Path:
Volume Sitzung 39, 25. November 1926

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1926 (Public Domain)

1008 Sitzung ant 26. 
pflege nicht nur kommunistische Arbeiter, sondern auch 
sozialdemokratische Arbeiter, politisch Indifferente und 
Unorganisierte vorhanden sind. Man hat sogar feststellen 
können, daß im Kartellverband für Sport- und Körper 
pflege auch sozialdemokratische Stadtverordnete als Mit 
glieder vertreten sind, die sich ganz entschieden dagegen 
verwahren würden, wenn nach der Meinung des Herrn. 
.Kollegen Zobel und nach der Meinung der bürgerlichen 
Vertreter die Mittel, die die Stadt Berlin dem Kartell 
verband für Sport- und Körperpflege zur Verfügung 
stellen soll, für politische und kommunistische Propaganda 
benutzt werden würden und nicht lediglich als Werbesonds 
für die Arbeitersportbewegung. 
Herr Kollege Zobel hat schon recht, wenn er sagt, 
dieser Antrag entspränge einmal der Tatsache, daß wäh 
rend der bürgerlichen Turn- und Sportwoche die bür 
gerlichen Sportorganisationen int besonderen durch den 
jVerwaltnngsapparat der Stadt Berlin in ihrer Werbe 
tätigkeit ganz besonders gefördert worden sind. Leider 
war es mir nicht vergönnt, als über die Frage der 
'Berliner Turn- und Sportwoche verhandelt wurde, hier 
anwesend fein zu können. Ich möchte nun, nachdem das 
Stenogramm vorliegt, ans folgende Dinge hinweisen: 
Ich nehme Bezug ans die Erklärung des Herrn 
Oberbürgermeisters, in der zum Ausdruck kam, daß an 
der Verweigerung der Spiel- und Sportplätze gegenüber 
den Arbeitersportorganisationelt während der bürgerlichen 
Sportwoche nicht die Verwaltung der Stadt Berlin: 
schuld wäre, sondern die Dezernenten der einzelnen Be 
zirke, und zwar nach der Meinung des Herrn Oberbürger 
meisters die Dezernenten in Lichtenberg und in Neu 
kölln. Und tvelche Dezernenten sind das? Das sind die 
Dezernenten, die der Sozialdemokratischen Partei an 
gehören, die nämlich den Arbeitersportlerit während der 
Berliner Turn- und Sportwoche diese Plätze sperrten. 
(Bei den Kommunisten: Hört, hört!) 
Sv steht die Sache nach den Ausführungen des Herrn 
Oberbürgermeisters. Wir werden, da ein Widerspruch Hott 
seiten der Sozialdemokratischen Fraktion bei dieser Frage 
nicht erhoben worden ist, die Bezirkskartelle anweisen, 
durch geeignete Anfragen in den Bezirksversammlungen 
festzustellen, ob diese Ausführungen des .Herrn Ober 
bürgermeisters stimmen oder ob das Stadtamt für Leibes- 
Übungen dahinter steht. Das scheint so. Denn darüber 
hinaus, meine Damen und Herren, haben wir festge 
stellt, dem auch im Ausschuß nicht widersprochen wurde, 
daß im Stadtamt für Leibesübungen während der Dienst 
zeit für die bürgerliche Turn- und Sportwoche berge 
weise Diplome ausgeschrieben worden sind. 
(Zurufe.) 
— Jawohl, das wiederhole ich. — Ich habe mit aller 
Deutlichkeit darauf hingewiesen, daß das während der 
Dienststuuden gemacht worden ist. Aber man hatte dafür 
die Entschuldigung, daß die während der Dienstzeit ver 
loren gegangenen Stunden des Abends durch Ueber- 
stunden nachgeholt worden sind. Das ist etwas, was wir 
nicht kontrollieren können, denn >oir sind nicht dagewesen, 
also müssen wir es glauben. Aber wir stellen fest, daß 
der ganze Apparat der Stadt Berlin hier dieser Turn- 
ttttd Sportwoche zur Verfügung gestanden hat, ans der 
andern Seite sind bett Arbeiter-Turn- und Sportorgani 
sationen auch mit Hilfe der Dezernenten in den Be 
zirken oder mit Hilfe des Stadtamts für Leibesübungen 
für 2, 3 Tage die Sportplätze zur Ausübung ihres 
Sports entzogen worden. Eine Bevorzugung der bürger 
lichen Turn- und Sportbelvegung ist nicht nur aus Anlaß 
der bürgerlichen Turn- und Sportwoche erfolgt, sondern 
darüber hinaus ist auch eine Bevorzugung besonders 
in den letzten Jahren eingetreten, wv die Arbeitermehr 
heit hier in diesem Hause vorhanden ist. Fast allenthalben 
ist die bürgerliche Sportbewegung insbesondere vom Ma 
gistrat bevorzugt worden. Das sind Dinge, die Ihnen 
allen bekannt sind. Welcher Arbeiter-Turn- und Sport 
verein in Berlin hat in diesem Jahre auf städtischem 
November 1926. 
Grund und Boden oder auch auf von Berlin gepachtetem 
Grund und Boden und mit Hilfe städtischer Mittel irgend 
einen Sportplatz zur Verfügung gestellt bekommen? Wir 
stellen drei Tatsachen fest. Da ist erstens der Vierein für 
Leibesübungen Eharlottenburg, zweitens der Tennisklnb 
Grün-Gelb, wo Sie zum größten Teil selbst bei der Ein 
weihung teilgenommen haben, dann der Sportklub Ehar- 
lottenburg. Diese bürgerlichen Sportorganisationen haben 
auf Boden der Stadt Berlin, der entweder gepachtet 
worden ist oder der Stadt Berlin gehört, mit städtischen 
Mitteln Sportplätze hergestellt bekommen. Was haben 
die Arbeitersportler bekommen? 
Ich stelle ferner die Tatsache fest, daß die 
Stadt Berlin dem Reichsausschüß für Leibesübungen für 
das Sportforum, nicht direkt, sondern indirekt, Mittel 
zur Verfügung gestellt-hat. Einmal, als es nicht über 
die Stelle des Stadtamts für Leibesübungen ging, hat 
man die Geschichte über die Tiefbaudeputatkon: gemacht, 
indem man für das Sportforum eine besondere Straße 
auf Kosten der Stadt Berlin hat herstellen lassen. Ich 
stelle die Frage: Was hat man für die Arbeiter-Turn- und 
Sportbewegung wählend dieser Zeit übrig gehabt? Nichts 
hat man übrig gehabt. 
(Zuruf des Stadtv. Dx. Caspar!.) 
Ich komme noch daraus, Herr Kollege Caspari, der Sie 
ja bekanntlich so mit der Neutralität Ihrer Sportbewe 
gung in der letzten. 'Sitzung losgezogen sind und beson 
ders sich Herr Kollege Zobel einen Kronzeugen, den 
„Vorwärts" herausgegriffen hat. Ich habe den Kron 
zeugen auch heute hier. Es ist nicht mein sondern Ihr 
Kronzeuge. Vielleicht sagen Sie nach der neutralen 
Zeitung der bürgerlichen Turit- und Sportbewegung 
hier zu dem Kronzeugen ein anderes Wort. 
Ich stelle fest, daß mit.Hilfe von städtischen Geldern 
der Reichsausschuß für Leibesübungen, nämlich die zu 
sammengefaßten Organisationen der bürgerlichen Sport 
bewegung, ganz besonders bedacht worden ist, während die 
Arbeiter-Turn- und Sportbewegung zum größten Teil 
mit ihren Anträgen eine Ablehnung erfuhr, und zwar 
wurden die Anträge mit .Hilfe der Sozialdemokraten 
abgelehnt. 
(Hört, hört!) 
Eine der wichtigsten Aufgaben ist es' im letzten Aus 
schuß gewesen, daß, nachdem alle Argumentationen nicht 
mehr zogen, Herr Kollege Zobel wohl 10 Exemplare des 
„Vorwärts" herausnahm, um damit den Sozialdemo 
kraten die „Rote Fahne" recht gruselig zu machen. Sehr 
typisch ivar ja der Aussprnch, als ein .Herr von der bür 
gerlichen Seite fragte: „Ja, meine Herren, lvas wollen 
Sie denn? Sind Sie Republikaner, dann müßten Sie 
zur schwarz-rot-goldenen Fahne stehen. Aber bei Ihnen 
scheint die Geschichte so zn sein. Wenn Sie durchaus 
sich hinter die Arbeitersportler verschanzen wollen, dann 
haben Sie bloß noch Ihre „Rote Fahne" hinten im 
Rockschoß zn stecken." Sehr typisch war dieser Aussprnch, 
mit welchen Mitteln man versuchte, die Arbeitermehrheit, 
die Sozialdemokraten, zu bewegen, nicht diesem Antrag 
der Arbeiterspvrtbewegung zuzustimmen. Dazu einige 
Argumente von dem Kronzeugen, den Sie, Herr Kollege 
Zobel, in diesem Ausschuß angewandt haben. Derselbe 
Kronzeuge, den Sie im Ausschuß gegenüber der Sozial 
demokratie auszuspielen versuchten, schreibt in der 
Nummer 459 vom 29. Oktober 1925, kurz vor der Stadt 
verordnetenwahl nach einem Artikel in der „Roten 
Fahne", der sich mit dem Stadtamt für Leibesübungen 
beschäftigte, in seinem Schlnßabsatz folgendes: „Die 
Arbeitersportler, denen die Fähigkeit noch erhalten ge 
blieben ist, politisch selbständig denken zu können, werden 
daraus die notwendige Lehre ziehen und durch die Wahl 
von Sozialdemokraten dafür sorgen helfen, daß die 
Arbeitersportsache im Rathaus die ihr gebührende Beach 
tung findet." 
Meine Herren Sozialdemokraten, ist das die „ge 
bührende Beachtung" gewesen, die der Arbeitersport
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.