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Volume Sitzung 5, 2. Februar 1926

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1926 (Public Domain)

Sitzung ant 2. 
uns der Magistrat erklärt, was aus den damaligen 
Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung geworden 
ist. Was gedenkt der Magistrat 311 tun, um der Einheits 
gemeinde auch in der Bezeichnung der Straßen, in der 
Bezeichnung der Postanstalten, in der Bezeichnung der 
Bahnhöfe itfw. endlich einmal den einheitlichen Aus 
druck zu verleihen? Jedenfalls ist der jetzige Zustand 
für die Einheitsgemeinde ein sehr schlechter, und ich 
glaube, ich werde'es nicht notwendig haben, anzuführen, 
für wieviele Straßen wir Doppelbezeichnungen haben 
und wieviel Straßen wir haben, att die heute kein 
Mensch mehr denkt, höchstens mit Verachtung beilft, 
Straßennamen, an die jeder bewußte ehrliche Arbeiter 
nur mit Verachtung denken muß, weint er heute die 
vielen Kaiser-Wilhelm-Straßen und wie sie alle heißen, 
sieht. 
(Zuruf bei den Kommunisten: Die müssen heute 
„Deserteurstraße" heißen!) 
Zu dem Antrage der Sozialdemokraten gestatte ich 
mir einen Abänderungsantrag zu stellen, und zwar 
wünschen meine Freunde, daß der jetzige Königsplatz 
nicht „Platz der Republik" heißen soll, sondern daß er 
„Platz der Revolution" genannt werden soll. 
(Oho-Rufe und großes Gelächter rechts.) 
Ja, meine Herren von der Rechten, auf dieses Wut 
geheul habe ich gerechnet, 
(Zuruf rechts: Nein, Gelächter!) 
mit diesem Geschreie habe ich gerechnet. 
Warum verlangen meine Freunde, daß der Platz 
„Platz der Revolution" genannt werden soll? Die heu 
tige Staatsform ist nur durch die Revolution möglich 
gewesen, und die Revolution hat bestimmte Opfer unter 
denen gefordert, die seit Jahrzehnten für die Beseitigung 
des absolutistischen Systems eingetreten sind. Nicht nur 
in den Novembertagen 1918 sondern darüber hinaus 
hat es Opfer gekostet. Ich denke daran, daß dieser Platz 
mit Berliner Arbeiterblnt getränkt ist. 
(Bei den Kommunisten: Sehr wahr!) 
Ich denke an jenen 13. Januar 1920, als die Frage des 
Betriebsrätegesetzes behandelt wurde und als man dort 
die Berliner Arbeiter mit Maschinengewehren zusam 
menschoß und zu Paaren getrieben hat. 
(Zuruf rechts: Alles im Namen der Republik!) 
Ich glaube also, es sind wohl sehr gute Verbin 
dungen vorhanden, um mit vollem moralischen Recht 
diesen Platz „Platz der Revolution" zu nennen, da das 
den besten Ausdruck dokumentiert und wirklich zeigt, daß 
die heutige Generation willens ist, mit dem alten 
Plunder Schluß zu.machen. 
(Bei den Kommunisten: Bravo!) 
Ich stelle also bett Abändernngsantrag zu Druck 
sache 774, anstelle der Worte „Platz der Republik" zu 
setzen „Platz der Revolution". 
(Beifall bei den Kommunisten.) 
Stadtv. Koch (DM.): 
(Rufe bei den Kommunisten: Heil, heil!) 
Meine Damen und Herren! In der Regel kann man 
ja sagen: man freut sich, wenn man einen alten Be 
kannten wiedersieht. Bei diesem alten Bekannten, den 
wir hier wiedersehen, können meine Freunde keine 
Freude empfinden, umso weniger, als nichts Nettes 
hinzugetragen worden ist, weder von dem Redner der 
Sozialdemokratischen Fraktion noch von dem Redner der 
Kommunistischen Fraktion, was den Antrag irgendwie 
gerechtfertigt erscheinen lassen könnte. Sie haben beide 
die.Sache abgebogen auf die doppelte und dreifache Be 
nennung von Straßen und Plätzen in Berlin, auf posta 
lische Schwierigkeiten, ans Verhandlungen, die mit der 
Handelskammer gepflogen worden sind und dergleichen 
mehr, alles Dinge, die mit dem Königsplatz gar nichts 
Februar 1926. 123 
zu tun haben, da auf dem Königsplatz weder Handels- 
tnteresseu noch postalische Interessen mitsprechen, da der 
Königsplatz ausschließlich von behördlichen Gebäuden 
umgeben ist. 
Ich kann es verstehen, daß die Herren der beiden 
Linksparteien es unterlassen haben, irgend etwas an 
zuführen, was für die Umwandlung des Namens 
„Königsplatz" in den Namen „Platz der Republik" 
spricht. 
(Zuruf links: Wir haben doch keinen König, der 
ist doch desertiert!) 
Sie haben wohl selbst die Empfindung gehabt, 
daß die Republik in den öfter erwähnten 8 Jahren 
auch nicht entfernt solche Leistungen auszuweisen gehabt 
hat, daß sie es verdient, an dieser hervorragenden Stelle 
schon heute um ihrer Verdienste willen verewigt zu 
werden. 
(Hört, hört!) 
(Zuruf links: Unerhört ist das!) 
Meine Danten und Herren! Ich habe erwartet, daß 
die beiden unentwegten Republikaner, die hier bisher 
gesprochen haben, die Verdienste erwähnt hätten, die die 
Republik gehabt hat bei dem Abschlüsse des F r i e - 
densvertrages von Versailles. 
(Hört, hört!) 
(Zuruf links: Zum mindesten hat sie nicht den 
Krieg erklärt!) 
Ich hätte erwartet, daß der sozialdemokratische 
Redner hervorgehoben hätte die Verdienste seiner Frak 
tion in der republikanischen Regierung um die E r - 
füllttngspolitik, 
(Stadtv. Urich: Schieles Vorteil!) (Lärm.) 
(Zuruf links: In der Etappe Gent!) 
um die Ausbeutung Deutschlands durch 
die Entente. 
Man hätte auch erwarten können, daß er etwas 
angeführt hätte von den Verdiensten, die sich die repu 
blikanische Regierung erworben hat in London und 
Locarno. 
(Zuruf links: Die Hohenzollern haben gut verdient!) 
Von allen diesen „Verdiensten" ist nicht die Rede 
gewesen. Denn Sie haben eben nichts anzuführen ge 
wußt. Meine Damen und Herren, man hätte hier auch 
erwarten können, daß uns vorgeführt worden wäre, 
welche Verdienste sich die Republik um d i e d e u t s ch e 
Wirtschaft erworben hat, 
(Rechts: Sehr gut!) 
welche Verdienste die Republik sich erworben hat um 
die deutsche Landwirtschaft. 
(Zurufe links: Um die Pfaffengehaltcr! Sind 
Ihnen die 61 Millionen noch nicht genug? Schmeckt 
Ihnen der Mampe nicht mehr unter der Republik?) 
— Ich bin seit 8 Jahren als Z w a n g s r e P u - 
b l i k a n e r an Ihr Geschrei gewöhnt. — 
(Zimts links: Zwangsgehaltsempsänger der 
Republik!) 
Man hätte erwarten können, daß die Gegner uns 
ausgeführt hätten — besonders von Herrn Gäbet hätte 
ich das erwartet —, was die Republik getan hat, um 
dem deutschen Volke die Verheißung zu erfüllen, die 
im Anfang der Republik gegeben war: Sozialis 
mus heißt Arbeit! 
(Zuruf links: „Herrlichen Zeiten führe ich euch ent 
gegen.") 
(Zurufe bei den Kommunisten.) 
Man hätte erwarten können, daß hier angeführt 
worden wäre, was geschehen ist zugunsten der 200 000 
Arbeitslosen. Das alles ist weggeblieben. 
(Stadtv. Zubeil: In der Bezirksversammlung 
Kreuzberg sind Sie ausgerückt!)
	        
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