40 Sitzung am 22.
Sfabfo. Gäbet: Meine Freunde werden gegen den
Antrag stimmen, diese Angelegenheit einem Aus
schuß zu überweisen, und zwar aus dem Grunde, weil
es von vornherein klar ist, daß, wenn man über eine
von den Sozialdemokraten auch anerkannte nützliche
Einrichtung in einem Ausschuß sprechen will, man
versuchen wird, dieser nützlichen Einrichtung zum
mindesten bestimmte Schranken aufzuerlegen. Wir
haben aber absolut kein Interesse daran, dieser Ein
richtung irgend welche Schwierigkeiten zu bereiten
oder dieser Einrichtung irgend welche Schranken auf
zuerlegen. t
Warum sind die städtischen Beamten und Ange
stellten dazu gekommen, eine derartige Einrichtung zu
treffen? — Damit sie in der Lage sind, sich einiger
maßen anständig zu kleiden und um die andern not
wendigen Dinge, die der Mensch zum täglichen Leben
braucht, anzuschaffen.
(Zuruf des Stadtv. Linke.)
Jawohl, Herr Linke,
(Lachen)
nur mit dem Unterschied, daß gerade Sie dafür ge
sorgt haben, daß die Beamten und Angestellten so
ein miserables Gehalt bekommen, daß sie das Not
wendige nicht anschaffen können.
(Bravorufe von der Tribüne.)
Die Deutschnationale Fraktion ist hier eigentlich
in einer Zwickmühle, sicher in einer Zwickmühle inso
fern, als ihr politischer Vertreter, der Herr Stadtrat
Wege, infolge seines Pflichtbewußtseins und seiner Ob
jektivität anerkennen muß, daß diese Einkaufs-G. m.
b. H. eine sehr nützliche Einrichtung ist. Die Deutsch
nationalen aber sind infolge ihrer Parteipolitik, die
jetzt nach allen Richtungen hin Konzessionen machen
soll, weil sie ja glauben, die tonangebende Partei zu
sein, in eine schwierige Situation geraten.
(Sehr wahr!)
Nicht nur alleine das, meine Damen und Herren von
der rechten Seite, Sie wollen auf der einen Seite die
Interessenvertreter des Beamtentums sein und ver
suchen bei jeder Gelegenheit, die Beamten zu pous
sieren,
(Stadtv. Dr. Weyl: Es poussieren auch andere
Leute!)
und auf der anderen Seite müssen Sie auch dem
sogenannten kleinen Mittelstand, den Herr Müller-
Franken hier im Hause vertritt, Konzessionen machen.
Deshalb kommen Sie in. eine derartige Zwickmühle
und stellen Anträge, um auch dort sich einigermaßen
lieb Kind zu machen.
Aber eine derartige Politik machen mir nicht mit
und stimmen dagegen, daß diese Angelegenheit in
einem Ausschuß beraten werden soll.
Noch ein paar Worte zu den Ausführungen
meines Vorredners:
Ich habe mich gefreut, daß die Sozialdemokraten
heute von der Tribüne dieses Hauses gegen die rechte
Seite dieses Hauses Vorwürfe erheben, daß die rechte
Seite die Absicht gehabt hätte, alle .Kommunalein
richtungen zu beseitigen. Nun, meine Herren von den
Sozialdemokraten, ich bitte Sie, schlagen Sie sich doch
an die Brust, Sie sind es doch gewesen, die städtische
Einrichtungen, Häfen und sonstige Dinge für ein
Bettelgeld an das Privatkapital verschoben haben.
(Lebhafter Widerspruch bei den Sozialdemokraten.)
Man soll doch hier nicht eine geheuchelte Entrüstung
spielen und nun mit einmal sagen, daß nur die Rechte
in diesem Hause schuld daran ist, daß man Kommu
naleinrichtungen einfach beseitigt und dem Privat
kapital in die Hände gegeben hat.
Noch ein paar Worte zu derartigen Einrichtungen
im allgemeinen:
Meine Freunde wünschen — und wir treten über
all dort dafür ein, wo wir die Möglichkeit haben —,
daß vielmehr derartige Einrichtungen geschaffen wer
den, nicht nur in diesem kleinen Rahmen. Nein, mir
wünschen, daß in einem viel größeren konzentrierten
Rahmen die Möglichkeit der Warenbesorgung und der
Warenbeschaffung, wie auch der Warenverteilung
geschaffen wird, um all diesen Wucher, diesen
Januar 1925.
Zwischenhandel zwischen Erzeuger und Verbraucher,
um all das, was sich zwischen Erzeuger und Ver
braucher herumtreibt, zu beseitigen.
(Zuruf: Den Mittelstand!)
Ach, Mittelstand. Ich will Ihnen eins sagen: Ich habe
einige Wochen Gelegenheit gehabt — ich bitte Sie aber
vorher, daß Sie nicht wild werden —, an Ort und
Stelle die Verteilung der Produktion an die arbei
tende Bevölkerung zu beobachten.
(Zuruf: In Rußland!)
Jawohl, in Rußland, Sie haben das Richtige geraten.
Der Papagei der Deutfchnationalen meldet sich zur
rechten Zeit und gibt das Stichwort.
(Vorst. Haß: Herr Kollege Gäbel, ich rufe Sie für
diese Aeußerung zur Ordnung!)
Für was denn?
(Vorst. Haß: Daß Sie einem Mitglied des Hauses
Papagei vorwerfen!)
(Heiterkeit.) ,
Aber ich möchte doch bitten, ich habe damit gesagt,
daß mir ein Teil der Mitglieder zur rechten Zeit
papageiartig mein Stichmort geben. Ich weiß nun
nicht, ob das eine Beleidigung sein soll. Ich glaube,
wir kommen viel besser weg, wenn der Herr Vorsteher
nicht so nervös ist und die Dinge ruhig so laufen läßt.
Also, ich will sagen, ich habe an Ort und Stelle
wahrgenommen, wie die Arbeiter in ihren Korpora
tiven dazu übergehen, diese Warenverteilung vorzu
nehmen, und ich kann Ihnen nur sagen, ich habe den
lebhaftesten und dringendsten Wunsch, daß wir recht
schnell in Deutschland die Möglichkeit hätten, derartige
Einrichtungen für das arbeitende Volk zu schaffen.'
(Stadtv. Drs Caspari: Dann würden sie auch
verhungern!)
Herr Dr. Caspari, Sie allerdings bei Ihren Quali
täten und Ihrer Profession mühten in Rußland ver
hungern, weil dort vielleicht keine Möglichkeit für ihre
Tätigkeit wäre.
(Schallende Heiterkeit.)
In Rußland braucht man keine Kammergerichtsräte,
da üben die Arbeiter selbst die Justiz aus.
(Große Heiterkeit.)
Sie hätten dort absolut keine Beschäftigungsmöglich
keit.
(Zuruf links.)
Erlauben Sie, wir brauchen uns ja darüber nicht zu
unterhalten, wer pensioniert ist und nicht pensioniert
ist. Es gibt eine Reihe von Herrschaften, die nur auf
diese Pension reisen, von dieser Republik die Pension
nehmen und mit dieser Pension die Republik be
kämpfen. Aber das ist ein anderes Kapitel, mir
können uns gelegentlich darüber unterhalten.
(Stadtv. Müller-Franken: Gelegentlich?)
Gelegentlich, jawohl!
(Heiterkeit!)
Ich bin absolut nicht verlegen, wenn Sie wünschen,
dann wollen wir gleich in die Materie hineinsteigen.
(Stadtv. Dr. Weyl: Na, dann los. Herr Gäbel
als Verteidiger der Republik!)
(Andauernde große Heiterkeit.)
Herr Dr. Weyl, wenn es darauf ankommt, die Staats-
form als solche zu verteidigen im Gegensatz zur Mo
narchie, dann werden Sie uns immer auf der
richtigen Seite finden.
Wir find allerdings nicht in einer solch fatalen
Verlegenheit wie Sie, diese Republik, die ja Ihre
Republik ist, nicht unsere, die Republik der Schieber,
der Wucherer, die Republik der Korruptionen und wie
dieser ganze Sumpf Ihrer demokratischen Republik
lautet, über den grünen Klee zu loben.
(Unterbrechung durch Zurufe.)
Jawohl, Ihre Parteigenossen, die in jenem Barmat
konzern sich so recht schön satt gegessen haben.
Aber ich wiederhole, wenn es darauf ankommt,
die Staatsform der Republik gegenüber der Monarchie