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Volume Sitzung 3., 22. Januar 1925

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1925 (Public Domain)

Sitzung ant 22. 
brauchte. Wir glauben nicht, daß man dort Putkamer 
in Lebensgröße ausstellen wird, von dem jedem noch 
im Gedächtnis ist, welcher Untaten er fähig war in 
den Gebieten, welche wir besessen ^aben. 
Aber noch ein Grund ist es, der uns abhält . . . 
(Schlußrufe.) 
— Ob Sie daran genug haben, danach haben wir noch 
nicht gefragt und werden auch jetzt danach nicht fra 
ge», wir werden Ihnen sagen, was wir dazu zu sagen 
haben. — 
Der Grund, der uns abhält von der Abhaltung solcher 
Ausstellungen, ist folgender: 
Durch diese Kolonialausstellungen will man 
einem Kolonialvolke vorführen, welche Schandtaten 
seiner noch harren und damit meine ich das deutsche 
Volk als Koloniawolk im wahren Sinne des Wortes. 
Einem solchen Volke, wie das deutsche Volk, das unter 
dem Drucke des Hungers, der Arbeitslosigkeit, der 
Wohnungslosigkeit und dergleichen steht, einem Volke, 
das sich selbst vergiftet, aufhängt und ersäuft, einem 
Volke, das sich durch das Dawes-Abkommen in der 
tiefsten Kulirolle befindet, 
(Zuruf: Nanu!) 
einem solchen Volke will man diese Kolonialaus 
stellung gönnen und wir sagen, einem Volke, auf das 
man die Polizei mit Gummiknüppeln losläßt, auf das 
man losläßt das gesamte nationale und internatio 
nale Schieberkapital, die Wucherer, die Barmate. 
(Zuruf rechts: Und Moskau!) 
Mir scheint, weil sich auf allen Seiten Widerspruch 
dagegen erhebt, daß alle Parteien nicht davon frei 
sind, von Barmat irgend welche Unterstützung er 
halten zu haben. 
(Zuruf: Alle Parteien, auch die Kommunisten!) 
(Vorst. Haß: Herr Kollege Venus, ich rufe Sie wegen 
dieser Aeußerung zur Ordnung!) 
— Das freut mich sehr, diesen Ordnungsruf stecke ich 
sehr gern ein, — Genau so aber, wie man Hänge-Pe- 
ters auf die Kolonien losgelassen hat, läßt man auf 
das deutsche Kolonialvolk jetzt los alle diejenigen, die 
es ausbeuten, die Barmate usw. 
(Zuruf links: Und die Koenen!) 
Wir sind der Auffassung, daß es schließlich ziem 
lich gleichgültig ist, wenn unsere Kinder derartige Ko 
lonialgedanken kennen lernen und wir sagen, schön, 
zeigt den Berliner Schulkindern die Schönheit der 
Kultur, zeigt sie ihnen ruhig, zeigt ihnen aber auch die 
auf das deutsche Proletariat losgelassenen Schieber 
und anderes Gesindel, zeigt sie ihnen in Lebensgröße, 
zeigt ihnen diejenigen, die es ermöglicht haben, daß 
das deutsche Proletariat unter der Fuchtel und der 
Knute dieser Ausbeuter seufzt und zu Boden gesunken 
ist. Zeigen Sie unseren Kindern alle diese in Lebens 
größe und Sie werden dann einen sehr schönen Er 
folg von der Ausstellung haben, nämlich den, daß wir 
uns dabei denken, daß die Kinder, denen Sie dies 
Schauspiel gönnen, die ersten sein werden in der 
nächsten Zeit, die aufräumen mit solchem Plunder, 
der nicht mehr in unsere Zeit gehört, sondern längst 
von Ihnen vergessen sein müßte, wenn Sie sich zur 
Republik bekennen würden. 
Dorff. Haß: Ich mache darauf aufmerksam, daß 
wir uns im Aeltesten-Ausschuß dahin verständigt 
haben, um 'A9 Uhr mit der nichtöffentlichen Sißung 
zu beginnen. Es find als Redner noch gemeldet Herr 
von Eynern, Herr Czeminski und Herr Dr. Kirchner. 
Ich frage, ob Sie die drei Redner noch anhören oder 
die Verhandlung vertagen wollen. 
Da Widerspruch nicht laut wird, darf ich fest 
stellen, daß wir diese drei Redner noch anhören wollen. 
Das Wort hat Herr von Eynern. 
Skadtv. von Eynern: Meine Damen und Herren! 
Die Ausführungen des kommunistischen Abgeordneten 
Venus waren mir in keiner Weife interessant. Wir 
sind es zu unserem Bedauern gewohnt, von dieser 
Partei undeutsche, für deutsche Ohren unerträgliche 
Worte zu hören. Wir bedauern es, daß es eine solche 
Partei gibt, aber wir haben uns leider an diese trau 
rige Tatsache gewöhnen müssen, daß die Kommunisten 
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es für ihre Aufgabe halten, dem Ausland Material 
gegen Deutschland zu liefern. Ich glaube aber, sie 
haben es bereits durch ihr bisheriges Verhalten fertig 
gebracht, auch im Auslande nicht mehr ernst genom 
men zu werden, ja nicht einmal mehr als Deutsche, 
sondern als Sowjetknechte betrachtet zu werden. 
(Rechts: Sehr gut!) 
(Zuruf bei den Kommunisten: Stinnesknechte!) 
Es gibt eine andere große Partei, die im Aus 
lande zweifellos ernst genommen wird, die Sozial 
demokratische Partei, und deren Verhalten zu dieser 
Frage wird allerdings interessant sein, festzustellen. 
Wir werden es von dem Redner der Sozialdemokra 
tischen Partei hören und ich darf vielleicht nur mit 
zwei Worten darauf aufmerksam machen, daß es sich 
bei der Veranstaltung darum handelt, in das deutsche 
Volk hineinzuwerfen den Gedanken, welche entsetzliche 
Schmach, welche Heuchelei es bedeutet, wenn im Ver 
sailler Friedensvertrag jene Nationen, die uns durch 
ihre Uebermacht besiegten, sich als moralisch bessere 
aufspielen und die unglaubliche Behauptung ausstellen, 
sie wären geeignet, fremde Völker, unmündige Völker 
zu verwalten und Deutschland wäre nicht imstande 
dazu. 
Es ist überall anerkannt — das ist auch von eng 
lischen Zeugen anerkannt —, daß das, was von den 
Deutschen in den Kolonien an Kulturarbeit geleistet 
worden ist, mustergültig gewesen ist, mustergültig und 
vorbildlich auch für England und, meine Samen und 
Herren, wir begrüßen jede Gelegenheit, daß das un 
serem Volke gezeigt wird und gezeigt werden kann, 
was die deutschen Kolonien bedeutet haben, und jede 
Veranstaltung, in der auch der Jugend beigebracht 
wird, daß es unser Ziel wieder werden muß, wie 
der eine Weltgeltung zu erlangen und wieder Kolonien 
zu haben, wie andere Völker, denn wir haben ein Recht 
darauf, weil wir Kultur verbreiten. 
(Lärm auf der Tribüne. — Glocke.) 
(Vorst. Haß: Ich weise noch einmal die Tribünen 
besucher darauf hin, daß bei der nächsten Störung 
die Tribüne geräumt wird.) 
weil sich das deutsche Volk den kulturellen Ruhm, den 
es sich in seinen Kolonien errungen hat, nicht nehmen 
lassen wird durch irgend ein anderes Volk, auch wenn 
zufällig jene jetzt als die Sieger uns ihren Willen 
diktieren können. 
(Lebhafter Beifall rechts.) 
Sfabfo. Czeminski: Meine Damen und Herren! 
Meine Freunde hatten gar keine Veranlassung, aus 
Anlaß dieser Vorlage eine Debatte zu inszenieren. 
Nachdem aber die Kommunisten — jedenfalls weil sie 
den Befehl von Moskau getreu ausführen müssen — 
nun eine ihrer üblichen Reden vom Stapel gelassen 
haben, müssen wir den größten Teil dessen, was der 
Herr Kollege Venus hier ausgeführt hat, als eitel 
Heuchelei bezeichnen. Denn, woher wissen Sie denn, 
Herr Kollege Venus, was die Sozialdemokratische 
Fraktion beschlossen hat? Woher wissen Sie, daß Sie 
unser Gewissen schüren müssen? Wir lehnen es ab, 
von Ihnen irgend welche Vorschriften entgegenzu 
nehmen. Wir haben in unserer Fraktioussitzung, als 
wir die Vorlage besprachen, also bereits eher dazu 
Stellung genommen, als Sie hier Ihre Rede vom 
Stapel ließen und ich kann ohne weiteres versichern, 
daß meine Parteifreunde diese Vorlage ablehnen wer 
den. 
(Dr. Caspari und von Eynern: Hört, hört!) 
Daran ändert auch nichts Ihr Appell, den Sie (nach 
rechts) eben an uns gerichtet haben. 
(Pfuirufe rechts.) 
Ihr Appell ist uns im Gegenteil sehr verdächtig, und 
wenn wir vorher vielleicht noch schwankend gewesen 
wären, dann hätten Sie dazu beigetragen, daß wir 
die Vorlage ablehnen müßten. 
(Pfuirufe rechts.) 
Weder der Lobgesang noch das gute Zureden aus der 
Mitte wird uns von unserem Beschluß abbringen. Wir 
sind der festen Ueberzeugung, daß es im Interesse der 
städtischen Verwaltung liegt, diese Vorlage abzulehnen. 
(Zuruf rechts: Die Tribüne hat's bestimmt!)
	        
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