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Volume Sitzung 3., 22. Januar 1925

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1925 (Public Domain)

Sitzung am 22. 
diesen Unfällen zu sein das wahnsinnige Fahren ge 
wisser Automobilfahrer. Es ist mir von einer Familie, 
die an jener Stelle wohnt, berichtet worden, daß sie 
dort vorüberziehend nach Osten und Westen in einer 
Minute eine Zahl von Fahrzeugen gezählt hat, die 
kaum noch auszusprechen ist. 
(Stadtv. Urich: Mit 30 Kilometer Geschwindigkeit 
fahren sie sogar) 
Darauf komme ich noch, daß fast die gesamten Auto 
fahrer, die Leiter von Privatautomobilen sowohl wie 
die Führer von öffentlichen Autoomnibussen dort eine 
Geschwindigkeit einschlagen, die die Straße geradezu 
zur Rennbahn macht, und das, glaube ich, sollten wir 
uns angesichts der Schwierigkeiten, die durch die Enge 
der Straße allein schon gegeben sind, verbitten, uns 
verbitten, daß die Straßen unserer Stadt zu Renn 
bahnen und Rennstraßen gemacht werden-. 
Nun habe ich volles Verständnis für die Schwere 
und die Schwierigkeit, die in dem Beruf des Automo 
bilfahrers liegt und begründet ist. Aber nach dieser 
Richtung hin scheint es mir notwendig zu sein, daß 
die Verkehrspolizei ganz anders einschreitet, als sie 
es bisher getan hat. Wir gehören nicht zu den Scharf 
machern, aber es kann und muß doch möglich fein, 
daß durch eine Vermehrung der Verkehrspolizei in 
unseren Straßen endlich einmal dasjenige Tempo in 
den Verkehr hinein kommt, das für eine Großstadt 
mit so dichtem Fußgängerverkehr noch zu ertragen 
und zu verantworten ist. Wenn nach dieser Richtung 
hin der Magistrat sich bemüht, so wird er sich den 
Dank der Bürgerschaft verdienen. Ich glaube auch, 
daß es durchaus möglich ist, den Verkehr mit einer 
verhältnismäßig ausreichenden Zahl von Beamten so 
zu regulieren. 
Es ist mir erzählt worden — ich kenne selber die 
Städte London, Paris und New-Pork nicht —, diese 
Städte hätten bei unendlich viel stärkerem Verkehr, 
allerdings auch bei schärferen Verordnungen durch 
die Verkehrspolizei, bei weitem nicht soviel Unfälle, 
wie die Stadt Berlin sie ausweist. Wenn das richtig 
ist, und ich habe Grund, das anzunehmen, dann liegt 
es lediglich daran, daß unser Personal, das jene Fahr 
zeuge leitet, nicht so ausgebildet ist, wie das in den 
anderen Großstädten der Fall ist, und dann liegt es 
zum andern daran, daß die Verkehrspolizei nicht so 
einzuschreiten, zu kontrollieren, zu regulieren weiß, 
wie es in den andern Großstädten möglich ist. Und 
nach dieser Richtung hin eröffnet sich m. E. dem Ma 
gistrat, insonderheit dem Verkehrsdezernenten ein 
großes Feld und eine fast unbegrenzte Möglichkeit, 
die Sicherheit im Verkehr zu heben. 
Meine Damen und Herren! Auch eine andere 
Frage ist, soweit wir einen Einfluß auf die großen 
Automobilgesellschaften haben, dabei zu erörtern. Ich 
bin nicht Techniker, aber es ist mir von Fachmännern 
mitgeteilt worden, daß der Typ der Autobusse, der 
großen Personenautobusse, nicht mehr sehr sicher sei 
und daß die Gefahr, daß bei dem geringsten Zusam 
menstoß einmal die Bremsvorrichtung versagt und 
zum andern die Möglichkeit des Umkippens sich stei 
gert, daß alle diese Momente zusammen einen mo 
dernen Typ fordern, der heute fast auf keiner unserer 
Linien läuft. Da wir an der Spitze des Verkehrs 
wesens einen Fachmann zu stehen haben, glaube ich, 
wird er auch nach dieser Richtung hin aufzuklären und 
Anregungen zu geben haben. 
Was letzten Endes bei der traurigen Zahl der 
Unfälle auch sehr unangenehm in die Erscheinung ge 
treten ist, das ist die Art und Weise, wie die erste 
Hilfe geleistet, oder besser gesagt nicht geleistet wurde. 
Natürlich ist im Falle eines solchen Vorkommnisses 
fast alles kopflos. Eine Panik entsteht ein für allemal. 
Aber noch ehe Feuerwehr, Rettungsamt usw. zur 
Stelle sein konnten, hätten die Bewohner aus den be 
nachbarten Häusern mit Hilfe von Verbandmitteln 
und den einfachsten Hilfsmitteln das leisten und 
müssen, was an erster Hilfe zu leisten nötig war. 
Es dürfte nach meiner Auffassung auch eine Auf 
gabe für unsern Direktor von Rettungsamt fein, ein 
mal festzustellen, ob nicht die Straßenbahnwagen, die 
Autobusse wenigstens für alle Fälle mit den ersten 
Hilfsmitteln für derartige Unfälle auszustatten find. 
Januar 1925. 43 
Aber, meine Damen und Herren, wenn der Ma 
gistrat all diesen technischen Fragen sein Augenmerk 
schenkt, so verkennen wir keinen Augenblick, daß eine 
wirklich endgültige Regelung des heute zu einer Ge 
fahr werdenden Berliner Verkehrs nur möglich ist, 
wenn man das große Berliner Verkehrsproblem von 
hoher Warte aus großzügig behandelt, wenn man den 
letzten Ursachen all dieser Unfälle nachgeht und wenn 
man mit uns sie darin sucht, daß heutigen Tages zu 
wenig Ausfallstraßen von dem alten Berlin nach dem 
ehr bevölkerten neuen Berliner Westen vorhanden 
ind. Das ist nach meiner Auffassung die wahre Ur- 
ache für die vielen Unfälle. 
Allerdings verkenne ich nicht, daß, um hier Ab 
hilfe zu schaffen', ein ungeheures Projekt zu durch 
denken und zu erwägen ist und daß zur Durchführung 
auch der ernsthaftesten Projekte wahrscheinlich erheb 
liche Mittel erforderlich sein werden. Aber, ob diese 
Ausfallstraßen geschaffen werden auf dem Wege des 
Durchbruchs bestehender und sackartig endender 
Straßen, oder auf dem Wege der Untertunnelung von 
ganzen Gegenden, oder auf dem Wege der Zuführung 
von Außerhalb, z. B. der Verlängerung der Fasanen 
straße u. dergl. mehr, das ist eine Frage, die heute 
weder erörtert noch viel weniger entschieden werden 
kann. Ich möchte, daß der Magistrat diese Unfälle be 
nutzt, um im Anschluß daran ein großes modernes 
Verkehrsproblem zu lösen und uns etappenweise die 
jenigen Vorschläge zu unterbreiten, die zu seiner 
Durchführung nötig sein werden. Wenn das erreicht 
wird, dann wäre der letzte und größte Zweck auch 
meiner Anfrage erfüllt. 
Im übrigen hoffen wir, daß es dem Magistrats 
vertreter durch feine Ausführungen gelingen möge, 
nachzuweisen, daß an städtischen Einrichtungen keine 
unmittelbare Ursache für diese Unfälle zu finden war 
und daß der Magistrat alles getan hat und in Zukunft 
alles erwägen wird, um in den Kreisen unserer Ber 
liner Bevölkerung wieder dasjenige Gefühl der Sicher 
heit entstehen zu lassen, das der Berliner in frü 
heren Zeiten hatte und dem er am besten dadurch 
Ausdruck gab, daß er an allen Ecken mit starkem und 
stärkstem Verkehr, auf allen Straßen und Plätzen ganz 
in Seelenrühe und mit einem gewissen, sprichwörtlich 
gewordenen Gleichmut seines Weges ging. Wenn es 
dem Magistrat gelingt, diese Sicherheit in unserm 
Publikum wieder aufleben zu lassen durch beruhigende 
Mitteilungen und Erklärungen, dann werden wir für 
die Zukunft vermeiden, daß durch ähnliche Vorkomm 
nisse wieder menschliches Gut und Blut so unsinnig 
geopfert werden muß und derartige Unfälle sich wie 
derholen. 
(Beifall.) 
Stadtv. Sfolf: Werte Versammlung! Anläßlich 
der Oktoberverhandlungen über die Verkehrsverhält 
nisse habe ich in meiner Einleitung ganz besonders die 
Autoomnibusse, die Autokraftwagen und die Privat 
autos hervorgehoben. Ich habe darauf hingewiesen, 
daß nicht nur die Straße, sondern daß ganz besonders 
der Autobetrieb eine dauernde Beobachtung, eine 
dauernde Kontrolle der ganzen Frage, die mit der 
Verkehrssicherheit zusammenhängt, verlangt. 
Wie recht ich hatte, bestätigt die jetzt veröffent 
lichte Statistik über die Verkehrsunfälle seitens des 
Polizeipräsidiums. Wir müssen da feststellen, daß die 
Unfälle sich in dem IV. Quartal 1924 von 1743 auf 
2285 erhöht haben, das sind rd. 30% gegenüber dem 
Vorquartal, und mir sehen, wenn wir die Statistik 
weiter verfolgen, daß an der Spitze der Unfälle die 
Personenkraftwagen, also die Autobusse stehen. 
(Zuruf: Privatautobusse sind auch Personenkraf- 
wagen!) 
Nein, die sind in der Statistik als Kraftdroschken auf 
geführt. 
(Widerspruch.) 
(Zuruf: Als Sie als Magistratsmitglied mit dem 
Auto fuhren, fuhren Sie auch mit einem Privat 
personenkraftwagen!) 
Nein, unter Personenkraftwagen versteht man die
	        
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