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Volume Sitzung 33., 1. Oktober 1925

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1925 (Public Domain)

660 Sitzung am 1. 
Papier aüsnehmen, aber wenn es sich darum handelt, 
sie in die Praxis überzuführen, tun Sie, wenn Sie 
die Macht haben, was Ihnen beliebt. 
(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Es hört sich 
furchtbar schön an, wie Sie das sagen!) 
) " ' 
Stabtb. Troll: Meine Damen und Herren!. Wenn 
der Herr Kollege Urich glaubt, daß wir durch seine 
massiven Angriffe davon' abgehalten werden, künftig 
hin Mißstände in Berliner Bezirksämtern und Bezirken 
zur Sprache zu bringen, dann irrt er sich gewaltig. Es 
ist ja bekannt, daß der Herr Urich in seinen mtquali- 
sizierten Angriffen weit über das Maß hinausgeht. Er 
ist ja oft genug von seinen eigenen Parteigenossen zur 
Rechenschaft darüber gezogen worden. 
(Stadtv. Urich: Das ist Schwindel!) 
'(Glocke.) 
(Borst. Haß: Herr Kollege Urich, bitte doch solche 
Zurufe zu unterlassen. Ich rufe Sie dafür zur 
Ordnung!) 
(Stadtv. Urich: Er darf aber so etwas nicht sagen!) 
Was Schwindel ist, werde ich gleich ausführen. Herr 
Urich hat nämlich behauptet, ich hätte 'auf die Gewerk 
schaften verwiesen und hätte da Sachen zur Sprache ge 
bracht, wie er sie vorhin in seiner Rede hier zum besten 
gegeben hat. 
Bon dem, was er gesagt hat, ist nicht ein Wort 
wahr. Was ich gesagt und angeführt habe, ist folgen 
des: Ich habe gesagt, es haben drei Aerzteverbindungen 
die Sperre verhängt, und zwar gemeinschaftlich. Daraus 
ist zu entnehmen, daß es sich um einen außerordentlich 
schweren Fall handelt. Das beweist einmal die Einig 
keit der sonst getrennte Wege gehenden Organisationen 
und das beweist ferner, daß sie zu dieser schweren Maß 
nahme der Sperre gegriffen haben, um die Ehre und 
das Recht ihrer Standesgenossen zu wahren. Und dann 
habe ich auf die Gewerkschaften hingewiesen und gesagt, 
Sie, meine Herren von der Linken, wissen in diesen 
Dingen genauer Bescheid als ich. Sie wissen, daß Ge 
werkschaften und andere Organisationen zu der Maß 
regel der Sperre nur in äußerst schwerwiegenden Fäl 
len greifen. 
Das ist das ganze, Herr Kollege Urich, was ich 
gesagt habe und nicht das, was Sie vorhin ausgeführt 
haben. Es lohnt sich aber nicht, auf die Ausführungen 
und auf die Anwürfe des Herrn Kollegen Urich näher 
einzugehen, sie richten sich selbst. 
Nun zu den Ausführungen des Herrn Dr. Wehl: 
Herr Dr. Wehl hat an zwei Stellen von Pflicht 
verletzung, einmal sogar von „grober" Pflichtverletzung 
dieser beiden Schulärzte gesprochen. Ich muß diesen 
Ausführungen ganz entschieden zu Ehren dieser beiden 
Herren widersprechen. Die beiden Herren genießen auf 
dem Wedding allergrößtes Ansehen. Erst 'vor kurzem 
hat Herr Kollege Kreuziger sich lobend und anerkennend 
über den einen der beiden Herren mir gegenüber aus 
gesprochen. Herr Krenziger muß ja den Herrn kennen, 
es ist einer der beiden besprochenen Schulärzte, der 
an seiner Schule selbst zu tun hat. 
Meine Damen und Herren! Um was dreht es sich 
hier? Es ist festgestellt, und Herr Kollege Falkenberg 
hat das in seiner Rede mit Deutlichkeit ausgesprochen, 
daß die Kündigung nicht erfolgt ist wegen der Amts 
führung dieser beiden Herren, sondern in einem Falle 
wegen des Alters und in dem andern Falle wegen un 
liebsamer Kritik, die der Betreffende an den Zuständen 
im Bezirk Wedding ausgeübt hat. Das steht fest. 
(Zuruf links: Unbewiesen!) 
Selbst der Vertreter im Bezirksamt, Herr Stadtarzt 
Dr. Drucker, hat nicht das Wort Disziplinlosigkeit ge 
braucht, das der Herr Magistratsvertreter glaubte an 
tuenden zu dürfen, sondern er hat nur gesagt, daß die 
ser letztere Herr, der Herr Matzdorff, entlassen worden 
ist, weil er es nicht verstanden hätte, Vertrauen zwi 
schen sich und dem Bezirksamt herzustellen. Das, meine 
Herren, klingt doch ganz anders als das, was der Herr 
Magistratsvertreter ausgeführt hat: 
(Zuruf rechts: Sehr richtig, das klingt anders!) 
Wenn weiter behauptet worden ist, ich hätte das 
Verhalten des Herrn Matzdorff zum Bezirksamt gut- 
Oktober 1925. 
geheißen, so weise ich darauf hin, daß ja die Allfrage 
und die Bitte um Belege eigentlich ganz überflüssig 
war. Das Material war ja zum größten Teil in dem 
Artikel, der in einer wissenschaftlichen Zeitschrift er 
schienen war, niedergelegt. 
(Stadtv. Urich: Ich habe ihn ja vorgelesen!) 
Und wenn der Herr ans die Anfrage erwiderte, er sei 
mit der Sammlung des Materials noch nicht zuende, 
(Stadtv. Urich: Er kann doch das Material hin 
schicken, was er schon hat!) 
wenn er noch nicht zu genügendem Material gekommen 
ist, kann man ihn deswegen doch auch nicht verurteilen. 
Nein, Sie können die Sache drehen und wenden wie 
Sie wollen, es ist und bleibt so: Der Herr ist wegen 
seiner freien Meinungsäußerung gemaßregelt worden, 
(Widerspruch links. — Stadtv. Dr. Kirchner: Sehr 
richtig!) 
und das ist das Schwere der Sache. Ich weiß heute 
noch nicht, welcher Partei hie Herren angehören. Herr 
Dr. Wehl ist ja genauer orientiert, er behauptet, daß 
die beiden Herren der Deutschnationalen Partei ange 
hören. Mir ist davon bis heute nichts bekannt. Herr 
Dr. Weyl scheint besser in den Reihen der Deutsch 
nationalen Bescheid zu wissen als diejenigen, die selbst 
der Partei angehören. 
(Lachen links. Zuruf: Natürlich!) 
Nun möchte ich die Herren bitten, doch einmal zu * 
überlegen, wie die Arbeiter und die Betriebsräte sich 
einem Falle gegenüber verhalten hätten, der so liegt, 
wie dieser mit den beiden Schulärzten. Wenn ein 
Arbeitgeber einen Arbeitnehmer mit der Begründung 
entlassen wollte, der Arbeiter habe es nicht verstanden, 
ein Vertrauensverhältnis zwischen sich und dem Arbeit 
geber herbeizuführen, dann möchte ich wissen, was Ihre 
Betriebsräte zu einem solchen Fall sagen würden. 
(Rechts: Sehr gut!) 
Nein, meine Damen und Herren, auf Grund der Ver 
fassung hat jeder Deutsche das Recht der freien Mei 
nungsäußerung, und das ist den Herren hier beschränkt 
worden durch das Vorgehen des Bezirksamts. 
(Stadtv. Dr. Weyl: Das glauben Sie doch selber 
nicht!) 
(Zurufe.) 
(Stadtv. Dr. Weyl: Herr Troll und die Ver 
fassung!) 
Stadtv. Pattloch: Meine Damen und Herren! Ich 
glaube, es ist doch durchaus notwendig, noch einmal | 
die Daten in die Erinnerung zu rufen, es könnte in der 
Oeffentlichkeit sonst falsch verstanden werden. 
Herr Dr. Matzdorsf hat am 25. Oktober 1924 den 
Artikel in der Aerztekorrespondenz geschrieben, in dem 
er erklärte: „In meiner Praxis liegen derartige Fälle 
vor, und bitte ich alle Kollegen hiermit, mir ähnliche 
Vorkommnisse schriftlich mitzuteilen." 
(Rechts: Tuberkulose!) 
Als Schularzt. Mein Gott, er war doch Schularzt! 
(Zuruf links: Er hat nicht unterschrieben: Neben 
amt!) 
(Stadtv. Dr. Weyl: Seine Erfahrungen kommen 
doch aus der Schularzttätigkeit!) 
(Zuruf links: Da hat er keine Erfahrung!) 
(Zuruf rechts: Privatpraxis!) 
Aus der Privatpraxis über eine städtische Einrichtung? 
Dann wird er ant 1. November schriftlich gebeten, 
er möchte die Freundlichkeit haben, Mitteilungen über 
solche Fälle zu machen. Er hat ja selber in seiner Zei 
tung geschrieben: Mir sind schon mehrere solcher Fälle 
vorgekommen: Dann braucht er sie doch nur mitteilen, 
er hat bis jetzt noch keinen mitgeteilt. 
(Stadtv. Dr. Weyl: Als ehrlicher Mann hätte er 
dann schreiben müssen: Ich habe keine Erfah 
rungen!) 
Dann wird er am 6. Januar 1925 nochmals ge 
beten, er wird gemahnt, das Material einzureichen.
	        
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