Sitzung am 7
leben doch letzten Endes born Verdienst, wie jeder Arbeit
nehmer oder jeder andere Mensch. Jedenfalls heißt das
Submittieren dieser Zuschläge folgendes:
Erstens auf den „Tariflohn"! Meine Herren bon
der linken Seite, was heißt Tariflohn? Sie wissen
es ja doch alle, daß für die Tariflöhne die Arbeiter
heute nicht mehr arbeiten, wenn einigermaßen nor
male Beschäftigung ist. Wenn einigermaßen zu tun
ist, so gibt es eben keine Arbeiter für Tariflöhne, son
dern es sind dann, weil eben in den Tarifen keine
Spitzenlöhne im Tarif festgesetzt sind und auch nicht
festgesetzt werden können, nur sogenannte „Qualitäts
arbeiter", die alle mehr berdienen oder mehr berdienen
wollen. Folglich würde schon bon diesem Gesichts
punkte ans betrachtet das Submittieren dieser Zu
schläge den unbedingten Ruin des betreffenden Unter
nehmers bedeuten, denn er kann nie wissen, was er
im gegebenen Augenblick für den betreffenden Arbeit
nehmer ausgeben muß. Es bedeutet aber auch noch,
wenn die Linke des Hauses, die ein großes Interesse dar
an hat, hier nicht eingreift, daß die Stadt die Qualität
der Arbeiter nicht mehr anerkennt, daß sie die Leistung
nicht mehr richtig bewertet, sondern sie will, daß die
Arbeiter nach .einem Schema bezahlt und behandelt
werden. Denn wenn ich einen Qualitätsarbeiter dem
Magistrat für irgendeine Arbeit zur Verfügung stelle,
so arbeitet er naturgemäß nicht für den Tariflohn
und er muß einen höheren Lohn erhalten. Folglich
darf der Lohn nicht auf den Tariflohn normiert wer
den, sondern er muß auf den tatsächlichenLohn
normiert werden.
Betrachten wir nun die wirtschaftliche Lage, wie
sie allgemein ist, und betrachten wir im besonderen,
wie der Handwerker und Gewerbetreibende, der so
zwischen Baum rntb Borke sitzt, durch ein solches Ver
fahren quasi an der Wurzel seiner Existenz bedroht
wird, so ergibt sich folgendes:
Einerseits bei einigermaßen Beschäftigung der
ganz selbstverständliche Trieb, der Drang und das Be
streben der Arbeitnehmer, die Tariflöhne auch inner
halb eines Tarifvertrages innerhalb kurzer Inter
vallen möglichst hoch zu treiben, andererseits die ab
solute feste Norm, nach welcher der Zuschlag über
nommen worden ist. Es kann also vorkommen, daß
eine Arbeit, die der Betreffende auszuführen hat, mit
einem Tariflohn von solch niedriger Höhe kalkuliert
ist, daß sie mit einem Tariflohn von 25 bis 30 Proz.
höher ausgeführt werden muß. Wer trägt das Risiko?
Der Handwerker und der Unternehmer! Er muß
eben arbeiten, er muß seiner Verbindlichkeit nachkom
men, er m u ß letzten Endes Arbeit annehmen. Und
wer ist derjenige, der ihn in seiner Existenz so stark
bedroht und schädigt? Das wäre in diesem Falle die
Stadt Berlin, wenn ich auch nicht annehme, daß sie
es immer sein wird. Es ist einmal 2 bis 3 Jahre
vor dem Kriege bei einer großen Tagung ans einem
Handwerker-Kongreß von einem namhaften Vertreter
des Handwerks in Gegenwart der Regierungvertreter
gesagt worden, daß durch das unerhörte Verfahren beim
Submissionswesen die gewerblichen Kreise ausgepowert
würden. Das hat damals eine kolossale Erregung bei
der Regierung gegeben. Die Betreffenden haben sich
beleidigt gefühlt, die Regierungsvertreter sind heraus
gelaufen, an der Wahrheit dieser Behauptung aber
konnte Ulan nichts ändern.
Wenn die Stadt Berlin wirklich dazu übergehen
sollte, in dieser Form die Zuschläge zu verdingen —
wir glauben es noch nicht —, so müßten Handwerk
und Gewerbe und die sämtlichen Unternehmer zu Maß
nahmen schreiten, von denen wir hoffen wollen, daß
wir sie verhüten können.
Ich will mich nicht zu lange ausdehnen zu dem,
was hinsichtlich der Verfügung festgestellt ist. Nun
zu dem, was verhandelt worden ist: Es ist
richtig, daß kaufmännische Handwerks- und wirt
schaftliche Vereinigungen von dem Bestreben des
Magistrats, in dieser Form in Zukunft zu submittie
ren, Kenntnis erhalten haben. Sie haben es — ich
war auch mit dabei — für ratsam gehalten, mit dem
Magistrat der Stadt Berlin bezw. mit der Deputation
in Verbindung zu treten, um sich darüber zu einigen,
wie mau die Zuschläge auf diese Arbeiterlöhne am
April 1925. 321
besten vereinbart und festlegt. Hierbei sind auch die
Vertreter der Deputation, die Herren Stadtverordne
ten, hinzugezogen worden. Man hat sich zunächst rein
— ich will nicht sagen dilatorisch, — sondern nur in
formierend zu der Sache gestellt. Von seiten des Dezer
nenten der Hochbaudeputation ist nicht gesagt worden,
daß die Stadt Berlin zu diesem Submissionssystem
übergehen würde. Jedenfalls mußte es ihm bekannt
sein, daß das Bezirksamt Treptow schon dazu über
gegangen war bezw. übergehen wollte. Aber es ist
nichts davon gesagt worden, sondern man hat gesagt:
Wir wollen zunächst einmal erörtern, welche Zuschläge
angemessen sind und was nach Recht und Billigkeit
verlangt werden kann. Dieser Weg ist richtig und
gut. Denn wenn die namhaften Vertreter, die letzten
Endes doch nicht allein interessiert sind, sondern auch
dafür eintreten müssen, daß das, was sie dort tun,
an anderer Stelle nachgeprüft werden kann, einen
Prozentsatz feststellen und vereinbaren, so ist das etwas
anderes, als wenn das auf dem Zwangswege, quasi
durch Submissionsverfahren als ein Zwang für länger
bestehende Zeiten der Zuschlag festgesetzt wird.
Der Zweck der Anfrage, die wir an den Magistrat
richteten, war auch der, daß wir den Magistrat bitten,
uns auch folgende Frage zu beantworten:
Ist der Magistrat gewillt und in der Lage, auf
die Bezirksämter dahin einzuwirken, daß sie das Sub
missionsverfahren in der Form nicht machen, solange
nicht machen, bis eine Einigung zwischen den Vertre
tern der Wirtschaftlichen Vereinigung der Unterneh
mer der Handwerker und den Vertretern des Magi
strats über die angemessene Höhe des Zuschlages her
beigeführt ist?
Das ist ein Weg, den meines Erachtens nach jeder
recht und billig denkende Mensch, der im Wirtschafte
leben steht, nur anerkennen und billigen kann. Bevor
das aber nicht geschehen ist, bevor dieser Weg nicht zu
Ende gegangen ist, bevor nicht ein Resultat gezeitigt
ist, möchten wir bitten, daß der Magistrat sich dazu
äußert, ob er gewillt ist, bei den Bezirksämtern diese
Submissionen zu verhindern.
Stadtrat Brühl: Meine Damen und Herren! Daß
der Magistrat gewillt ist, eine Aenderung eintreten
zu lassen, zeigt, wie ich bei der ersten Erwiderung schon
sagte, daß wir bereits mit der Hochbaudeputation in
einem Unterausschuß über die Zuschläge beraten
haben.
Der Herr Kollege Paeth hat vorhin mit Recht
darauf hingewiesen, daß auch die Vertreter der Ge
werbetreibenden ebenfalls hinzugezogen sind, abge
sehen von den Stadtverordneten, die der Deputation
angehören. Sie sehen also, daß der Magistrat in wei
testgehendem Maße in Gemeinschaft mit den Gewerbe
treibenden es allen in Frage kommenden Stadtverord
neten der Hochbaudeputation ermöglicht, ihre Vor
schläge zu machen.
Weiter aber ist es nicht aus der Welt zu schaffen,
Herr Kollege Paeth, daß diese Verfügung des Magi
strats schon seit dem 11. April 1923 besteht. Seit dieser
Zeit waren also die verschiedenen Gewerbetreibenden
in der Lage, sich dagegen zu wenden und evenll. mit
Abänderungsvorschlägen zu kommen. Wenn man sich
neuerdings an den Biagistrat gewandt hat, so haben
Sie gesehen, daß der Magistrat gewillt ist, nach dieser
Richtung hin etwas zu tun.
Ich kann weiterhin erklären, daß wir in be
schleunigtem Verfahren versuchen, zum Abschluß mit
den in Frage kommenden Gewerbetreibenden zu kom
men, um dann neue Richtlinien herauszugeben.
Stadtv. Preißing: Meine Damen und Herren!
Das Bezirksamt Treptow hat in der vorliegenden An
frage vollkommen gerecht gehandelt und die zuständige
Deputation des 15. Verwaltungsbezirks steht in dieser
Frage einheitlich hinter dem Bezirksamt Treptow.
Die Snbmissionsfrage ist für uns nur prinzipiell
zu erörtern. Wir sind durchaus immer für Ausschrei
bungen gewesen und werden jederzeit auch dafür ein
treten.- Wir sind dafür und sagen das in jeder Depu
tation und jeder Kommission, daß man bei den Aus-