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Volume Sitzung 36., 29. Oktober 1925

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1925 (Public Domain)

Sitzung am 29. 
stehe, wenn der Reichsfinanzminister und der Reichs 
bankpräsident gegen solche Ausländsanleihen der Kom 
munen ihre schweren Bedenken haben mtb wenn sie 
bei der Genehmigung Schwierigkeiten machen, denn die 
Männer, die schließlich die Verantwortung für unsere 
Währung tragen, müssen dafür sorgen, daß die 
Summen, die durch Anleiheverzinsung und Anleihe« 
amortisierung ins Ausland gehen, nicht übermäßig an 
schwellen mtb daß tatsächlich nur das Allernotwendigste, 
das im Augenblick Dringendste ans Ausländsanleihen 
genommen wird. Ich habe mich sehr gefreut, daß ich 
mich da in vollständiger Uebereinstimmung auch mit 
dem Herrn Oberbürgermeister befinde, mit dem, was 
der Herr Oberbürgermeister in der heute wohl im 
Aeltestenausschnß erwähnten Besprechung dein Reichs- 
finanzminister gesagt hat, wo er ja den Ausführungen 
des Reichsfinanzministers ausweislich des Protokolls in 
dieser Beziehung in vollem Umfange zugestimmt hat. 
Ich begreife nicht, wie Herr Reuter sich hinstellen kann 
und es als eine Hetze gegen die Städte, speziell eine 
Hetze gegen die Stadt Berlin bezeichnen kann, wenn 
wir Ausländsanleihen hier ganz scharf prüfen und 
wenn wir auch — das steht uns doch wohl frei — lite 
rarisch die Bedenken, die gegen Ausländsanleihen be 
stehen, immer mtb immer wieder betonen. Denn, meine 
Damen und Herren, es ist doch schließlich nicht so, daß 
überall in den Kommunen — ich meine gar nicht 
Berlin und Herr von Eynern hat auch nirgends in 
seinem hier herangezogenen Aussatz von Berlin ge 
sprochen — 
(Stadtv. Dr. Wehl: Aber in seiner Rede im Land 
tag sprach er davon!) 
— Er hat allgemein von den deutschen Kommunen 
gesprochen. — Es ist doch schließlich so gewesen, daß 
im Jahre 1924, nicht so sehr von Berlin, sondern von 
andern deutschen Kommunen, Sachen gemacht worden 
sind, die vielleicht zurückgestellt worden wären, wenn 
man sich gesagt hätte, daß es 1925 nicht mehr so aus 
sehen würde, wie 1924 es ausgesehen hat. 
Rmt, meine Damen und Herren, jetzt ist diese 
Bedingung, daß die Lieferungen an eine Schweizer 
Firma zu vergeben wären, insoweit abgeändert worden, 
als wir die Bestellungen nicht machen bei der Firma 
Brown Boveri in der Schweiz, sondern bei ihrer 
Zweigniederlassung in Mannheim. Das erleichtert uns 
die Annahme der Vorlage unbedingt. Man mag sich 
ruhig darüber klar sein, daß zum Teil die Firma Brown 
Boveri Maschinen in der Schweiz machen lassen wird. 
Das ist aber auch schließlich nie ganz zu verhindern. 
Wenn Sie einen Auftrag an eine deutsche Firma geben, 
ist es schließlich nicht vollständig ausgeschlossen, daß 
auch diese deutsche Firma Halbfabrikate oder sonst 
irgend etwas int Auslande herstellen läßt, wie sie ja 
die Rohstoffe immer zu einem erheblichen Teil mtS 
deut Auslande beziehen wird. 
Die weitere Vereinbarung, daß Brown Boveri 
verpflichtet ist, in der Höhe, wie diese Firma Bestel 
lungen bekommt, auch Halbfabrikate und Rohstoffe aus 
Deutschland zu beziehen, ist nicht so bedeutend; auf sie 
lege ich nicht übermäßig viel Wert, denn das dadurch 
der Bezug von Rohstoffen ttiti) Halbfabrikaten in 
Deutschland sonderlich gesteigert wird, braucht mau 
nicht ohne weiteres anzunehmen. Immerhin erkennen 
wir auch an, daß die Firma Brown Boveri als Her 
stellerin von Turbinen einen derartigen Ruf in der 
anzen Welt hat, daß wir nicht irgendwie schlechter da- 
urch gestellt werden, wenn wir Bestellungen bei dieser 
Firma machen anstatt unmittelbar bei rein deutschen 
Firmen. Herr Dr. Steiniger hat wohl auch mit vollem 
Recht darauf hingewiesen, daß es u. U. ganz gut sein 
kann, Iveitit man mal deutschen Großfirmen — und es 
bestehen ja da gewisse Monopole — zeigen kann, daß 
man u. U. auch anders kann, als die Preise zu be 
willigen, die sie von uns fordern. 
Aber, meine Damen und Herren, was von 
uns bei diesem ganzen Vertrage auch nach der Ab 
änderung so außerordentlich schwer zu tragen ist, das 
ist die Verkoppelung von Anleihe und Bestellung. 
Meine Damen und Herren, das ist etwas, was wirt 
schaftlich auf die Dauer ganz außerordentlich gefährlich 
werden kann, denn es ist etwas, lvas vielleicht nicht 
vereinzelt bleibt, sondern, wenn diese Anleihebe- 
. Oktober 1925. *85 
! dingungen bekannt werden, werden wir es vielleicht er 
leben, daß bei jeder neuen Anleihe, die wir beschließen 
müssen, — und wir haben schon gehört, daß wir weitere 
Anleihen brauchen — die ausländischen Geldgeber auch 
verlangen werden, daß wir in ihrem Lande Bestellungen 
machen. Meine Damen und Herren, wir würden es 
außerordentlich beklagen, wenn etwa dieses Vorgehen 
hier Schule machen würde. Es ist diese ganze Ver 
koppelung von Anleihe und Bestellung doch etwas, was 
mau eben früher nur gekannt hat bei Ländern, die 
industriell wenig entwickelt waren, die selbst nicht in 
der Lage waren, das herzustellen, wofür sie die Anleihe 
bekamen. Das ist etwas, woraus sich früher ein indu 
striell entwickeltes Land wie Deutschland niemals ein 
gelassen hätte. 
Meine Damen und Herren, wenn wir uns trotz 
dieser so außerordentlich schiverwiegenden Bedenken zu 
der Annahme der Anleihe entschlossen haben, so geschieht 
es deshalb, weil wir glauben, daß wir die Stadt in 
der augenblicklichen Notlage nicht sitzen lassen dürfen. 
(Stadtv. Rieh. Kunze: Strohhalm!) 
Nein, das ist kein Strohhalm, Herr Kollege Kunze, 
sondern das ist das Verantwortlichkeitsgefühl, das wir 
immer gehabt haben und das wir auch trotz all Ihrer 
Reden nicht lassen werden. Auch da hat ja Herr Kol 
lege Reuter ganz eigentümliche Reden gegen uns ge 
halten. Er scheint immer noch ein bißchen von der 
Psychose der Wahlreden befangen zu sein. 
(Gelächter links.) 
(Stadtv. Dr. Wehl: Ihre ist schon verflogen!) 
Meine hat niemals bestanden, Herr Doktor! 
(Stadtv. Dr. Wehl: Deswegen sind die Wahlen so 
schön für Sie ausgefallen!) 
Da ich meinen rechten Arm nicht genügend bewegen 
konnte, war ich im Reden etwas behindert. 
(Heiterkeit.) 
(Stadtv. Dr. Weyl: Hätten Sie den linken Arm 
etwas besser bewegen können!) 
Nein, links körnten Sie nur reden! 
(Heiterkeit. — Bravorufe rechts.) 
Meine Damen und Herren! Herr Reuter hat ge 
glaubt, uns einen Vorwurf daraus machen zu sollen, 
daß wir uns damals im Frühjahr sehr eingehend hier 
darüber unterhalten haben, ob die großen Ausgaben, 
die für die Elektrizitätswirtschaft der Stadt gefordert 
wurden, notwendig sind. Ja, Herr Kollege Reuter, das 
Recht werden wir uns niemals nehmen lassen, von 
uns aus mit aller Sorgfalt zu prüfen, ob Ausgaben 
notwendig sind, die uns zugemutet werden, und wir 
werden uns unsere Informationen da zu beschaffen 
suchen, wo wir es für notwendig halten. Und wir 
waren ja damals, Herr Kollege Reuter, von uns allein 
aus gar nicht in der Lage, die Anhörung der Sach 
verständigen zu beschließen, wenn Sie nicht auch, — 
Sie vielleicht nicht, ich weiß nicht, ob Sie im Aufsichts 
rat sind, dann wären Sie ja vielleicht schon so infor 
miert — aber wenn Ihre Parteifreunde nicht auch den 
Wunsch gehabt hätten, 
(Widerspruch des Stadtv. Reuter.) 
sonst hätten sie doch nicht zugestimmt. 
(Zuruf des Stadtv. Reuter.) 
Ach Gott, lieber Herr Reuter, mit dem Anstandsgefühl 
bei politischen Abstimmungen ist es doch nicht so über 
mäßig weit her. 
(Heiterkeit.) 
(Links: Woher wissen Sie denn das?) 
Ich glaube auch nicht, Herr Reuter, daß es richtig wäre, 
wenn man eine Abstimmung für so bedeutungsvoll hält, 
wie Sie eben diese Abstimmung hingestellt haben, daß 
man dann aus Anstandsgefühl etwas beschließt, sondern 
dann soll man doch wirklich die Weisheit, die Sie uns 
immer nur zumessen wollen, die ich aber bei Ihnen 
gerne anerkenne, seinen Verstand, nicht sein gutes Herz, 
sprechen lassen. 
(Stadtv. Dr. Wehl: Es scheint doch gewirkt zu 
haben!) 
Herr Dr. Weyl, Herrn Reuter gegenüber bin ich immer 
sehr höflich gewesen. 
(Zuruf: Nur Reuter, nicht Weyl!) 
(Heiterkeit.)
	        
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