Amtlicher stenographischer Bericht
über die außerordentliche Sitzung
der Berliner Stadtverordnetenversammlung
am 15. Dezember 1925.
(5.) 41. Sitzung.
Herausgegeben vom Magistrat.
Bcratungsgegcnstände: Seite
Nachruf für Bürgermeister Dr. Kahle 811
Einführung des Stadtv. Matthies 811
Geschäftliche Mitteilungen 811
Ergiinzungs- oder Neuwahl der in den Aussichtsrat von
Gesellschaften entsandten Mitglieder der Stadtverord
netenversammlung .... 812
Vorlagen und Anträge, betr. Gewährung von Vorschüssen
bc;w. Teuerungszulagen an die Beamten, Angestellten
und Arbeiter 814
Antrag der Stadtv. Dethleffsen u. Parteifreunde, betr.
Maßnahmen zum Schutze gegen den Abbau der älteren
Angestellten — Drucks. 742 — 823
Rednerliste:
Stadtv.-Vorst. Haß . . 811, 821, 822, 824, 828, 829
Vorst.-Stellv. Meyer 813, 814, 815
Stadtsyndikus Lange 822
Stadtv. Dr. Caspari 814, 821
Dethleffsen 829
Fabian 812
Flatau 819, 824, 828
Gabel 813, 814, 829
Gnadt 812
Goß 814
Koch 828
Kunze 815
Letz 827
Merten 813
Raddatz 817
- Sommer, Hugo 826
Springfeld 823, 828
(Beginn der Sitzung 6 Uhr 25 Min. abends.)
Vorst. Hatz: Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Die Stadt Berlin hat
ihren zweiten Bezirksbürgermeister verloren.
(Die Versantmlnttg erhebt sich von den Plätzen.)
Der Bezirksbürgermeister Dr. Kahle vom Bezirksamt
Kreuzberg ist heute nachmittag verstorben. Er ist nur
39 Jahre alt geworden. Als Sohn eines Branden
burger Lehrers hat er sich bis zum Bezirksbürgermeister
hinaufgearbeitet.
Der Verstorbene ist seit der Gründung des Bezirks
Kmtzbetg dort Bürgermeister gewesen. Er hat den
Bezirk mit aufbauen helfen mtb hat in den Jahren
seiner Tätigkeit versucht, im Rahmen des Möglichen
diesen Bezirk hochzubringen. Durch diese Arbeit hat er
sich die allgemeine Achtung errungen. Herr Dr. Kahle
hat bestimmt Freunde und Gegner gehabt, aber alle
stimmen darin überein, daß er mit größter Uneigen
nützigkeit und mit größtem Fleiß versucht hat, für den
Bezirk das Beste zu leiste». Die Stadt wird ihm infolge
dessen ein ehrendes Andenken bewahren.
Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen von den
Plätzen erhoben. Ich konstatiere es und danke Ihnen.
An Stelle des Stadtverordneten Dr. Richter, der
sein Amt niedergelegt hat, gewählt im Wahlkreise 1 vorn
Kreiswahlvorschlag 2 der Deutschnationalen Volks
partei, tritt der Kaufmann Max Matthies, Berlin C.,
Kaiser-Wilhelm-Str. 43, in die Stadtverordnetenver
sammlung und in die Bezirksversammlung Mitte ein.
Ich führe Herrn Kollegen Matthies hiermit in sein
Amt ein und verpflichte ihn durch Handschlag an Eides
statt.
(Geschieht.)
Eingegangen sind
a) eine Eingabe des Gewerkschaftsbundes der An
gestellten G. D. A., betr. Maßnahmen zur Linde
rung der Not der älteren Angestellten,
b) ein Dankschreiben der Allgemeinen Elektrizitäts-
Gesellschaft für die Trauerkundgebung der städti
schen Körperschaften aus Anlaß des Todes des
Geheimrats Dr. Klingenberg.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten habe
ich eine Anfrage Gäbel u. Gen. zu verlesen:
Die gemeinnützige Heimstättengesellschaft „Pri
mus", an der die Stadt Berlin mit zirka 73% beteiligt
ist, hat im Jahre 1922/23 28 Siedlungsbauten in
Doppelhäusern unter Kontrolle des Siedlungsamtes der
Bausirma Grosser & Klein in Auftrag gegeben.
Aus der allgemeinen drückenden Wohnungsnot
heraus fanden sich für diese Siedlungsbauten sehr bald
Interessenten. Dem Verlangen der Siedler auf rechts
verbindliche Vertragsabschlüsse wurde Widerstand ent
gegengesetzt und immer wieder betont, daß man zu
einem solchen Unternehmen, das unter der Aufsicht der
Behörde stehe, Vertrauen haben müsse.
Bis zum August 1923, also fast nach einem Jahre
Bautätigkeit, waren die Doppelhäuser bis auf das Dach,
den Putz und den Innenausbau fertiggestellt. Wäh
rend dieser Zeit sind von den Siedlern namhafte Zu
schüsse gefordert worden. Die Baukostenzuschüsse des
Siedlungsamtes betrugen nach dessen eigenen Angaben
bis dahin je Wohnung 3563 GM.
Für die weitere Fertigstellung der
Wohnungsbauten forderte die Baufirma
Grosser &. Klein und erhielt pro Wohnung
weitere 640 „
und außerdem die Eintragung einer Hypo
thek auf jede Siedlungswohnung von . . 1500 „
Trotz dieser Zahlungen von zusammen - 5703 GM.
wurden die Wohnungen nicht bewohnbar
den Siedlern übergeben. Die Siedler haben
für die gesamten Malerarbeiten, für die
Anschlüsse, Gas, Wasser und Kanalisation
usw. einschl. der von ihnen bereits gezahlten
Bauzuschüsse den Betrag von ca. . . . 1300 „
aufbringen müssen. Sa. 7003 GM.
Der Herr Oberpräsident teilte auf eine
Beschwerde mit, daß die Kosten für eine
schlüsselfertige Siedlungswohnung einschl.
Baugrund und Straßenpflasterung 4800
Goldmark betragen, und oer Grund und
Boden mit Straßenpflastermlg rund 1900
Goldmark ausmacht.
Es muß der reine Wohnungsbau für . 2900 GM.
hergestellt werden können.
Demnach ist ein Mehraufwand von . . 4103 GM.