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Volume Sitzung 3., 22. Januar 1925

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1925 (Public Domain)

40 Sitzung am 22. 
Sfabfo. Gäbet: Meine Freunde werden gegen den 
Antrag stimmen, diese Angelegenheit einem Aus 
schuß zu überweisen, und zwar aus dem Grunde, weil 
es von vornherein klar ist, daß, wenn man über eine 
von den Sozialdemokraten auch anerkannte nützliche 
Einrichtung in einem Ausschuß sprechen will, man 
versuchen wird, dieser nützlichen Einrichtung zum 
mindesten bestimmte Schranken aufzuerlegen. Wir 
haben aber absolut kein Interesse daran, dieser Ein 
richtung irgend welche Schwierigkeiten zu bereiten 
oder dieser Einrichtung irgend welche Schranken auf 
zuerlegen. t 
Warum sind die städtischen Beamten und Ange 
stellten dazu gekommen, eine derartige Einrichtung zu 
treffen? — Damit sie in der Lage sind, sich einiger 
maßen anständig zu kleiden und um die andern not 
wendigen Dinge, die der Mensch zum täglichen Leben 
braucht, anzuschaffen. 
(Zuruf des Stadtv. Linke.) 
Jawohl, Herr Linke, 
(Lachen) 
nur mit dem Unterschied, daß gerade Sie dafür ge 
sorgt haben, daß die Beamten und Angestellten so 
ein miserables Gehalt bekommen, daß sie das Not 
wendige nicht anschaffen können. 
(Bravorufe von der Tribüne.) 
Die Deutschnationale Fraktion ist hier eigentlich 
in einer Zwickmühle, sicher in einer Zwickmühle inso 
fern, als ihr politischer Vertreter, der Herr Stadtrat 
Wege, infolge seines Pflichtbewußtseins und seiner Ob 
jektivität anerkennen muß, daß diese Einkaufs-G. m. 
b. H. eine sehr nützliche Einrichtung ist. Die Deutsch 
nationalen aber sind infolge ihrer Parteipolitik, die 
jetzt nach allen Richtungen hin Konzessionen machen 
soll, weil sie ja glauben, die tonangebende Partei zu 
sein, in eine schwierige Situation geraten. 
(Sehr wahr!) 
Nicht nur alleine das, meine Damen und Herren von 
der rechten Seite, Sie wollen auf der einen Seite die 
Interessenvertreter des Beamtentums sein und ver 
suchen bei jeder Gelegenheit, die Beamten zu pous 
sieren, 
(Stadtv. Dr. Weyl: Es poussieren auch andere 
Leute!) 
und auf der anderen Seite müssen Sie auch dem 
sogenannten kleinen Mittelstand, den Herr Müller- 
Franken hier im Hause vertritt, Konzessionen machen. 
Deshalb kommen Sie in. eine derartige Zwickmühle 
und stellen Anträge, um auch dort sich einigermaßen 
lieb Kind zu machen. 
Aber eine derartige Politik machen mir nicht mit 
und stimmen dagegen, daß diese Angelegenheit in 
einem Ausschuß beraten werden soll. 
Noch ein paar Worte zu den Ausführungen 
meines Vorredners: 
Ich habe mich gefreut, daß die Sozialdemokraten 
heute von der Tribüne dieses Hauses gegen die rechte 
Seite dieses Hauses Vorwürfe erheben, daß die rechte 
Seite die Absicht gehabt hätte, alle .Kommunalein 
richtungen zu beseitigen. Nun, meine Herren von den 
Sozialdemokraten, ich bitte Sie, schlagen Sie sich doch 
an die Brust, Sie sind es doch gewesen, die städtische 
Einrichtungen, Häfen und sonstige Dinge für ein 
Bettelgeld an das Privatkapital verschoben haben. 
(Lebhafter Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) 
Man soll doch hier nicht eine geheuchelte Entrüstung 
spielen und nun mit einmal sagen, daß nur die Rechte 
in diesem Hause schuld daran ist, daß man Kommu 
naleinrichtungen einfach beseitigt und dem Privat 
kapital in die Hände gegeben hat. 
Noch ein paar Worte zu derartigen Einrichtungen 
im allgemeinen: 
Meine Freunde wünschen — und wir treten über 
all dort dafür ein, wo wir die Möglichkeit haben —, 
daß vielmehr derartige Einrichtungen geschaffen wer 
den, nicht nur in diesem kleinen Rahmen. Nein, mir 
wünschen, daß in einem viel größeren konzentrierten 
Rahmen die Möglichkeit der Warenbesorgung und der 
Warenbeschaffung, wie auch der Warenverteilung 
geschaffen wird, um all diesen Wucher, diesen 
Januar 1925. 
Zwischenhandel zwischen Erzeuger und Verbraucher, 
um all das, was sich zwischen Erzeuger und Ver 
braucher herumtreibt, zu beseitigen. 
(Zuruf: Den Mittelstand!) 
Ach, Mittelstand. Ich will Ihnen eins sagen: Ich habe 
einige Wochen Gelegenheit gehabt — ich bitte Sie aber 
vorher, daß Sie nicht wild werden —, an Ort und 
Stelle die Verteilung der Produktion an die arbei 
tende Bevölkerung zu beobachten. 
(Zuruf: In Rußland!) 
Jawohl, in Rußland, Sie haben das Richtige geraten. 
Der Papagei der Deutfchnationalen meldet sich zur 
rechten Zeit und gibt das Stichwort. 
(Vorst. Haß: Herr Kollege Gäbel, ich rufe Sie für 
diese Aeußerung zur Ordnung!) 
Für was denn? 
(Vorst. Haß: Daß Sie einem Mitglied des Hauses 
Papagei vorwerfen!) 
(Heiterkeit.) , 
Aber ich möchte doch bitten, ich habe damit gesagt, 
daß mir ein Teil der Mitglieder zur rechten Zeit 
papageiartig mein Stichmort geben. Ich weiß nun 
nicht, ob das eine Beleidigung sein soll. Ich glaube, 
wir kommen viel besser weg, wenn der Herr Vorsteher 
nicht so nervös ist und die Dinge ruhig so laufen läßt. 
Also, ich will sagen, ich habe an Ort und Stelle 
wahrgenommen, wie die Arbeiter in ihren Korpora 
tiven dazu übergehen, diese Warenverteilung vorzu 
nehmen, und ich kann Ihnen nur sagen, ich habe den 
lebhaftesten und dringendsten Wunsch, daß wir recht 
schnell in Deutschland die Möglichkeit hätten, derartige 
Einrichtungen für das arbeitende Volk zu schaffen.' 
(Stadtv. Drs Caspari: Dann würden sie auch 
verhungern!) 
Herr Dr. Caspari, Sie allerdings bei Ihren Quali 
täten und Ihrer Profession mühten in Rußland ver 
hungern, weil dort vielleicht keine Möglichkeit für ihre 
Tätigkeit wäre. 
(Schallende Heiterkeit.) 
In Rußland braucht man keine Kammergerichtsräte, 
da üben die Arbeiter selbst die Justiz aus. 
(Große Heiterkeit.) 
Sie hätten dort absolut keine Beschäftigungsmöglich 
keit. 
(Zuruf links.) 
Erlauben Sie, wir brauchen uns ja darüber nicht zu 
unterhalten, wer pensioniert ist und nicht pensioniert 
ist. Es gibt eine Reihe von Herrschaften, die nur auf 
diese Pension reisen, von dieser Republik die Pension 
nehmen und mit dieser Pension die Republik be 
kämpfen. Aber das ist ein anderes Kapitel, mir 
können uns gelegentlich darüber unterhalten. 
(Stadtv. Müller-Franken: Gelegentlich?) 
Gelegentlich, jawohl! 
(Heiterkeit!) 
Ich bin absolut nicht verlegen, wenn Sie wünschen, 
dann wollen wir gleich in die Materie hineinsteigen. 
(Stadtv. Dr. Weyl: Na, dann los. Herr Gäbel 
als Verteidiger der Republik!) 
(Andauernde große Heiterkeit.) 
Herr Dr. Weyl, wenn es darauf ankommt, die Staats- 
form als solche zu verteidigen im Gegensatz zur Mo 
narchie, dann werden Sie uns immer auf der 
richtigen Seite finden. 
Wir find allerdings nicht in einer solch fatalen 
Verlegenheit wie Sie, diese Republik, die ja Ihre 
Republik ist, nicht unsere, die Republik der Schieber, 
der Wucherer, die Republik der Korruptionen und wie 
dieser ganze Sumpf Ihrer demokratischen Republik 
lautet, über den grünen Klee zu loben. 
(Unterbrechung durch Zurufe.) 
Jawohl, Ihre Parteigenossen, die in jenem Barmat 
konzern sich so recht schön satt gegessen haben. 
Aber ich wiederhole, wenn es darauf ankommt, 
die Staatsform der Republik gegenüber der Monarchie
	        
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