Sitzung ant 22.
brauchte. Wir glauben nicht, daß man dort Putkamer
in Lebensgröße ausstellen wird, von dem jedem noch
im Gedächtnis ist, welcher Untaten er fähig war in
den Gebieten, welche wir besessen ^aben.
Aber noch ein Grund ist es, der uns abhält . . .
(Schlußrufe.)
— Ob Sie daran genug haben, danach haben wir noch
nicht gefragt und werden auch jetzt danach nicht fra
ge», wir werden Ihnen sagen, was wir dazu zu sagen
haben. —
Der Grund, der uns abhält von der Abhaltung solcher
Ausstellungen, ist folgender:
Durch diese Kolonialausstellungen will man
einem Kolonialvolke vorführen, welche Schandtaten
seiner noch harren und damit meine ich das deutsche
Volk als Koloniawolk im wahren Sinne des Wortes.
Einem solchen Volke, wie das deutsche Volk, das unter
dem Drucke des Hungers, der Arbeitslosigkeit, der
Wohnungslosigkeit und dergleichen steht, einem Volke,
das sich selbst vergiftet, aufhängt und ersäuft, einem
Volke, das sich durch das Dawes-Abkommen in der
tiefsten Kulirolle befindet,
(Zuruf: Nanu!)
einem solchen Volke will man diese Kolonialaus
stellung gönnen und wir sagen, einem Volke, auf das
man die Polizei mit Gummiknüppeln losläßt, auf das
man losläßt das gesamte nationale und internatio
nale Schieberkapital, die Wucherer, die Barmate.
(Zuruf rechts: Und Moskau!)
Mir scheint, weil sich auf allen Seiten Widerspruch
dagegen erhebt, daß alle Parteien nicht davon frei
sind, von Barmat irgend welche Unterstützung er
halten zu haben.
(Zuruf: Alle Parteien, auch die Kommunisten!)
(Vorst. Haß: Herr Kollege Venus, ich rufe Sie wegen
dieser Aeußerung zur Ordnung!)
— Das freut mich sehr, diesen Ordnungsruf stecke ich
sehr gern ein, — Genau so aber, wie man Hänge-Pe-
ters auf die Kolonien losgelassen hat, läßt man auf
das deutsche Kolonialvolk jetzt los alle diejenigen, die
es ausbeuten, die Barmate usw.
(Zuruf links: Und die Koenen!)
Wir sind der Auffassung, daß es schließlich ziem
lich gleichgültig ist, wenn unsere Kinder derartige Ko
lonialgedanken kennen lernen und wir sagen, schön,
zeigt den Berliner Schulkindern die Schönheit der
Kultur, zeigt sie ihnen ruhig, zeigt ihnen aber auch die
auf das deutsche Proletariat losgelassenen Schieber
und anderes Gesindel, zeigt sie ihnen in Lebensgröße,
zeigt ihnen diejenigen, die es ermöglicht haben, daß
das deutsche Proletariat unter der Fuchtel und der
Knute dieser Ausbeuter seufzt und zu Boden gesunken
ist. Zeigen Sie unseren Kindern alle diese in Lebens
größe und Sie werden dann einen sehr schönen Er
folg von der Ausstellung haben, nämlich den, daß wir
uns dabei denken, daß die Kinder, denen Sie dies
Schauspiel gönnen, die ersten sein werden in der
nächsten Zeit, die aufräumen mit solchem Plunder,
der nicht mehr in unsere Zeit gehört, sondern längst
von Ihnen vergessen sein müßte, wenn Sie sich zur
Republik bekennen würden.
Dorff. Haß: Ich mache darauf aufmerksam, daß
wir uns im Aeltesten-Ausschuß dahin verständigt
haben, um 'A9 Uhr mit der nichtöffentlichen Sißung
zu beginnen. Es find als Redner noch gemeldet Herr
von Eynern, Herr Czeminski und Herr Dr. Kirchner.
Ich frage, ob Sie die drei Redner noch anhören oder
die Verhandlung vertagen wollen.
Da Widerspruch nicht laut wird, darf ich fest
stellen, daß wir diese drei Redner noch anhören wollen.
Das Wort hat Herr von Eynern.
Skadtv. von Eynern: Meine Damen und Herren!
Die Ausführungen des kommunistischen Abgeordneten
Venus waren mir in keiner Weife interessant. Wir
sind es zu unserem Bedauern gewohnt, von dieser
Partei undeutsche, für deutsche Ohren unerträgliche
Worte zu hören. Wir bedauern es, daß es eine solche
Partei gibt, aber wir haben uns leider an diese trau
rige Tatsache gewöhnen müssen, daß die Kommunisten
Januar 1925. 55
es für ihre Aufgabe halten, dem Ausland Material
gegen Deutschland zu liefern. Ich glaube aber, sie
haben es bereits durch ihr bisheriges Verhalten fertig
gebracht, auch im Auslande nicht mehr ernst genom
men zu werden, ja nicht einmal mehr als Deutsche,
sondern als Sowjetknechte betrachtet zu werden.
(Rechts: Sehr gut!)
(Zuruf bei den Kommunisten: Stinnesknechte!)
Es gibt eine andere große Partei, die im Aus
lande zweifellos ernst genommen wird, die Sozial
demokratische Partei, und deren Verhalten zu dieser
Frage wird allerdings interessant sein, festzustellen.
Wir werden es von dem Redner der Sozialdemokra
tischen Partei hören und ich darf vielleicht nur mit
zwei Worten darauf aufmerksam machen, daß es sich
bei der Veranstaltung darum handelt, in das deutsche
Volk hineinzuwerfen den Gedanken, welche entsetzliche
Schmach, welche Heuchelei es bedeutet, wenn im Ver
sailler Friedensvertrag jene Nationen, die uns durch
ihre Uebermacht besiegten, sich als moralisch bessere
aufspielen und die unglaubliche Behauptung ausstellen,
sie wären geeignet, fremde Völker, unmündige Völker
zu verwalten und Deutschland wäre nicht imstande
dazu.
Es ist überall anerkannt — das ist auch von eng
lischen Zeugen anerkannt —, daß das, was von den
Deutschen in den Kolonien an Kulturarbeit geleistet
worden ist, mustergültig gewesen ist, mustergültig und
vorbildlich auch für England und, meine Samen und
Herren, wir begrüßen jede Gelegenheit, daß das un
serem Volke gezeigt wird und gezeigt werden kann,
was die deutschen Kolonien bedeutet haben, und jede
Veranstaltung, in der auch der Jugend beigebracht
wird, daß es unser Ziel wieder werden muß, wie
der eine Weltgeltung zu erlangen und wieder Kolonien
zu haben, wie andere Völker, denn wir haben ein Recht
darauf, weil wir Kultur verbreiten.
(Lärm auf der Tribüne. — Glocke.)
(Vorst. Haß: Ich weise noch einmal die Tribünen
besucher darauf hin, daß bei der nächsten Störung
die Tribüne geräumt wird.)
weil sich das deutsche Volk den kulturellen Ruhm, den
es sich in seinen Kolonien errungen hat, nicht nehmen
lassen wird durch irgend ein anderes Volk, auch wenn
zufällig jene jetzt als die Sieger uns ihren Willen
diktieren können.
(Lebhafter Beifall rechts.)
Sfabfo. Czeminski: Meine Damen und Herren!
Meine Freunde hatten gar keine Veranlassung, aus
Anlaß dieser Vorlage eine Debatte zu inszenieren.
Nachdem aber die Kommunisten — jedenfalls weil sie
den Befehl von Moskau getreu ausführen müssen —
nun eine ihrer üblichen Reden vom Stapel gelassen
haben, müssen wir den größten Teil dessen, was der
Herr Kollege Venus hier ausgeführt hat, als eitel
Heuchelei bezeichnen. Denn, woher wissen Sie denn,
Herr Kollege Venus, was die Sozialdemokratische
Fraktion beschlossen hat? Woher wissen Sie, daß Sie
unser Gewissen schüren müssen? Wir lehnen es ab,
von Ihnen irgend welche Vorschriften entgegenzu
nehmen. Wir haben in unserer Fraktioussitzung, als
wir die Vorlage besprachen, also bereits eher dazu
Stellung genommen, als Sie hier Ihre Rede vom
Stapel ließen und ich kann ohne weiteres versichern,
daß meine Parteifreunde diese Vorlage ablehnen wer
den.
(Dr. Caspari und von Eynern: Hört, hört!)
Daran ändert auch nichts Ihr Appell, den Sie (nach
rechts) eben an uns gerichtet haben.
(Pfuirufe rechts.)
Ihr Appell ist uns im Gegenteil sehr verdächtig, und
wenn wir vorher vielleicht noch schwankend gewesen
wären, dann hätten Sie dazu beigetragen, daß wir
die Vorlage ablehnen müßten.
(Pfuirufe rechts.)
Weder der Lobgesang noch das gute Zureden aus der
Mitte wird uns von unserem Beschluß abbringen. Wir
sind der festen Ueberzeugung, daß es im Interesse der
städtischen Verwaltung liegt, diese Vorlage abzulehnen.
(Zuruf rechts: Die Tribüne hat's bestimmt!)