1048 Sitzung ant 2.
lebhaft bebauest, daß man gerade hier beit Instanzen
weg nicht gewahrt hat.
(Stadtv. Merten: Sehr richtig!)
Wir haben ferner bedauert, das; seinerzeit eine große
Anzahl von Labeninhabern ihrer Existenz beraubt worden
sind. Allerdings ist mir gesagt worden, daß in diesen
Fällen, in denen damals die Laden für den Abbruch
geräumt werden mußten, erhebliche Llbfindungen gezahlt
worden sind. Das mag mildernd in die Wagschale
fallen, aber immerhin ist die Tatsache bedauerlich.
(Stadtv. Merten: Sehr wahr!)
Eins muß ich allerdings hier noch ausdrücklich
betonen; denn es darf doch eine Sache, nicht einseitig
dargestellt werde». I» Wirklichkeit liegen die Dinge
doch so, daß man auch mit den Berliner Warenhaus-
firmen Verhandlungen über den Bauplatz geführt hat.
Wir bedauern es, daß diese Verhandlungen negativ ver
laufen sind. Karstadt gibt in der Tat für den Platz einen
erheblichen Betrag mehr. Das ist bisher hier von keiner
Seite ausgesprochen worden. Ich halte es aber für
richtig, daß es hier zum Ausdruck kommt.
Ferner haben wir ein weiteres bedauert: Die Be
zirksämter Neukölln und Kreuzberg erheben jetzt gegen
das Projekt mit Recht schärfsten Protest. Sie hätten
aber doch bereits in früheren Jahren Gelegenheit gehabt,
die Fluchtlinie festzusetzen.
(Stadtv. Krille: Gegen das Projekt nicht, nur
gegen die Fluchtlittiettfestsetzung!)
Dann wäre unseres Erachtens die ganze Angelegen
heit anders gelaufen.
Was nun die bauliche Veränderung des Hermann-
platzes selbst anlangt, so glauben wir allerdings, nach
dem wir unsere Verkehrstechniker gehört haben, daß sie
nach dem jetzt projektierten Plan als ausreichend zu
betrachten sein wird.
Vorst. Haß: Die Beratung ist geschlossen. Das
Schlußwort hat Herr Kollege Fedler.
Stadtv. Fedler (DN.) — (Schlußwort): Meine
Damen und Herren! Die Einwürfe hin und her laste»
sich zusammenfassen erstens in materielle und zweitens in
solche offizieller Art. Materiell ist eigentlich gegen dieses
Projekt nur ausgeführt worden, es sei eine Schande, daß
dort ein Warenhaus hinkommt, man hätte dort ein
anderes Haus hinstellen können.
Meine Damen und Herren! Darüber, was Herr
Kollege Raddatz gesagt hat von Volkshaus oder städti
schen Gebäuden,
(Zuruf: Kirche!)
läßt sich streite».
Offiziell ist bemängelt worden, daß die zuständigen
Bezirksämter nicht gehört worden sind, und zwar die
Bezirksämter Neukölln und Kreuzberg, und daß es rich
tiger gewesen wäre, wenn bei diesem großen Projekt auch
im Verkehrsinteresse eine andere Regelung des Platzes
Berücksichtigung gefunden hätte. Von beit Sachverstän
digen ist eindeutig und klar darauf hingewiesen worden,
daß der Platz in einer Breite von 52 m für die nächsten
‘20, 30 und 50 Jahre ausreichen wird. Es ist auch immer
wieder betont worden, daß es immer noch bei dem Be
zirksamt Neukölln und bei den städtischen Körperschaften
liegt, die Platzbreite anders anzugeben.
Gegen den Antrag Saltzgeber muß noch erwähnt
werden, daß er annimmt, der Magistrat habe den Ver
trag mit der Firma Karstadt abgeschlossen, während in
Wirklichkeit die Nordsüdbahngesellschast ihn abgeschlossen
hat, und für die Nordsüdbahn als Aktiengesellschaft
treffen lediglich die Vorschriften mit den Einschränkungen
zu, die der Magistrat für die städtischen Körperschaften
hestimmt hat. Etwas anderes ist nicht möglich.
Persönlich möchte ich nun noch Herrn Treffert von
der Zentrumspartei mitteilen, daß ich bei den Verhand-
Dezember 1926.
lnngen vom Magistrat nicht zugegen war und daß ich
von ihnen genau so überrascht worden bin wie Herr
Treffert selbst. Daß er mich nicht zu einem Grundstücks-
sachverständigeu ernannt hat, sondern nur zu einem
Grundstückshändler, dafür bin ich ihm sehr dankbar.
Denn ans diesem Gebiete ist er kein Sachverständiger.
Vorst. Haß: Meine Damen und Herren! Ich
bitte nun, Platz zu nehmen und aufzuhorchen, wie ich
abstimmen lassen will. Ich bitte mit Ruhe.
Wir haben zunächst eine namentliche Abstimmung
vorzunehmen über den Dringlichkeitsantrag Drucksache
891. Er lautet in seiner Beschlußfassung:
„Der Magistrat wird ersucht, sofort in eine Re
vision der Verträge einzutreten und die Ausführungen
in der vorgesehenen Form zu inhibieren."
Wer für diesen Antrag der Zentrnmsfraktion ist,
hat mit „Ja" zu stimmen, wer dagegen ist, mit „Nein".
Ich bitte die Herren Schriftführer, die Stimm
zettel einzusammeln.
(Geschieht.)
Wer seinen Stimmzettel noch nicht abgegeben hat,
bitte ich, das jetzt noch zu tun. Hat noch ein Mitglied
des Hauses seinen Stimmzettel nicht abgegeben? Die Ab
stimmung ist geschlossen. Ich bitte die Herren Schrift
führer, das Resultat festzustellen.
(Geschieht.)
In der Zwischenzeit können wir vielleicht eine andere
Sache erledigen.
Herr Kollege Kunze wünscht das Wort zur Ge-'
schaftsordnuug. Ich erteile es ihm.
Stadtv. Kunze (VS.) (zur Geschäftsordnung): Meine
Damen und Herren! Unter Punkt 28 der Tagesordnung
finden Sie einen Antrag, der sich mit der Verflüssigung
der Kohle beschäftigt. Da dieser Antrag von einer weit
tragenden Bedeutung ist und mir Zweck hat, wenn er bald
beraten wird, möchte ich bitten, ihn den übrigen Punkten
vorweg zu nehmen. England hat bekanntlich schon die
Lizenz zur Ausnutzung dieser Erfindung.
(Stadtv. Fritz Lange überreicht dem Redner einen
Krückstock mit den Worten: Herr Kunze, ist das
Ihr Knüppel?)
(Großes Gelächter links.)
— Der hat Ihnen vielleicht gefehlt, verstehen Sie!
(Wiederholtes Glockenzeichen.)
(Vorst. Haß: Einen Augenblick! Wenn der Vorsteher
klingelt, bitte ich den Redner, seine Rede zu unter
brechen! Herr Kollege Lange, ich rufe Sie für diese
Ungehörigkeit zur Ordnung!)
— Ich möchte nur feststellen, daß Herr Kollege
Lange auch von außerordentlicher Angst ergriffen war. —
(Gelächter links.)
Meine Damen und Herren! Ich wiederhole noch
einmal: England hat die Lizenz bereits erworben und
Italien steht im Begriff, sie zu erwerben oder wird sie
baldigst erwerben. Wenn also überhaupt noch diese Er
findung für die Allgemeinheit ausgewertet werden soll,
wenn wir als größte Gemeinde des Reiches einen Druck
auf die Regierung ausüben wollen, dann muß es bald
geschehen. Sonst kommen wir zu spät. Darum bitte ich,
diesen Punkt vor den anderen zu behandeln.
Vorst. Haß: Ich bitte um Ruhe. — Also, meine
Damen und Herren, Sie haben gehört, Herr Kollege
Kunze stellt den Antrag, den Punkt 28 der Tagesordnung
jetzt vorweg zu nehmen.
Wer für die Annahme dieses Antrages ist, bitte
ich, die Hand zu erheben. —
(Geschieht.)
Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.