Sitzung am 22.
diesen Unfällen zu sein das wahnsinnige Fahren ge
wisser Automobilfahrer. Es ist mir von einer Familie,
die an jener Stelle wohnt, berichtet worden, daß sie
dort vorüberziehend nach Osten und Westen in einer
Minute eine Zahl von Fahrzeugen gezählt hat, die
kaum noch auszusprechen ist.
(Stadtv. Urich: Mit 30 Kilometer Geschwindigkeit
fahren sie sogar)
Darauf komme ich noch, daß fast die gesamten Auto
fahrer, die Leiter von Privatautomobilen sowohl wie
die Führer von öffentlichen Autoomnibussen dort eine
Geschwindigkeit einschlagen, die die Straße geradezu
zur Rennbahn macht, und das, glaube ich, sollten wir
uns angesichts der Schwierigkeiten, die durch die Enge
der Straße allein schon gegeben sind, verbitten, uns
verbitten, daß die Straßen unserer Stadt zu Renn
bahnen und Rennstraßen gemacht werden-.
Nun habe ich volles Verständnis für die Schwere
und die Schwierigkeit, die in dem Beruf des Automo
bilfahrers liegt und begründet ist. Aber nach dieser
Richtung hin scheint es mir notwendig zu sein, daß
die Verkehrspolizei ganz anders einschreitet, als sie
es bisher getan hat. Wir gehören nicht zu den Scharf
machern, aber es kann und muß doch möglich fein,
daß durch eine Vermehrung der Verkehrspolizei in
unseren Straßen endlich einmal dasjenige Tempo in
den Verkehr hinein kommt, das für eine Großstadt
mit so dichtem Fußgängerverkehr noch zu ertragen
und zu verantworten ist. Wenn nach dieser Richtung
hin der Magistrat sich bemüht, so wird er sich den
Dank der Bürgerschaft verdienen. Ich glaube auch,
daß es durchaus möglich ist, den Verkehr mit einer
verhältnismäßig ausreichenden Zahl von Beamten so
zu regulieren.
Es ist mir erzählt worden — ich kenne selber die
Städte London, Paris und New-Pork nicht —, diese
Städte hätten bei unendlich viel stärkerem Verkehr,
allerdings auch bei schärferen Verordnungen durch
die Verkehrspolizei, bei weitem nicht soviel Unfälle,
wie die Stadt Berlin sie ausweist. Wenn das richtig
ist, und ich habe Grund, das anzunehmen, dann liegt
es lediglich daran, daß unser Personal, das jene Fahr
zeuge leitet, nicht so ausgebildet ist, wie das in den
anderen Großstädten der Fall ist, und dann liegt es
zum andern daran, daß die Verkehrspolizei nicht so
einzuschreiten, zu kontrollieren, zu regulieren weiß,
wie es in den andern Großstädten möglich ist. Und
nach dieser Richtung hin eröffnet sich m. E. dem Ma
gistrat, insonderheit dem Verkehrsdezernenten ein
großes Feld und eine fast unbegrenzte Möglichkeit,
die Sicherheit im Verkehr zu heben.
Meine Damen und Herren! Auch eine andere
Frage ist, soweit wir einen Einfluß auf die großen
Automobilgesellschaften haben, dabei zu erörtern. Ich
bin nicht Techniker, aber es ist mir von Fachmännern
mitgeteilt worden, daß der Typ der Autobusse, der
großen Personenautobusse, nicht mehr sehr sicher sei
und daß die Gefahr, daß bei dem geringsten Zusam
menstoß einmal die Bremsvorrichtung versagt und
zum andern die Möglichkeit des Umkippens sich stei
gert, daß alle diese Momente zusammen einen mo
dernen Typ fordern, der heute fast auf keiner unserer
Linien läuft. Da wir an der Spitze des Verkehrs
wesens einen Fachmann zu stehen haben, glaube ich,
wird er auch nach dieser Richtung hin aufzuklären und
Anregungen zu geben haben.
Was letzten Endes bei der traurigen Zahl der
Unfälle auch sehr unangenehm in die Erscheinung ge
treten ist, das ist die Art und Weise, wie die erste
Hilfe geleistet, oder besser gesagt nicht geleistet wurde.
Natürlich ist im Falle eines solchen Vorkommnisses
fast alles kopflos. Eine Panik entsteht ein für allemal.
Aber noch ehe Feuerwehr, Rettungsamt usw. zur
Stelle sein konnten, hätten die Bewohner aus den be
nachbarten Häusern mit Hilfe von Verbandmitteln
und den einfachsten Hilfsmitteln das leisten und
müssen, was an erster Hilfe zu leisten nötig war.
Es dürfte nach meiner Auffassung auch eine Auf
gabe für unsern Direktor von Rettungsamt fein, ein
mal festzustellen, ob nicht die Straßenbahnwagen, die
Autobusse wenigstens für alle Fälle mit den ersten
Hilfsmitteln für derartige Unfälle auszustatten find.
Januar 1925. 43
Aber, meine Damen und Herren, wenn der Ma
gistrat all diesen technischen Fragen sein Augenmerk
schenkt, so verkennen wir keinen Augenblick, daß eine
wirklich endgültige Regelung des heute zu einer Ge
fahr werdenden Berliner Verkehrs nur möglich ist,
wenn man das große Berliner Verkehrsproblem von
hoher Warte aus großzügig behandelt, wenn man den
letzten Ursachen all dieser Unfälle nachgeht und wenn
man mit uns sie darin sucht, daß heutigen Tages zu
wenig Ausfallstraßen von dem alten Berlin nach dem
ehr bevölkerten neuen Berliner Westen vorhanden
ind. Das ist nach meiner Auffassung die wahre Ur-
ache für die vielen Unfälle.
Allerdings verkenne ich nicht, daß, um hier Ab
hilfe zu schaffen', ein ungeheures Projekt zu durch
denken und zu erwägen ist und daß zur Durchführung
auch der ernsthaftesten Projekte wahrscheinlich erheb
liche Mittel erforderlich sein werden. Aber, ob diese
Ausfallstraßen geschaffen werden auf dem Wege des
Durchbruchs bestehender und sackartig endender
Straßen, oder auf dem Wege der Untertunnelung von
ganzen Gegenden, oder auf dem Wege der Zuführung
von Außerhalb, z. B. der Verlängerung der Fasanen
straße u. dergl. mehr, das ist eine Frage, die heute
weder erörtert noch viel weniger entschieden werden
kann. Ich möchte, daß der Magistrat diese Unfälle be
nutzt, um im Anschluß daran ein großes modernes
Verkehrsproblem zu lösen und uns etappenweise die
jenigen Vorschläge zu unterbreiten, die zu seiner
Durchführung nötig sein werden. Wenn das erreicht
wird, dann wäre der letzte und größte Zweck auch
meiner Anfrage erfüllt.
Im übrigen hoffen wir, daß es dem Magistrats
vertreter durch feine Ausführungen gelingen möge,
nachzuweisen, daß an städtischen Einrichtungen keine
unmittelbare Ursache für diese Unfälle zu finden war
und daß der Magistrat alles getan hat und in Zukunft
alles erwägen wird, um in den Kreisen unserer Ber
liner Bevölkerung wieder dasjenige Gefühl der Sicher
heit entstehen zu lassen, das der Berliner in frü
heren Zeiten hatte und dem er am besten dadurch
Ausdruck gab, daß er an allen Ecken mit starkem und
stärkstem Verkehr, auf allen Straßen und Plätzen ganz
in Seelenrühe und mit einem gewissen, sprichwörtlich
gewordenen Gleichmut seines Weges ging. Wenn es
dem Magistrat gelingt, diese Sicherheit in unserm
Publikum wieder aufleben zu lassen durch beruhigende
Mitteilungen und Erklärungen, dann werden wir für
die Zukunft vermeiden, daß durch ähnliche Vorkomm
nisse wieder menschliches Gut und Blut so unsinnig
geopfert werden muß und derartige Unfälle sich wie
derholen.
(Beifall.)
Stadtv. Sfolf: Werte Versammlung! Anläßlich
der Oktoberverhandlungen über die Verkehrsverhält
nisse habe ich in meiner Einleitung ganz besonders die
Autoomnibusse, die Autokraftwagen und die Privat
autos hervorgehoben. Ich habe darauf hingewiesen,
daß nicht nur die Straße, sondern daß ganz besonders
der Autobetrieb eine dauernde Beobachtung, eine
dauernde Kontrolle der ganzen Frage, die mit der
Verkehrssicherheit zusammenhängt, verlangt.
Wie recht ich hatte, bestätigt die jetzt veröffent
lichte Statistik über die Verkehrsunfälle seitens des
Polizeipräsidiums. Wir müssen da feststellen, daß die
Unfälle sich in dem IV. Quartal 1924 von 1743 auf
2285 erhöht haben, das sind rd. 30% gegenüber dem
Vorquartal, und mir sehen, wenn wir die Statistik
weiter verfolgen, daß an der Spitze der Unfälle die
Personenkraftwagen, also die Autobusse stehen.
(Zuruf: Privatautobusse sind auch Personenkraf-
wagen!)
Nein, die sind in der Statistik als Kraftdroschken auf
geführt.
(Widerspruch.)
(Zuruf: Als Sie als Magistratsmitglied mit dem
Auto fuhren, fuhren Sie auch mit einem Privat
personenkraftwagen!)
Nein, unter Personenkraftwagen versteht man die