816 Sitzung am 15.
und auf der andern Seite bei 120 dl nur 45 Jl für
das ganze Vierteljahr!
(Zuruf links: Auch in Thüringen, wo Herr Günther
regiert!)
So ist es auch in der Stadt Berlin. Ich will einem
andern Antrag nicht vorgreifen, aber wir wissen ja, daß
die Herren Leiter unserer Sparkasse ausgerechnet zu
ihrem hohen Gehalt, mit dem sie sehr gut leben können,
noch Taufende von Mark Tantieme erhalten
haben. Wie kommt eine besondere Beamtengruppe dazu,
auf Kosten der Bevölkerung, hier gerade auf Kosten der
Notleidenden, der Sparer, solche riesigen Verdienste in
die Tasche zu stecken?
Sie haben im vorigen Sommer die Gehälter des
Herrn Oberbürgermeisters, des Herrn Kämmerers und,
wenn ich nicht irre, auch des 2. Bürgermeisters u m
Tausende von Mark erhöht. Ehe wir diese Ge
hälter um Tausende von Mark hätten erhöhen sollen,
hätte man erst den Beamten der niedrigsten Gruppen
ein Paar Mark zulegen sollen.
(Stabtb. Urich: Sie haben aber dafür gestimmt!)
Nein, ich habe dagegen gestimmt, aber Sie, die Herren
Sozialdemokraten, haben diese Gehälter im vorigen
Sommer mit durchbringen helfen.
(Zurufe bei den Sozialdemokraten.)
Ich brauche Sie ja nur daran zu erinnern, meine Herren
von der Sozialdemokratie, — wen es juckt, der
kratze sich nur, und Sie verstehen das Kratzen ja ganz
besonders, — daß Sie im vorigen Jahre im Reichstag,
als Sie den Herren Ministern zu ihrem Gehalt von
2000 dl monatlich 1000 dl zulegen halfen, als Sozial
demokraten es fertig brachten, zu derselben Stunde —
ich bin selbst Zeuge gewesen — den unteren Beamten
sage und schreibe eineMarkdenMonat zulegten.
Die Herren Kommunisten werden das ja bestätigen,
denn sie sind in solchen Fällen ehrlicher als die Sozial
demokraten. So haben Sie nicht nur hier, sondern auch
in andern Städten gehandelt. In Halle haben Sie jetzt
den: Oberbürgermeister zu einem Gehalt von 21 000 dl
sogar 7000 dl zugelegt.
(Zuruf des Stabtb. Urich.)
Also, ich habe ja gar keine Veranlassung, mich mit
Ihnen über Dinge zu streiten, die die Spatzen von den
Dächern pfeifen.'
(Zuruse bei den Sozialdemokraten.)
Ich habe mich nur gefragt, und die Frage will ich hier
mal beantworten, wie es kommt, daß Sie als Sozial
demokraten solch einen Wahnsinn — in meinen Augen
ist es einer — machen konnten.
(Zuruf des Stabtb. Urich.)
Da gibt es nur eine Antwort: Weil Sie damals schon
daran dachten, daß vielleicht die große Koalition
kommen könnte, und daß Ihre Leute wieder zu den
vorher aufgefüllten Futterkrippen vor
rücken können.
(Lachen bei den Sozialdemokraten.)
Ja, es ist sehr unangenehm, an solche Dinge erinnert
zu werden, die Ihrem ganzen Programm, das Sie jahr
zehntelang in der Oeffentlichkeit vertreten haben, ins
Gesicht schlagen. Aber, es ist immer wieder einmal not
wendig, daran zu erinnern, damit Sie selber und auch
die Oeffentlichkeit es nicht vergessen.
(Zuruf des Stadtv. Urich.)
Ehe wir daran denken dürfen, heute den oberen und
obersten Beamten auch nur einen Pfennig zu zahlen,
haben wir erst die verdammte Pflicht und Schuldigkeit,
der großen Masse unserer untersten und mittleren Be
amten ein auskömmliches Gehalt zu geben, denn letzten
Endes baut sich auf deren Zuverlässigkeit und Treue,
auf deren Pflichterfüllung unser ganzes Staatsivesen
auf. Versagt dieser Beamtenapparat, so ist unser Staat
erledigt. Ich kann es diesen Beamten gar nicht ver
denken, wenn sie bei einer solchen schäbigen Behandlung,
wie sie ihnen gerade in der deutschen Republik zuteil
geworden ist, jede Lust und Liebe an diesem Staats
wesen verlieren. Ich halte es für ganz selbstverständlich,
daß ein solcher Beamtenkörper nicht mehr Pflichttreue
haben kann, baß er innerlich morsch werden muß, daß da
der Korruption Tor und Tür geöffnet wird. Gerade im
Dezember 1925.
Interesse unserer selbst liegt es, dafür zu sorgen, daß
wir einen in sich gefestigten, berufs
freudigen, treuen B e a m t e n st a n d h a b e n,
und das ist nur möglich, wenn wir auch dafür sorgen,
daß er vor äußer st er Not geschützt ist. Es
ist möglich, es ist unbedingt möglich, die Mittel dafür
auszubringen, wenn wir an anderen Dingen sparen.
Wir haben es in dieser Stadtverordnetenversammlung
oft genug erlebt, daß Sie bei anderen Gelegenheiten an
die notwendige Sparsamkeit gar nicht dachten, indem Sie
handelten wie Männer, die nicht im Elend stecken,
sondern die glauben, einen gefüllten Geldsack vor sich
zu haben.
Das habe ich ja mit ansehen müssen, Sie haben
den ganzen Haushaltsplan dieses Jahres angenommen,
Sie, von der Sozialdemokratie. Ich brauche Sie nur
daran zu erinnern, daß Sie 2 Millionen Unterstützung
für ein Theater übrig hatten.
(Stadtv. Flatau: Ihr Theater kriegen wir billiger!)
Ich stehe auf dem Standpunkt, ehe man dafür sorgt,
daß die Satten ins Theater gehen können, hat man
dafür zu sorgen, daß die Hungrigen erst mal
satt werden.
(Zuruf des Stadtv. Urich.)
Ich erinnere weiter daran, daß uns schon wieder 3 Mil
lionen Mark aufgebürdet werden sollen, um ein Terrain
zu erwerben, und zwar aus Fürstenhänden, damit der
Verkehr in Berlin verbessert werden kann. Es ist eine
gute Sache um die Verbesserung des Verkehrs, aber
solange ich nicht satt bin, habe ich' nicht an den Verkehr,
sondern zunächst einmal an den Hunger zu denken. W i r
haben 3 Millionen Mark erst einmal zu
nehmen, um alle diejenigen, die an dem
Verkehr nicht teil nehmen können, satt
zu machen. Das ist unsere Pflicht, wenn wir ein
soziales Gewissen haben.
Ich stelle weiter fest, daß die Mittel zur Hilfe für
diejenigen, die heute so offenbar Not leiden, unbedingt
aufgebracht werben könnten, wenn man an den Dingen
sparte, wo ohne Gefahr für Leben und Gesundheit der
Bevölkerung gespart werden kann. Erst kommt der
Magen und dann alles andere. Das haben auch Sie
früher gesagt, als Sie noch nicht selbst an der Futter
krippe saßen.
(Zurufe.)
Wenn Sie es wünschen, werde ich Ihnen einmal die
wundervollen Episteln, die Sie besonders vor Wahlen
halten konnten, aus Ihrem „Vorwärts", aus der „Leip
ziger Volkszeitung" und der „Chemnitzer Bolksstirnrne"
vorlesen. Sie würden erschrecken, was Sie damals für
Menschen gewesen sind, Sie würden Angst haben, daß
Ihnen Ihre heutige weiße Weste als Lumpen vorn
Bauche fällt.
(Zuruf des Stadtv. Urich: Sie haben in Garde
legen Ihre weiße Weste verschmutzt!)
Das Brüllen verstehen Sie meisterhaft, Herr Urich,
wenn Sie alles so gut verständen, wie das Brüllen,
dann wären Sie heute schon Präsident der Republik!
(Große Heiterkeit.)
(Stadtv. Urich: In Gardelegen haben Sie alles
weggefressen und -gesoffen!)
Um die Sache kurz zu machen: Die Beamten leiden
Not, so große Not, daß Ihnen geholfen werden muß.
Mittel, ihnen zu helfen, könnten beschafft werden,
(Stadtv. Flatau: Durch Ihre Rede aber nicht!)
weitn eine vernünftige Wirtschaft geführt würde, wenn
wir endlich einmal die unnötigen Ausgaben lassen
wollten, wenn wir uns als Männer betrachteten, die
verantwortlich sind für die Taschen derer, die uns ge
wählt haben. Sie haben den neuen Haushaltsplan ge
nehmigt ohne Rücksicht auf unsere Leistungsfähigkeit.
Sie haben der Wirtschaft immer nur Steuern über
Steuern aufgehalst, gerade Sie, die Sie vor Errichtung
der Republik so furchtbar und zum Teil mit Recht
gegen die indirekte Besteuerung gekämpft haben. Sie
haben für die Annahme des Haushaltsplans gestimmt,
trotzdem unsere Lasten von 180 Millionen vor dem
Kriege, wo wir ein wohlhabendes Volk waren, auf
540 Millionen in diesem Jahre des Elends vermehrt
worden sind. Hier in dieser Versammlung hat der