Sitzung ant 2.
uns der Magistrat erklärt, was aus den damaligen
Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung geworden
ist. Was gedenkt der Magistrat 311 tun, um der Einheits
gemeinde auch in der Bezeichnung der Straßen, in der
Bezeichnung der Postanstalten, in der Bezeichnung der
Bahnhöfe itfw. endlich einmal den einheitlichen Aus
druck zu verleihen? Jedenfalls ist der jetzige Zustand
für die Einheitsgemeinde ein sehr schlechter, und ich
glaube, ich werde'es nicht notwendig haben, anzuführen,
für wieviele Straßen wir Doppelbezeichnungen haben
und wieviel Straßen wir haben, att die heute kein
Mensch mehr denkt, höchstens mit Verachtung beilft,
Straßennamen, an die jeder bewußte ehrliche Arbeiter
nur mit Verachtung denken muß, weint er heute die
vielen Kaiser-Wilhelm-Straßen und wie sie alle heißen,
sieht.
(Zuruf bei den Kommunisten: Die müssen heute
„Deserteurstraße" heißen!)
Zu dem Antrage der Sozialdemokraten gestatte ich
mir einen Abänderungsantrag zu stellen, und zwar
wünschen meine Freunde, daß der jetzige Königsplatz
nicht „Platz der Republik" heißen soll, sondern daß er
„Platz der Revolution" genannt werden soll.
(Oho-Rufe und großes Gelächter rechts.)
Ja, meine Herren von der Rechten, auf dieses Wut
geheul habe ich gerechnet,
(Zuruf rechts: Nein, Gelächter!)
mit diesem Geschreie habe ich gerechnet.
Warum verlangen meine Freunde, daß der Platz
„Platz der Revolution" genannt werden soll? Die heu
tige Staatsform ist nur durch die Revolution möglich
gewesen, und die Revolution hat bestimmte Opfer unter
denen gefordert, die seit Jahrzehnten für die Beseitigung
des absolutistischen Systems eingetreten sind. Nicht nur
in den Novembertagen 1918 sondern darüber hinaus
hat es Opfer gekostet. Ich denke daran, daß dieser Platz
mit Berliner Arbeiterblnt getränkt ist.
(Bei den Kommunisten: Sehr wahr!)
Ich denke an jenen 13. Januar 1920, als die Frage des
Betriebsrätegesetzes behandelt wurde und als man dort
die Berliner Arbeiter mit Maschinengewehren zusam
menschoß und zu Paaren getrieben hat.
(Zuruf rechts: Alles im Namen der Republik!)
Ich glaube also, es sind wohl sehr gute Verbin
dungen vorhanden, um mit vollem moralischen Recht
diesen Platz „Platz der Revolution" zu nennen, da das
den besten Ausdruck dokumentiert und wirklich zeigt, daß
die heutige Generation willens ist, mit dem alten
Plunder Schluß zu.machen.
(Bei den Kommunisten: Bravo!)
Ich stelle also bett Abändernngsantrag zu Druck
sache 774, anstelle der Worte „Platz der Republik" zu
setzen „Platz der Revolution".
(Beifall bei den Kommunisten.)
Stadtv. Koch (DM.):
(Rufe bei den Kommunisten: Heil, heil!)
Meine Damen und Herren! In der Regel kann man
ja sagen: man freut sich, wenn man einen alten Be
kannten wiedersieht. Bei diesem alten Bekannten, den
wir hier wiedersehen, können meine Freunde keine
Freude empfinden, umso weniger, als nichts Nettes
hinzugetragen worden ist, weder von dem Redner der
Sozialdemokratischen Fraktion noch von dem Redner der
Kommunistischen Fraktion, was den Antrag irgendwie
gerechtfertigt erscheinen lassen könnte. Sie haben beide
die.Sache abgebogen auf die doppelte und dreifache Be
nennung von Straßen und Plätzen in Berlin, auf posta
lische Schwierigkeiten, ans Verhandlungen, die mit der
Handelskammer gepflogen worden sind und dergleichen
mehr, alles Dinge, die mit dem Königsplatz gar nichts
Februar 1926. 123
zu tun haben, da auf dem Königsplatz weder Handels-
tnteresseu noch postalische Interessen mitsprechen, da der
Königsplatz ausschließlich von behördlichen Gebäuden
umgeben ist.
Ich kann es verstehen, daß die Herren der beiden
Linksparteien es unterlassen haben, irgend etwas an
zuführen, was für die Umwandlung des Namens
„Königsplatz" in den Namen „Platz der Republik"
spricht.
(Zuruf links: Wir haben doch keinen König, der
ist doch desertiert!)
Sie haben wohl selbst die Empfindung gehabt,
daß die Republik in den öfter erwähnten 8 Jahren
auch nicht entfernt solche Leistungen auszuweisen gehabt
hat, daß sie es verdient, an dieser hervorragenden Stelle
schon heute um ihrer Verdienste willen verewigt zu
werden.
(Hört, hört!)
(Zuruf links: Unerhört ist das!)
Meine Danten und Herren! Ich habe erwartet, daß
die beiden unentwegten Republikaner, die hier bisher
gesprochen haben, die Verdienste erwähnt hätten, die die
Republik gehabt hat bei dem Abschlüsse des F r i e -
densvertrages von Versailles.
(Hört, hört!)
(Zuruf links: Zum mindesten hat sie nicht den
Krieg erklärt!)
Ich hätte erwartet, daß der sozialdemokratische
Redner hervorgehoben hätte die Verdienste seiner Frak
tion in der republikanischen Regierung um die E r -
füllttngspolitik,
(Stadtv. Urich: Schieles Vorteil!) (Lärm.)
(Zuruf links: In der Etappe Gent!)
um die Ausbeutung Deutschlands durch
die Entente.
Man hätte auch erwarten können, daß er etwas
angeführt hätte von den Verdiensten, die sich die repu
blikanische Regierung erworben hat in London und
Locarno.
(Zuruf links: Die Hohenzollern haben gut verdient!)
Von allen diesen „Verdiensten" ist nicht die Rede
gewesen. Denn Sie haben eben nichts anzuführen ge
wußt. Meine Damen und Herren, man hätte hier auch
erwarten können, daß uns vorgeführt worden wäre,
welche Verdienste sich die Republik um d i e d e u t s ch e
Wirtschaft erworben hat,
(Rechts: Sehr gut!)
welche Verdienste die Republik sich erworben hat um
die deutsche Landwirtschaft.
(Zurufe links: Um die Pfaffengehaltcr! Sind
Ihnen die 61 Millionen noch nicht genug? Schmeckt
Ihnen der Mampe nicht mehr unter der Republik?)
— Ich bin seit 8 Jahren als Z w a n g s r e P u -
b l i k a n e r an Ihr Geschrei gewöhnt. —
(Zimts links: Zwangsgehaltsempsänger der
Republik!)
Man hätte erwarten können, daß die Gegner uns
ausgeführt hätten — besonders von Herrn Gäbet hätte
ich das erwartet —, was die Republik getan hat, um
dem deutschen Volke die Verheißung zu erfüllen, die
im Anfang der Republik gegeben war: Sozialis
mus heißt Arbeit!
(Zuruf links: „Herrlichen Zeiten führe ich euch ent
gegen.")
(Zurufe bei den Kommunisten.)
Man hätte erwarten können, daß hier angeführt
worden wäre, was geschehen ist zugunsten der 200 000
Arbeitslosen. Das alles ist weggeblieben.
(Stadtv. Zubeil: In der Bezirksversammlung
Kreuzberg sind Sie ausgerückt!)