Sitzung am 18. Juni 1925. 503
Darüber wird die Arbeiterschaft urteilen, und sie wird
urteilen angesichts der Tatsache,
(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Hat sie schon!)
daß Sie schon bereit sind, nicht nur nicht in die Ber
liner Kommune, sondern auch an anderer Stelle keine
wirklichen Arbeitervertreter hineinzusetzen. Ich er
innere an Wilhelmsburg bei Hamburg, >vo Sie mit den
Deutschnationalen einen dentschnationalen Bürgermeister
gewählt haben, trotzdem Sie mit den Kommunisten die
Mehrheit hatten.
(Zurufe bei den Sozialdemokraten.)
Jawohl, so steht die Frage.
(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Panlscn!)
Wer der offene Vertreter der werktätigen Masse ist,
(Zuruf bei beit Sozialdemokraten: Bürgermeister
Schottz, Ihr Kandidat!)
wird sich bald zeigen. Es wird Ihnen fernerhin nicht
mehr gelingen, die Berliner Arbeiterschaft zu täuschen
und sie mit der Stadtverordnetenwahl hinzuhalten. Sie
haben ant heutigen Abend bei diversen Gelegenheiten
Veranlassung gegeben, daß es uns sehr lieb fein würde,
wenn die Stadtvervrdnetenwahlen sehr schnell eintreten
würden.
(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Uns auch!)
Die Arbeiterschaft von Eöpenick und Friedrichshagen
dürften Ihnen angesichts Ihres heutigen Verhaltens
diese Dinge sehr schwer versalzen.
Vorst. Haß: Ich gebe nun das Resultat des zweiten
Wahlganges bekannt.
Es sind 181 Stiminzettel eingekommen. Davon
waren unbeschrieben 5, ungültig feine. Es sind sonach
176 gültige Stimmen abgegeben. Die absolute Mehr
heit beträgt somit 89.
Stimmen haben erhalten:
Frau Wachenheim 67,
Frau Kausler 51,
Herr Moser 40,
Frau Arendsee 18.
Nach § 5 der Geschäftsordnung muß jetzt eine Stich
wahl zwischen Frau Wochenheim und Frau Kausler
stattfinden.
(Zuruf links: Damenwahl!) (Große Heiterkeit.)
' Meine Damen und Herren! Ich schlage Ihnen
nun vor, bevor wir die Geschäftsordnungsdebatte fort
setzen, die Wahl vorzunehmen.
(Stadtb. Dörr: Ich bitte zur Wahl ums Wort!)
Ich muß mindestens das Einverständnis haben, denn zur
Geschäftsordnung hat nach der jetzigen Geschäftsordnung
jederzeit das Mitglied das Wort zu bekommen.
(Stadtv. Dörr: Ich bitte ums Wort zu der Wahl!)
Wir können nur die Geschäftsordnnugsdebatte unter
brechen, wenn kein Widerspruch dagegen erhoben wird.
(Widerspruch.)
Sie widersprechen, dann hat zur Geschäftsordnung Herr
Rintorf das Wort.
Stadtv. Rintorf (zur Geschäftsordnung): Meine
Tarnen und Herren! Nach meiner Auffassung müssen
wir in der jetzigen Situation die Zurückverweisnng
dieser Wahl an den Ausschuß, der sich mit dieser Wahl
beschäftigt hat, erneut hineinbringen.
Ich kann aber als Zeuge des gestrigen Vorganges
in dem Ausschuß doch mitteilen, daß über die Art und
Weise, ivie sich die Tinge heute abspielen, ein Mann,
der Jahrzehnte der Sozialdemokratie gedient hat und
innerhalb der Sozialdemokratie mit den Sozialdemokraten
für das allgemeine, gleiche, direkte und Proportionelle
Wahlsystem gekämpft hat, erstaunt sein muß, über das,
was sich heute abgespielt hat.
Meine Damen und Herren! Als gestern der Eindruck
gewonnen war, daß die Wahl zugunsten der Frau
Arendsee glatt von statten gehen wird, war auch ich dieser
Auffassung und teilte diese Auffassung meinem Freunde
Dörr mit. Der erklärte mir aber .gleich: Hermann,
du kennst diese Geister nicht!
(Zuruf: Max hat recht!)
Ich muß jetzt sagen: Max hat recht gehabt!
(Heiterkeit.)
Meine Damen und Herren, das eine kann ich Ihnen
sagen; diese Vorgänge werden in der Geschichte der
sozialdemokratischen Arbeiter noch eine Rolle spielen, die
ihnen Bedenken geben wird, ferner innerhalb der Sozial
demokratie mitzuarbeiten.
Stadtv. Frau Rosenthal (zur Geschäftsordnung):
Bei dieser Komödie, die heute hier stattgefunden hat,
interessiert mich als Mitglied dieses Hauses nur das
eine, und das möchte ich hier an dieser Stelle ganz be
sonders hervorheben: Sie alle von den Deutschnationalen
bis zu den Demokraten haben bei den ersten Vor
schlägen der Kommunistischen Partei versucht, meine
Person in Frage zu ziehen. Sie stellten sich als Politiker
so kläglich hin, sich herausnehmen zu wollen, man könne
einer politischen Fraktion vorschlagen, wen sie in
irgendeinen Sitz, der ihr zusteht, nominieren könnte,
und Sie haben gesagt — ich glaube, es wurde sogar
wörtlich von einem Vertreter des Zentrums ausge
sprochen —: „Das Format gefällt uns nicht"!
(Zuruf: Aber, Frau Rosenthal!)
Es ist bezeichnend für das Niveau der Berliner
Stadtverordnetenversammlung, daß sie nicht nach poli
tischen Gesichtspunkten, sondern nach persönlichen Ge
sichtspunkten urteilt. Wir waren uns in unserer Frak
tion sofort einig, daß auch diese Ihre Ausrede nur eine
Finte war. Sie suchten irgendeinen neuen Weg, eine
neue Form, um den Kommunisten dennoch ihren Sitz
streitig zu machen. Aus diesem Grunde haben auch wir
einen anderen Vorschlag gebracht.
(Zuruf: Ein anderes Format!)
Jawohl, ein anderes Format. Das Format war sogar
so, daß Sie es nicht wagten, im Ausschuß zu wider
sprechen. Ich muß hier noch einmal feststellen, die So
zialdemokraten waren zu feige, im Ausschuß zu erklären:
Nein, den Kommunisten geben wir den Platz nicht!
(Vorst. Haß: Frau Rosenthal )
Sie haben hier ein Theater aufgezogen,
(Wiederholtes Glockenzeichen.)
(Vorst. Haß: Ich habe Ihnen schon früher ein
mal gesagt: ich bitte zu schweigen, wenn ich die
Glocke schwinge. Ich muß Sie bitten, einen par
lamentarischen Ausdruck zu wählen, dieser Aus
druck war nicht parlamentarisch. Ich rufe Sie für
diesen Ausdruck zur Ordnung!)
Jedenfalls ist es mir unmöglich, für „Feigheit"
einen anderen parlamentarischen Ausdruck zn finden,
wenn er in Ihrem Lexikon vorhanden ist, dann bitte,
geben Sie ihn mir!
Jedenfalls möchte ich hier feststellen, daß unsere
Vermutung wieder einmal die richtige war, daß es uns
durch Ihre plumpe Art im Ausschuß sehr sein ge
lungen ist, den Arbeitern außerhalb dieses Hauses zu
zeigen, daß Sie bis zur letzten Konsequenz die Kom
munisten aus dem Magistrat verdrängen wollen. Das
ist uns ja auch ganz klar. Sie haben gar kein Interesse
daran, in diese Dunkelkammer jemand hinein zu be
kommen, der nicht in einer Koalition mit den Deutsch
nationalen durch Dick und Dünn geht, sondern der ein
Verantwortungsgefühl gegenüber den Massen der Ar
beiterschaft hat, die ihn in dieses Parlament hineinge
schickt hat.
(Zuruf: Sie haben doch den Bürgermeister Schultz
drin!)
Aus diesem Grunde habe ich hier ganz besonders fest
zustellen, daß in dem Ausschuß die Kommunistische
Fraktion Ihnen einen Kandidaten vorgeschlagen hat,
der kommnnalpolitisch und sozialpolitisch durch seine
jahrelangen Erfahrungen wohl geeignet war, in diesem
Magistrat mitzuarbeiten. Einen Kandidaten, der durch
seine Tätigkeit im Reichstag beweist, daß er fähig ist,
auch im Berliner Magistrat zu arbeiten. Auch diesen
Kandidaten haben Sie nicht anerkannt, sondern haben
in Ihrer feigen hinterhältigen Art heute hier einen
anderen Vorschlag gebracht, um die Kommunisten zu
beseitigen.