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Volume Sitzung 6, 4. Februar 1926

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1926 (Public Domain)

156 Sitzung mit 4. 
herabzusetzen, geht dieser Artikel in seiner Tendenz dar 
auf hinaus, gerade die dem allgemeinen Berkehr der 
minderbemittelten Bevölkerung dienenden Fahrzeuge 
schwerer zu belasten, und das nennen Sie dann gerecht. 
Dieser Tendenz können wir nicht folgen. Ge 
rade, weil man aus diesem Artikel ersieht, ans 
welchen Gründen Sie die Steuer ablehnen wollen, 
werden wir uns doppelt vorsehen, Ihnen auf diesem 
Wege zu folgen. Weiterhin sind noch einige Sätze in 
diesem Artikel, die sehr drollig sind: 
„Die Herren vom Magistrat würden gut getan haben, 
sich ein Bild darüber zu machen, was heute an lom 
bardierten oder sonstig entäußerten Automobilen 
zwecklos herumsteht." 
Soll der Magistrat etwa die lombardierten Auto 
mobile einlösen für die Herren Besitzer? Das können 
Sie doch schlechterdings nicht verlangen. Oder was 
soll damit bezweckt werden? 
Weiterhin zeigt sich auch in dem letzten Absatz 
Ihres Artikels einmal ganz klar, worauf die Dinge 
hinausgehen: 
„Wenn dieser Betrag aber in den Etat eingestellt 
werden muß, so sollte die Kommnssion sich nochmals 
daran machen, eine weniger schädliche und gerechtere 
Entschädigung auf der Basis der Straßenabnutzung 
zu schaffen, als sie in dem jetzigen Entwurf vorliegt." 
Sie haben hier andere Argumente benutzt, meine 
Damen und Herren. Wenn Sie ehrlich genug wären, 
das zu sagen, so brauchte ich Ihnen Ihre eigene Presse 
stimme nicht vorzuhalten. Sie tun das nicht, also 
muß ich, da ja doch hier in der Stadtverordnetenver 
sammlung, glaube ich, nicht alle die „Vossische Zeitung" 
lesen, doch noch einige Worte zu diesen Dingen sagen: 
Für die Stadt Berlin feint es darauf an, neue 
Mittel zu schaffen. Ich erinnere Sie daran, daß schon 
vorher eine Vorlage verabschiedet worden ist, in der 
10 Millionen bewilligt worden sind, um die Erwerbs 
losen beschäftigen zu können. Und was haben wir ge 
tan? Da hat man sich bereit gefunden, auch eine Er 
höhung der Grundsteuer eintreten zu lassen. Meine 
Damen und Herren, auch wir haben damals dafür 
gestimmt. Meine Damen und Herren, die ärmsten Kreise 
der Bevölkerung haben zu diesen Mitteln bereits er 
heblich beigetragen. Es kam für den Magistrat und 
für den Ausschuß, für meine Partei darauf an, unter 
allen Umständen darauf an, jetzt Kreise heranzuziehen, 
die steuerkräftiger sind als die allerärmsten. Oder wollen 
Sie wieder eine Abwälzung der Grundsteuer beschließen, 
oder wollen Sie die Arbeiten überhaupt liegen lassen? 
Sagen Sie, was Sie wollen, es hat keinen Zweck, leere 
Worte zumachen. Es kommt darauf an, die Lösung dieses 
Problems zu finden. Sie reden, wie ungerecht und un 
tragbar die Steuer ist, die nach Ihren eigenen Aus 
führungen hauptsächlich die Besitzer von Privatauto 
mobilen trifft. 
Meine Damen und Herren! Ihre Parteifreunde 
im Reichstage und Landtage, und auch in der Stadt 
verordnetenversammlung, sind niemals so zimperlich 
gewesen, wenn es sich darum gehandelt hat, Steuern 
zu erheben, die von den nicht besitzenden Klassen zu 
tragen sind. 
(Bei den Kommunisten: Sehr richtig!) 
Bei. jeder Erhöhung der Hauszinssteuer, bei jeder 
Erhöhung der Mafsenbesteuerung sind Sie immer dabei 
gewesen. Jetzt auf einmal, wo es um die armen Auto 
mobilbesitzer geht, ist die Steuer untragbar, da wollen 
Sie mit keinem Wort mehr daran denken, daß diese 
Steuer überhaupt angenommen werden könnte. Ich 
sagte schon, auf den Verteilungsschlüssel zu warten, das 
hat für die Berliner Verwaltung wenig Zweck. 
Nun noch einige Worte zu'den Aeußerungen, die 
der erste Redner, Herr Kollege Küster, gemacht hat, 
die auch recht drollig klangen: 
Februar 1926. 
Vielleicht überlegen Sie es sich einmal. Sie haben 
erklärt, 95% der Mietspersonenwagen sind bereits aus 
dem Verkehr gezogen, und nachher beschweren Sie sich, 
daß immer neue Automobile in den Verkehr gebracht 
werden. Sie haben sich direkt widersprochen. 
(Widerspruch des Stadtv. Küster.) 
Bitte schön, mein lieber Freund, wenn Sie nur 
ein bißchen Volkswirtschaft studiert haben, wenn Sie 
sich mit diesen Dingen nur einmal oberflächlich befaßt 
haben, — 
(Zuruf: Das kann man von Ihnen nicht verlangen!) 
da müssen die Herren selbst abwinken. Ich kon 
statiere, cs gehört nicht zu der Pflicht eines Stadt 
verordneten auf der rechten Seite, daß sie irgend 
welche Ahnung von volkswirtschaftlichen Dingen 
haben. Sie wollen uns also hier wetßmachen,' es 
werden immer neue Kraftdroschken eingestellt, es 
werden immer neue Automobile eingestellt, und 
das aus lauter Wollust, weil sie sich heute nicht 
mehr bezahlt machen, weil sie sich nicht mehr rentieren. 
Sie werden doch nicht die Gesetze Ihrer eigenen kapi 
talistischen Wirtschaft leugnen wollen. Oder'wollen Sie 
sie aus der Welt schaffen? Lieber Freund, wenn Sic 
mit solchen Sachen kommen, wenn Sie so gegeneinan 
der sprechen, dann sage ich einfach „Stuß!", weiter 
nichts. Das hat gar keinen Zweck. 
(Heiterkeit.) 
(Zuruf rechts: Schluß?) 
„Stuß" habe ich gesagt. 
Weiter noch einige Worte: Es hat einer der Dis 
kussionsredner gesagt, wir wären Vertreter der Er 
werbslosen und müßten deshalb gegen die Vorlage 
stimmen. Nun, meine Damen und Herren, ich habe 
gerade weil ich Vertreter der Erwerbslosen bin, für 
diese Vorlage gestimmt, die nach Ihrem eigenen Zeugnis 
die Privatautomobilbesitzer stark belastet. Aber, wir 
knüpfen an diese Zustimmung eine Bedingung. 
Meine Damen und Herren, es sind nicht nur Personen 
kraftwagen, über die wir bis jetzt gesprochen, in der 
Steuer enthalten, sondern es werden auch Lastkraft 
wagen zur Steuer herangezogen. 
Meine Freunde stehen dieser Belastung der Last 
kraftwagen äußerst skeptisch gegenüber. 
(Zuruf rechts: Na, na!) 
Sie reden von Personenwagen, wir reden von den 
andern, von den Lastkraftwagen. 
(Zuruf: Die belasten die Straßen am meisten!) 
Bitte schön, deswegen werde ich Ihnen gleich meine 
Anträge dazu stellen. Ich glaube nämlich, daß man die 
schädlichen Wirkungen, die eine Besteuerung der Last 
kraftwagen mit sich bringt, aus diesem Abgabenentwurf 
entfernen kann, und zwar, meine Herren, durch einen 
Antrag, den ich bereits im Ausschuß gestellt habe. Es 
kommt natürlich darauf an, daß man jetzt nicht auf der 
anderen Seite den Herren aus der Lebensmittelbranche, 
den Herren Fleischern, Bäckern und dergl. mehr, die 
Gelegenheit gibt, sich darauf zu berufen und zu sagen, 
jetzt müssen wir unsere Preise wieder erhöhen. Nein, 
meine Herren, derartige Dinge machen wir nicht mit. 
Deshalb wollen wir diejenigen Fahrzeuge, die dazu be 
stimmt sind, Lebensmittel oder Brennmaterialien zu 
transportieren, von der Besteuerung ausschließen. 
(Stadtv. Bamberg: Kleider, Anzüge!) 
Anzüge werden meistens nicht auf Lastkraftwagen trans 
portiert. Sie sind ja aus der Branche, Sie müssen das 
ja wissen, wie die Dinger transportiert werden. Des 
halb stellen meine Freunde jetzt den Antrag, den § 14 
der Vorlage folgendermaßen umzugestalten: 
„Lieferwagen, die ganz oder fast ausschließ 
lich dem Transport von Brennmaterialien oder
	        
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