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Volume Sitzung 41, 7. Dezember 1926

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1926 (Public Domain)

Sitzung am 7. Dezember 192(5. 1067 
von bleibendem Wert ist. Es würde dem Arbeiter über 
all, wo er hinkommt, Anerkennung verschaffen. 
Sehen Sie, mit solchen Mätzchen versucht man, die 
Arbeiter einzulullen. — Ja noch mehr, ein anderes 
Plakat verkündet, das; derjenige Arbeiter, der recht fleißig 
ist und sich die Zufriedenheit der Knechte dort erwirbt, 
einen Personalaktenvermerk bekommt, und mit diesem 
Personalaktenvermerk kann er überall auf der Bildfläche 
erscheinen. Er wird überall als tüchtiger und denkender 
Arbeiter angesehen werden. 
Stellen Sie sich diese» Schwindel vor. Derjenige 
Arbeiter, der an diesem Bande mitkommt, dessen Tempo 
ausschließlich von Kapitalsinteressen bestimmt wird, soll 
mit einem Diplom nach Hause geschickt werden. Das 
soll eine Belohnung sein. Und wenn er aus dem Be 
triebe herausgeschmissen ist, weil krank geworden oder 
seine Arbeitskraft nicht mehr zureicht, dann kann er sich 
ja zu Hanse sein Diplom ansehe», und davon allein 
wird ihm schon der knurrende Magen gefüllt. 
(Bei den Kommunisten: Sehr wahr!) 
Aber diese rationalisierenden Unternehmer haben 
noch ein anderes Gebiet in ihren Bereich gezogen. Ich 
habe hier einen Katalog dieser Firma, worin sie ihren 
wunderbaren Betrieb anpreist. Hier auf der Rückseite 
dieses Katalogs finden wir ein hübsches rotes Herz. 
In diesem roten Herz steht geschrieben: „Wohlfahrt ist 
das Herz dieses Geschäfts." Sehen Sie, sogar mit der 
Wohlfahrt treiben die rationalisierenden Unternehmer noch 
ein Bombengeschäft. Das bringen sie hier im Katalog 
zum "Ausdruck. — Willst Du ihn haben? Kannst ihn 
Dir ansehen, Kollege Urich! 
(Stadtv. Urich: Nein!) 
Und solchen Betrieben redet Herr Kollege Urich im 
Namen der Sozialdemokratischen Fraktion hier das Wort. 
(Stadtv. Urich: Nein!) 
Ich werde das gleich vorlesen, warte mal, ich habe Dein 
Stenogramm hier. Herr Kollege Urich hat ausgeführt: 
„Wenn man auf amerikanische Arbeitsmethoden 
verweist, dann wollen wir in aller Oeffentlichkeit ruhig 
sagen, daß wir mit den amerikanischen Arbeitsmetho 
den durchaus einverstanden sind, 
(Bei den Kommunisten: Hört, hört!) 
aber den Arbeitern muß dann auch das amerikanische 
Geld gezahlt werden." 
(Stadtv. Urich: Richtig!) 
Das ist also richtig, Herr Kollege Urich bestätigt die 
Richtigkeit meines Zitats. Es geht auch nicht gut anders, 
denn es ist das wörtliche Stenogramm seiner Ausfüh 
rungen. 
Meine Damen und Herren! Wenn Herr Kollege 
Urich diese Ausführungen hier gemacht hat und nicht 
hinzufügt, die Nachteile der kapitalistischen Rationalisie 
rung auf das Maß zurückzuführen, auf das es für einen, 
nun sagen wir mal, Sozialdemokraten auch selbstverständ 
lich wäre, dann müssen wir annehmen, daß Sic von den 
Sozialdemokraten diese Art von Rationalisierung samt 
ihren Begleiterscheinungen gutheißen. Sie verweisen ferner 
darauf, daß damit, wenn man höhere Löhne für den 
deutschen Arbeiter zahlt — und das ist die Meinung 
ihrer Wirtschaftspolitiker, die immer und immer wieder 
in der Presse zum Ausdruck kommt —, auch 
der Jnnenmarkt eröffnet und allein schon eine 
große Anzahl von Arbeitslosen von den Arbeitsnachweisen 
verschwinden würde. Wir glauben gern, daß sich, wenn 
die Arbeiter einen verhältnismäßig höheren Lohn be 
kommen würden, dann der Jnlandsmarkt ein wenig heben 
könnte. 
(Zuruf des Stadtv. Urich.- 
Urich, das ist Deine Meinung; wir glauben das nicht 
Mit dem Moment, wo eine Erhöhung der Löhne ein 
treten würde, das wissen Sie selbst, tritt auch automatisch 
jedesmal eine Erhöhung^der Preise ein. Und mit diese» 
Machinationen können Sie wirklich den Arbeiter nicht 
hinter dem Ofen hervorlocken. Lesen Sie doch die Aus 
führungen der Unternehmervertreter. Der Herr v. Rau 
mer, der ehemalige Reichswirtschaftsminister, hat auf der 
Tagung der Elektroindustrie Ausführungen gemacht, die 
nach einer ganz andern Richtung hinzielen^ obwohl in 
der Dresdner industriellen Tagung schon Herr Silber 
berg Ihnen von den Sozialdemokraten Komplimente 
machte und Ihnen erklärte, daß Sie eigentlich dazu be 
rufen seien, gemeinsam mit Herrn Silberberg die deutsche 
Wirtschaft „anzukurbeln" ivie Herr Urich sich immer so 
schön ausdrückt. Wir finden doch bei den Ausführungen 
der übrigen Unternehmer, daß sie gar nicht daran denken, 
Ihnen irgendwelche Machtbefugnisse im Staate einzu 
räumen, daß sie gar nicht daran denken, die Arbeitszeit 
zu reduzieren oder die Löhne heraufzusetzen. Die Herauf 
setzung der Löhne ist eine Machtfragc, und solange Sie 
(zu den Sozialdemokraten) nicht gewillt sind, die Macht 
der Arbeiterklasse gegen die Macht der Kapitalisten auf 
zubieten, werkten Sie es auch nicht möglich machen 
können, die soziale Lage des Arbeiters auch nur einiger 
maßen zu verbessern. 
(Bei den Kommunisten: Sehr richtig!) 
Das Unternehmerziel geht dahin: Lange Arbeitszeit, 
niedrige Löhne. Wenn es uns vorübergehend gelingt, 
einige Pfennige Lohnzulage zu erringen, so wird das ans 
der andern Seite durch besser auskalkulierte Akkorde und 
bergt, wieder herabgedrückt. Ich glaube also. Sie werden 
bei etwas Ueberlegung selbst zu dem Ergebnis kommen, 
daß die gewaltige Frage der Erwerbslosigkeit nicht mit 
einer Handbeweguug, mit einer Hebung des Jnnenmarkts 
gelöst werden kann, auch nicht nach Beendigung der 
Rationalisierung. 
(Zuruf des Stadtv. Paeth: Was denn?) 
— Das werde ich Ihnen gleich sagen. — 
Wenn Sie der Meinung sind, daß mit der Beendi 
gung der Rationalisierung dieses Problem gelöst ist, daun 
irren Sie sich gewaltig. Mit dem Moment, wo die 
deutschen Betriebe vollkommen rationalisiert sind, können 
wir in Deutschland wie in allen andern rationalisierten 
Staaten mit einem Erwerbslosenheer von IV2 Millionen 
ständig rechnen, und diese industrielle Reservearmee wer 
den die Kapitalisten in jeder Weise gegen die Prole 
tarier ausnutzen und auszunutzen verstehen. Schauen Sie 
hin nach dem Westhafen zur Fordgesellschaft. In dem 
Moment, wo ein Arbeiter am Morgen infolge Krank 
heit nicht antreten kann, wird unverzüglich von der Straße 
herein ein anderer geholt. Die Direktoren äußern sich 
den Arbeitern gegenüber: „Was wollen Sie denn? Wenn 
Sie nicht wollen, hundert und tausend andere stehen 
dort draußen!" Nach diesem Prinzip wird die gegen 
wärtige Rationalisierung geführt und nach diesem Prinzip 
wird sie auch beendet werden. 
Nun fragt Herr Kollege Paeth uns Kommunisten, 
(Zuruf des Stadtv. Paeth.) 
— ja uns. — 
(Zurufe.) 
Nein, mich persönlich nicht. Herr Kollege Paeth, Sie 
dürfen nicht verkennen, daß mich meine Fraktion beaus 
tragt hat, hier zu sprechen, und daß ich im Aufträge 
meiner Fraktion unserer Meinung Ausdruck verleihe. 
Wir stellen uns nicht etwa auf den Standpunkt, wie 
vielfach irrtümlich angenommen wird, technische Ver 
besserungen in den Betrieben zu bekämpfen. Daran denken 
wir nicht. Alle technischen Verbesserungen, die eilige 
führt werden können, begrüßen wir. Aber hier kommen 
wir mit Gegenvorschlägen. Wenn Sie heute in der Lage 
sind, in einer verhältnismäßig kurzen Zeit und mit 
verhältnismäßig wenig Arbeitskräften dieselbe Produk 
tionsmenge zu erzeugen, die Sie bisher in einem minder 
rationalisierten Betriebe erzeugt haben, dann müssen 
Sie auch die Arbeitszeit entsprechend verkürzen, d. H. 
bei gleichbleibendem Loh». Sie müssen uns schon einmal 
darauf hinweisen, wo infolge der durchgeführten Ratio-
	        
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