Sitzung ant 29.
hatten, wieviel besser durch die Praktiken der Strahen-
bahnbetriebsgesellschaft die Akkordarbeiter der Gesell-
schast entlohnt werden, mit anderen Worten, die ge
samte Berliner Bautätigkeit wird durch solche Vor
gänge verteuert, ohne daß die Straßenbahnbetriebs
gesellschaft davon einen Vorteil hat; im Gegenteil, sie
arbeitet nach meiner Ueberzeugung so teuer, daß auch
die Stadt als Hauptinteressentin und damit wieder
die gesamte Berliner Bevölkerung einen weniger
günstigen Jahresabschlußertrag ihres ehemaligen Un
ternehmens wird erwarten.und deshalb auf geringere
Einnahmen wird rechnen können.
Es ist aus allen diesen Gründen unseres Erach
tens dringend erwünscht, daß sich der Magistrat ein
mal mit dieser Angelegenheit beschäftigt und uns Aus-'
funst darüber gibt, wie er sich zu der gerügten Praxis
der Gesellschaft zu stellen beabsichtigt. "
Vorst. Haß: Zur Beantwortung der Anfrage hat
das Wort der Herr Oberbürgermeister.
Oberbürgermeister Vöß: Meine Damen und Her
ren! Wir werden die vorgebrachten Bedenken prüfen
und uns unsererseits mit der Straßenbahnbetriebs
gesellschaft in Verbindung setzen.
Was die Bauten selbst betrifft, so sind sie un
zweifelhaft ausgezeichnet ausgeführt und werden in
kurzer Zeit fertiggestellt sein. Sie werden, wie ich
glaube, ein Stolz der städtischen Verwaltung sein und
werden von den Angestellten und Arbeitern der Stra
ßenbahn außerordentlich sympathisch begrüßt, weil sie
allen Erfordernissen, die man an eine moderne Woh
nung stellen kann, in jeder Weise genügen. Man muß
bei den Kosten, die entstehen, auch mit in Betracht
ziehen, daß diese Bauten in außerordentlich kurzer
Zeit haben fertiggestellt werden können. Es ist immer
so, wenn etwas gut und schnell gemacht wird, so muß
man im Augenblick auch etwas höhere Kosten auf
wenden.
Ich glaube, soweit ich die Lage im Augenblick be
urteilen kann, liegt gar kein Grund zur Beanstandung
vor.
Vorst. Haß: Die Besprechung der Anfrage wird
nicht gewünscht. Dann ist der Punkt 6 der Tagesord
nung erledigt.
Wir kommen nun zu Punkt 7 der Tagesordnung,
Anfrage der Stadtv. von Eynern und Parteifreunde,
betr. Erkrankungen von Schwestern und Assistenz
ärzten im städtischen Krankenhause Buckow
— Drucks. 80 —.
Zur Begründung der Anfrage hat der Herr
Stadtv. Streiter das Wort.
Sladtv. Streiter: Meine Damen und Herren! Es
ist noch nicht sehr lange her, daß wir uns hier in der
Stadtverordnetenversammlung mit den Küchenange
legenheiten eines großen städtischen Krankenhauses
beschäftigen muhten. Ich darf in Ihre Erinnerung
zurückrufen, daß vor noch gar nicht allzulanger Zeit
im Rudolf Birchow-Krankenhause Unregelmäßigkeiten
im Küchenbetriebe sich ergeben hatten, die auch hier
Gegenstand der Verhandlungen waren.
Diesmal handelt es sich um das schöne Kranken
haus Buckow in Neukölln, bei dem, wie Sie aus
der Tagespresse erfahren haben werden, in letzter
Zeit ganz mysteriöse Kllchendinge sich ereignet haben,
bei denen man nicht klar erkennen kann, ob es sich
um Unregelmäßigkeiten im Küchenbetriebe selbst han
delt oder ob dort im Krankenhaus Buckow ein Kobold
sein Unwesen treibt. Wir möchten fast annehmen, daß
es sich um gewisse Unregelmäßigkeiten im Küchen
betriebe handelt. Denn, wie nachher aus der Aus
sprache über unsere Anfrage hervorgehen wird, hat
das Bezirksamt bereits umfangreiche Maßnahmen er
griffen, die darauf schließen lassen, daß unsere Ver
mutung richtig ist.
Wir fragen nun den Magistrat, was er getan hat
und was er in Zukunft zu tun gedenkt, um solche
Mißstände zu beseitigen und zu verhindern. Wir
würden uns freuen, wenn endlich einmal der Zustand
Januar 1925. 61
herbeigeführt werden könnte, daß wir über Unregel
mäßigkeiten in Küchenbetrieben unserer Krankenan
stalten nicht mehr zu klagen haben.
Vorst. Haß: Zur Beantwortung der Anfrage hat
das Wort der Herr Bürgermeister.
Bürgermeister Scholh: Meine Damen und Her
ren! Es ist richtig, daß leider im letzten Jahre und
auch schon früher wiederholt derartige Erscheinungen
in dem Krankenhause vorgekommen sind. Es ist
naturgemäß, daß man jedesmal der Verpflegung
schuld gegeben hat, und man hat die Untersuchungen
daraufhin erstreckt. Von den Erkrankungen ist stets
das Aerztepersonal und Schwesternpersonal betroffen
worden, niemals die Kranken. Daher mußte man, da
die Kranken eine andere Verpflegung erhalten, un
weigerlich auf den Gedanken kommen, daß die Ver
pflegung der schuldige Grund sei. Man hat chemische
und bakteriologische Untersuchungen vorgenommen,
ist aber auch zu keinem Resultat gekommen. Man hat
jetzt wiederholt Desinfektionen vorgenommen, man
hat das Personal bakteriologisch untersucht und ist so
gar soweit gegangen, in den betreffenden Räumen die
Tapeten zu untersuchen und zum Teil zu entfernen,
alles das hat nichts genützt, und wir stehen hier vor
einem Rätsel. Die Untersuchungen sind nicht nur vom
Hauptgesundheitsamt und vom Bezirksamt Neukölln,
sondern von einem berühmten Sachverständigen, dem
Professor Levin, ebenfalls gemacht worden. Ein Er
gebnis hat sich bisher nicht feststellen lassen. Alle
Maßnahmen, die überhaupt haben getroffen werden
können, sind getroffen worden. Die Untersuchungen
find ständig im Gange und werden fortgesetzt. Wir
hoffen, daß sich keine Fälle weiter ereignen werden.
Vorst. Haß: Die Deutsche Volkspartei beantragt
Besprechung der Anfrage. Ich stelle die Unter
stützungsfrage. —
Die Unterstützung reicht aus. Das Wort hat der
Stadtv. Herr Dr. Falkenberg.
r r .
Stadtv. Dr. Falkenberg: Meine Damen und
Herren! In der Veröffentlichung, die zur Erörte
rung dieser ganzen Angelegenheit in der Oeffentlich-
keit Veranlassung gegeben hat, heißt es:
„Seit mehr als einem Jahre treten bei einer
großen Anzahl von Aerzten nach dem Genuß der
vom Hause gelieferten Verpflegung immer wieder
akute Vergiftungserscheinungen mit Störungen des
Allgemeinbefindens, ruhrartigen Durchfällen, Er
brechen und Herzschädigungen auf, -die durch chef-
ärztliche Untersuchungen bestätigt werden.
Trotz zahlreicher, immer wieder bei den zu
ständigen Dienststellen vorgebrachter Proteste ist
es nicht gelungen, die Mißstände abzuändern, deren
Ursachen selbst durch Untersuchungen von autori
tativer Seite nicht ermittelt werden konnten."
Meine Damen und Herren! Daraufhin sind die
Aerzte an die Oeffentlichkeit gegangen und haben sich
über diese Dinge beschwert. Ich möchte darauf auf
merksam machen, daß diese mysteriöse Angelegenheit
eine ganze Anzahl von zum Teil sich widersprechenden
Kommentaren in der Presse gefunden hat. Die An
staltsleitung selbst gibt zu, daß Mißstände vorge
kommen sind und spricht von einer ganzen Anzahl von
stürmischen Fällen von akutem Darmkatarrh bei
Aerzten und Schwestern.
Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß die
ganzen Pressekommentare und auch die offiziellen
Kommentare noch nicht genügend Klarheit darüber
geschaffen haben, ob es sich tatsächlich nur um Aerzte
oder um Aerzte und Schwestern oder, wie es z. B.
in der „Roten Fahne" zu lesen war, auch um Pa
tienten handelt, die an ähnlichen Darmkatarrhen er
krankt sind. Darüber müssen wir meines Erachtens
doch auch noch Aufklärung bekommen. Es ist auch von
allen Beteiligten zugegeben worden, daß alles Er
denkliche geschehen ist, um die Ursachen herauszube
kommen. Es ist richtig, man hat alles mögliche ver
sucht, aber alles ist bisher erfolglos gewesen. Am