haushaltsausschuß mir auszuführen erlaubt, das; 
derselbe Betrag, angewendet bei den Arbeiten etwa der 
j A.E.G.-Schnellbahn, bei den Rehbergen oder bei sonsti- 
i gen Unternehmungen, die hier für die Notstandsaktion
	        
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