Sitzung am 10. Mai 1925. 449
glaube, bafi gerade bei der Deutschen Volkspartei ganz
ausgesprochene Jnteressenvertreter vorhanden sind, die
sich bemühen werden, in diesem Geiste die Gesetzgebung
zu beeinflussen. Es ist deshalb, glaube ich, doch zweck
mäßig, daß die Berliner Stadtverordnetenversamm
lung, deren Interessen ganz wesentlich betroffen wer
den, wenn der Gesetzentwurf etwa in dem altert Sinne
Gesetz werden sollte, gegen diese Pläne Stellung nimmt.
Es ist eigentlich schade, daß mau dieses sehr eingehende
und lange Dokument,' das die Begründung des ur
sprünglichen Gesetzes darstellt, nicht vollkommen im
Wortlaut vorlesen kann. Ich habe selten ein Dokument
gesehen, in dem der Geist der nackten großkapitalistischen
Interessenvertretung ganz bestimmter Gruppen — gar
nicht einmal etwa in dein allgemeinen Sinne kapitali
stisch aufgefaßt, sondern ganz b e st i m m t e r Gruppen
— so kraß ausgesprochen zum Ausdruck kommt, wie in
diesem Gesetzentwurf.
Meine Damen und Herren! Die Versuche, die Be
triebe der Gemeinden, auch der Länder, in erster Linie
aber die Betriebe der Genieinden der allgemeinen
Steuerbelastung zu unterziehen, was de facto bedeuten
würde, sie viel mehr zu b e st e u e r n als die ent
sprechenden Betriebe in der Privatwirtschaft —, daß
das durch die steuerlichen Verhältnisse, die Veranla
gungen und die Genauigkeit der Steuerzahlungen eine
sehr viel höhere Belastung bedeuten würde, das wissen
Sie, Herr von Eynern, als Verwaltungsmanu doch
sehr viel besser als ich —, alle diese Versuche sind seit
langer Zeit gemacht worden.
Wir haben in den Beratungen auch hier an dieser
Stelle immer wieder gesagt, daß hinter diesen Ver
suchen, die Betriebe der Gemeinden auch steuerlich
schwerer zu belasten, keineswegs etwa nur rein fis
kalische Gesichtspunkte stehen, sondern daß darüber
hinaus sehr stark das Bestreben vorhanden ist, diese
Betriebe den Gemeinden überhaupt zu nehmen und sie
in die Hand des Privatkapitals zu geben. Als wir
diese Behauptung früher aufgestellt haben, haben wir
bei der Frage der Berliner Werke sehr häufig auch hier
darüber debattiert. Von großen Kennern der Wirt
schaft — Herrn Kollegen M üller-Franken sehe
ich leider nicht hier, das ist ja eigentlich der Mann, der
allein in diesem Hanse etwas von Wirtschaft versteht
— ist uns immer wieder gesagt worden, davon sei gar
keine Rede, es handele sich nur darum, steuerliche Ge
rechtigkeit herbeizuführen. Die steuerliche Gerechtigkeit
sei notwendig, denn auch der kleine Mann, der Privat
mann, müsse seine Steuern zahlen. Tie Begründung
des Gesetzentwurfs beweist, daß hinter diesen mir so
plausibel klingenden zur Begründung vorgetragenen
Argumenten ganz andere A b s i ch te n stecken. Die
Begründung des Gesetzentwurfs sagt ganz ausdrücklich,
daß auf dem Wege einer energischen Besteuerung der
Gemeindebetriebe dem Privatkapital der Weg geöffnet
werden soll.
(Hört hört!)
Es heißt in der Begründung — wenn Sie gestatten,
daß ich sch verlese —:
„Die Steuerbefreiung der öffentlichen Betriebe
stellt Hindernisse für das Eingehen gemischtwirt
schaftlicher Unternehmungsformen dar, denn die
öffentlichen Betriebe werden der Verbindung mit dem
privaten Kapital solange ausweichen, als sie mit dieser
Vcrbindung Steuerlasten übernehmen, die sie sonst
nicht zu tragen brauchen.
(Hört, hört!)
Das Privatkapital wird also verhindert, in öffent
liche Betriebe einzuströmen und an ihrem Ausbau
zu größerer Produktivität mitzuwirken — lies: ein
größerer Ertrag für die beteiligten Privatinteressen
ten —. Die Lage der deutschen Wirtschaft verlangt
usw. usw."
Run kommen die üblichen Redensarten: Es ist ja jeder
für Steigerung der Produktion, die Kommunisten ge
nau so gut wie die Deutschnationalen. Diese Allgemein-
Plätze kann ich mir ja ersparen.
Meine Damen und Herren! Diese Argumentation
ist sachlich in jeder Beziehung -vollkommen abwegig.
Es ist nicht so, daß bei den Betrieben, die für die Be
steuerung besonders ausersehen sind: Gas w e r k e,
Elektrizitätswerke, S t r a ß c n b a hu, Ver -
f e h rsuute r n c h m unge n etc. überhaupt eine
Konkurrecnz privater Betriebe mit öffentlich-rechtlichen
Gemeindebetrieben ernsthaft in Frage käme. Wenn Sie
sich die Statistik dieser Betriebe ansehen, dann werden
Sie sehen, daß in den einzelnen Landesteilen, in Sach -
s e n z. B. von den Gaswerken 98% in der Hand der
Gemeinden und des Landes sind. Von den Elektrizitäts-
tätsbetrieben sind es über 80%, die öffentlich-rechtlicher
Ratur sind. Von den Verkehrsunternehmungen sind
es beinahe 90%, die von den Gemeinden betrieben wer
den. Es handelt sich also keineswegs darum, diese Be
triebe gleichzustellen gegenüber etwa mit ihnen konkur
rierenden Privatbetrieben, sondern es handelt sich dar
um, diese Unternehmungen, die auf Grund bestimmter
Steuer-Privilegien aufgebaut, organisiert, groß geworden
und natürlich in ihrer ganzen Wirtschaft darauf ein
gestellt sind, außerordentlich stark zu belasten und da
durch eine ganze Reihe Zwecke zu erreichen. Zunächst
eine s e h r' st a r k e Belastung des allgemei
nen K o n s u m s und derjenigen Schichten, die über
haupt nach dem Schlieben'schen Gesetzentwurf mehr
herangezogen werden sollen. Es spielt eine sehr große
Rolle, ob z. B., wenn wir Berlin nehmen, bei einem
Umsatz von mehreren hundert Millionen, Umsatzsteuer,
Gewerbesteuer, Einkommensteuer, Kapitalsteuer, Ver
mögenssteuer und alle diese Steuern von diesen Be
trieben gezahlt werden sollen. Das würde bei unsern
Berliner großen werbenden Unternehmungen Beträge
ausmachen, die in die vielen Millionen hineingehen
würden. Es sollen also auf diese Weise für den Fiskus
Beträge erhoben werden, die nicht von dem Besitz, son
dern von dem Kons um der breiten Massen
bezahlt werden. Dies außerdem in einer Zeit allge
meiner Geldknappheit, die diese Betriebe naturgemäß
nicht infolge ihres Verschuldens, sondern infolge ihres
Charakters anders trifft als die privaten Betriebe, da
sie ja in ihrer ganzen Finanzwirtschaft ganz anderen
Fesseln unterlagen, ganz besonders während des Krieges
und auch in der Inflationszeit ganz anderen Raubbau
treiben mußten und nicht diese Bewegungsfreiheit
hatten, auch in ihren Preisen, Tarifen und sonstigen
Gcschäftsgebahrungcn, wie sie das Privatkapital hatte.
Diese Betriebe, die sowieso in einer schwierigen Situa
tion sind, die besonders viel nachzuholen haben, sollen
nun besonders festandieKandaregenommen
werden. Es soll auf diese Weise den Bestrebungen, die
etwa, wenn es eine Großstadt ist — um hier einzelne
Unternehmungen zu nennen, etwa bei dem Herrn Ge
neraldirektor der D e s s a u e r G a s g e s e l l s ch a s t
oder bei dem Generaldirektor der Thüringer Gas -
g e s e l l s ch a f t oder bei anderen Unternehmungen
— sehr ausgedehnt sind, die wir in ihren Einzelheiten
sehr genau kennen, diesen Bestrebungen auf Einfluß
in den Betrieben der Gemeinden mit allen Mitteln
Vorschub geleistet werden. Wenn uns hier früher ent
gegengehalten worden ist, es soll nur eine steuerliche
Gerechtigkeit, es soll nur eine Gleichstellung sein, es
sollen keine Steuer-Privilegien für die Gemeinde sein,
so muß doch gesagt werden, daß die Be
gründung durchaus das Gegenteil beweist. Selbstver
ständlich wird kein Mensch etwas dagegen haben, wenn
irgendeine Gemeinde eine Schlächterei, einen Schlächter
laden betreibt und dieser Schlächterladen verkauft an
Hinz und Kunz und nicht nur an die städtischen Kran
kenhäuser, daß dieser Schlächterladen zu den gleichen
steuerlichen Lasten herangezogen wird wie der Schläch
terladen von Hinz und Kunz, der ebenfalls verkauft.
Dagegen wird sich kein Mensch auf die Dauer wenden,
das ist an sich ein Gesichtspunkt, über den man
durchaus mit sich reden lassen kaun, über den man auch
durchaus mit sich reden lassen will, wenn er korrekt und
sorgfältig durchgearbeitet wird. Etwas ganz anderes
aber ist es, wenn man sich auf den Standpunkt stellt,
daß diese großen Nute r n e h m u n g e n, lvie unsere
Gaswerke, wie unsere Elektrizitätswerke, wie unsere
Wasserwerke, die Straßenbahn, die infolge der geschicht
lichen Entwicklung zu 90% öffentlich-rechtliche Betriebe
geworden sind und die jetzt gewissermaßen eine gemeind
liche Allmende darstellen, daß diese Betriebe der steuer
lichen Belastung unterworfen werden sollen. Gegen diese
Bestrebungen müssen wir uns mit allen Mitteln wen-