1036 Sitzung out 2. Dezember 1936.
tatsächlich, daß ein einziger Mensch in dieser Versainin
ltmg ist, der Ihnen die kindische Ausrede glaubt: Was
geht »ns dieser dentschnatiouale Elternbeiratsvorsitzende
an? Das glaubt Ihnen kein Mensch. Sie müssen endlich
aufhören, uns mit solchen kindischen Zwischenrufen zu
belästigen,
(Links: Sehr richtig!)
das lassen luir uns nicht gefallen.
(Beifall bei den Kommunisten. Glocke.)
(Vorst. Haß: Herr Kollege, ich möchte Sie darauf
aufmerksam machen, daß kindische Zwischenrufe von
Stadtverordneten überhaupt nicht gemacht werden!)
Es ist mir bekannt, daß inan hier in diesem Hanse
keine kindischen Zwischenrufe machen soll. Wenn solche
Zurufe aber immer wiederholt werden, so ist es schwer,
sie nicht so zu kennzeichnen.
Meine Damen und Herren! Welcher Weg ist ein
geschlagen worden? lim das ganz klar noch einmal
herauszuschälen, mit die Dinge zu klären, will ich fol
gendes sagen: Man hat die Polizei benachrichtigt und
hat nachher nicht den Mut, dafür gerade zu stehen.
Dieser Herr Müller leugnet in einem Artikel ab, daß
er überhaupt die Polizei benachrichtigt hätte. Er hätte
nur bei der Polizei angefragt.
(Bei den Kommunisten: Hört, hört!)
Die Folge dieser Anfrage, meine Damen und Herren,
war, daß die Polizei bei zwei Schülerinnen, der Schule
erschien.
(Hört, hört!)
Herr Müller war nicht ganz im Bilde. Die Polizei
erschien bei einem Kinde, das dein kommunistischen Ju
gendverband angehörte und bei einem andern, das ihm
nicht angehörte. Das war der erste Reinfall. Der zweite
Reinfall war der, daß man bei beiden Kindern nicht das
Gewünschte fand. Die Begründung für die Haussuchung,
meine Damen und .Herren, ist folgende: Die Kinder
stünden im Berdacht, den Vertrieb der Bücher über
nommen und ausgeführt zu haben.
(Hört, hört!)
Wenn Sie sich bitte einmal die Anfrage vornehmen
wollen, so steht in der Anfrage der Fraktionsfrcunde
des Herrn Herzog, denen es ja auf ganz bestimmte
Dinge ankommt, daß der Oberlehrer, der Stndienrat
Rüge den Vertrieb dort übernommen hat. Von einem
Vertrieb zu sprechen, nachdem drei Bücher an 3 Kinder
ausgegeben worden sind, wie es Herr Kollege Hildebrandt
ausgeführt hat, ist außerdem ein Stück, das wahrschein
lich ' nur ein Studienrat fertig bekommt.
(Stadtv. Herzog: Sie haben wohl die Anfrage nicht
gelesen?)
Ich habe sie nicht oft gelesen, sie wär nicht viel wert,
Herr Kollege Herzog.
(Stadtv. Herzog: Das steht ja gar nicht drin!)
Nein, selbstverständlich, steht davon nichts drin, sondern
cs steht drin: Durch wen sind die Bücher verteilt worden?
Ein Oberlehrer unterscheidet zwischen Verteilen und Ver
treiben, der Prolet, der keinen Unterschied zwischen Bücher-
verteilung und Blichervertreiben kennt, spricht von Ver
treiben. Das ist der Unterschied zwischen dem Oberlehrer
und dem Proleten. Der Prolet hat das, was Mm
natürlichen Menschenverstand nennt, er wird wahrschein
lich im Recht sein.
(Gelächter rechts.)
Meine Damen und Herren, das, was sich der Herr
Müller, der nnchristlich-polilische Elternbeiratsvorsitzende
anr Lyzeum geleistet hat, ist ein Stück der schmierigsten
Denunziation, das man sich überhaupt denken kann.
(Bei den Kommunisten: Sehr richtig!)
Man wollte aber nicht nur einen Keil treiben zwischen
Elternschaft und Lehrerkollegium, zwischen Kinder und
Lehrerkollegium, man wollte auch zu diesem Zwecke
systematisch die Lehrer, die nach Meinung des Eltern-
bcirats nicht an die Schule gehören, beobachten. Es ist
uns bekannt geworden, daß Kinder veranlaßt worden
sind, die Lehrer in ihren Aeußerungen zu beobachten,
Es ist uns bekannt geworden, daß Kinder gefragt worden
sind, ob das Buch Hinkemann von Doller etwa auch in
dieser fürchterlichen Bibliothek zu finden wäre. Es ist
uns bekannt geworben, daß die Kinder dieser Anstalt
anständiger waren, als diejenigen, die sie zu Spitzeleien,
wahrscheinlich zu einer pädagogischen Maßnahme gegen
ihre Lehrer verführen wollten. Die Kinder haben sich
geweigert, sich zu einem solchen schmutzigen Verfahren
gegenüber ihren Lehrern mißbrauchen zu lassen.
(Zurufe rechts.)
Meine Damen und Herren, schreien Sie nicht. Sie
kriegen es fertig und fangen wieder an zu brummeln.
Mit meiner Stimme kommen Sie mit Ihrem Brummeln
nicht mit.
(Gelächter rechts.)
Meine Damen, und Herren! Um was es sich hier
handelt, ist jedem Menschen klar. Aber diesmal haben Sie
die Schlacht im Reiche Loeivensteius verloren. Diesmal
hilft Ihnen auch das P.S.K. nicht, wenn es auch in
einer Art und Weise eingegriffen hat, .wie es eben nur das
Proviuzialschulkollegium von Berlin fertig bekommt.
(Znrnf: Brandenburg!)
Berlin und Brandenburg heißt das Ding immer
noch. — Nachdem drei Artikel von verschiedenen Seiten
erschienen waren, haben die Schüler gewagt, auch ihre
Meinung zu den Dingen zu sagen. Sie haben an das
Neuköllner Wurschtblüttchen einen Artikel eingeschickt und
gebeten, auch diesen Artikel mit ihrer Stellungnahme
aufzunehmen, damit die Öffentlichkeit über die beider
seitigen Meinungen unterrichtet würde. Die Aufnahme
dieser Zuschrift der Schülerinnen ist abgelehnt worden.
Ans die Frage nach den Gründen der Ablehnung ist ge
antwortet worden, das Proviuzialschulkollegium habe An
weisung gegeben, in dieser Sache nun nichts mehr zu ver
öffentlichen.
(Links: Hört, hört!)
Abgesehen von - dem pressegesetzlichen Eingriff, den
die Stellungnahme des Provinzialschulkollegiums bedeutet,
ist es ein Stück aus dem Tollhaus, daß eine Schul
aufsichtsbehörde Gelegenheit nimmt, einer Zeitung die
Anweisung zu geben, in einem schwebenden Verfahren
keine Veröffentlichungen mehr zu bringen. Auf der einen
Seite: wenn uns das schwebende Verfahren paßt, dann
verstecken wir uns dahinter, auf der anderst Seite: wenn
es uns paßt, irgendwelche Dinge in die Öffentlichkeit
zu bringen, dann sind wir diejenigen, die sich den Dreck
um das schwebende Verfahren kümmern. Meine Frennde
sind gewillt, mit allen Mitteln diesen Kampf dnrchzn-
fechten ans der sachlichen Grundlage, die der Herr Prof.
Hildebrandt hier gegeben hat. Wir werden den Beweis
führen, daß es sich bei der Anfrage um nichts anderes
handelt, als um eine ganz gemeine politische Hetze mit
dem Zweck und Ziel, einen politischen Gegner mehr tot
zu machen.
(Lebhafter Beifall bei den Kommunisten.)
Stadtv. Miethge (V.): Meine Damen und Herren!
Es liegt mir fern, in den sich hier entwickelnden Streit
einzugreifen.
(Stadtv. Baartz: Es redet schon wieder einer, der
nicht eingreift!)
Wie meinen Sie? Ich habe Sie nicht verstanden.
(Zurufe bei den Kommunisten.)
Was mich veranlaßt, hier das Wort zu nehmen, ist
die Besorgnis um die Seelen unserer Kinder, es ist das,
was der Herr Stadtschulrat vorhin als ganz ablehnens
wert hingestellt hat: Wir wollen unsere Schule nicht
mit dem, ich möchte beinahe sagen, Dreck der politischen
Hetze, des politischen Hasses und Haders vergiften. Das