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Volume Sitzung 16., 7. April 1925

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1925 (Public Domain)

Sitzung am 7 
leben doch letzten Endes born Verdienst, wie jeder Arbeit 
nehmer oder jeder andere Mensch. Jedenfalls heißt das 
Submittieren dieser Zuschläge folgendes: 
Erstens auf den „Tariflohn"! Meine Herren bon 
der linken Seite, was heißt Tariflohn? Sie wissen 
es ja doch alle, daß für die Tariflöhne die Arbeiter 
heute nicht mehr arbeiten, wenn einigermaßen nor 
male Beschäftigung ist. Wenn einigermaßen zu tun 
ist, so gibt es eben keine Arbeiter für Tariflöhne, son 
dern es sind dann, weil eben in den Tarifen keine 
Spitzenlöhne im Tarif festgesetzt sind und auch nicht 
festgesetzt werden können, nur sogenannte „Qualitäts 
arbeiter", die alle mehr berdienen oder mehr berdienen 
wollen. Folglich würde schon bon diesem Gesichts 
punkte ans betrachtet das Submittieren dieser Zu 
schläge den unbedingten Ruin des betreffenden Unter 
nehmers bedeuten, denn er kann nie wissen, was er 
im gegebenen Augenblick für den betreffenden Arbeit 
nehmer ausgeben muß. Es bedeutet aber auch noch, 
wenn die Linke des Hauses, die ein großes Interesse dar 
an hat, hier nicht eingreift, daß die Stadt die Qualität 
der Arbeiter nicht mehr anerkennt, daß sie die Leistung 
nicht mehr richtig bewertet, sondern sie will, daß die 
Arbeiter nach .einem Schema bezahlt und behandelt 
werden. Denn wenn ich einen Qualitätsarbeiter dem 
Magistrat für irgendeine Arbeit zur Verfügung stelle, 
so arbeitet er naturgemäß nicht für den Tariflohn 
und er muß einen höheren Lohn erhalten. Folglich 
darf der Lohn nicht auf den Tariflohn normiert wer 
den, sondern er muß auf den tatsächlichenLohn 
normiert werden. 
Betrachten wir nun die wirtschaftliche Lage, wie 
sie allgemein ist, und betrachten wir im besonderen, 
wie der Handwerker und Gewerbetreibende, der so 
zwischen Baum rntb Borke sitzt, durch ein solches Ver 
fahren quasi an der Wurzel seiner Existenz bedroht 
wird, so ergibt sich folgendes: 
Einerseits bei einigermaßen Beschäftigung der 
ganz selbstverständliche Trieb, der Drang und das Be 
streben der Arbeitnehmer, die Tariflöhne auch inner 
halb eines Tarifvertrages innerhalb kurzer Inter 
vallen möglichst hoch zu treiben, andererseits die ab 
solute feste Norm, nach welcher der Zuschlag über 
nommen worden ist. Es kann also vorkommen, daß 
eine Arbeit, die der Betreffende auszuführen hat, mit 
einem Tariflohn von solch niedriger Höhe kalkuliert 
ist, daß sie mit einem Tariflohn von 25 bis 30 Proz. 
höher ausgeführt werden muß. Wer trägt das Risiko? 
Der Handwerker und der Unternehmer! Er muß 
eben arbeiten, er muß seiner Verbindlichkeit nachkom 
men, er m u ß letzten Endes Arbeit annehmen. Und 
wer ist derjenige, der ihn in seiner Existenz so stark 
bedroht und schädigt? Das wäre in diesem Falle die 
Stadt Berlin, wenn ich auch nicht annehme, daß sie 
es immer sein wird. Es ist einmal 2 bis 3 Jahre 
vor dem Kriege bei einer großen Tagung ans einem 
Handwerker-Kongreß von einem namhaften Vertreter 
des Handwerks in Gegenwart der Regierungvertreter 
gesagt worden, daß durch das unerhörte Verfahren beim 
Submissionswesen die gewerblichen Kreise ausgepowert 
würden. Das hat damals eine kolossale Erregung bei 
der Regierung gegeben. Die Betreffenden haben sich 
beleidigt gefühlt, die Regierungsvertreter sind heraus 
gelaufen, an der Wahrheit dieser Behauptung aber 
konnte Ulan nichts ändern. 
Wenn die Stadt Berlin wirklich dazu übergehen 
sollte, in dieser Form die Zuschläge zu verdingen — 
wir glauben es noch nicht —, so müßten Handwerk 
und Gewerbe und die sämtlichen Unternehmer zu Maß 
nahmen schreiten, von denen wir hoffen wollen, daß 
wir sie verhüten können. 
Ich will mich nicht zu lange ausdehnen zu dem, 
was hinsichtlich der Verfügung festgestellt ist. Nun 
zu dem, was verhandelt worden ist: Es ist 
richtig, daß kaufmännische Handwerks- und wirt 
schaftliche Vereinigungen von dem Bestreben des 
Magistrats, in dieser Form in Zukunft zu submittie 
ren, Kenntnis erhalten haben. Sie haben es — ich 
war auch mit dabei — für ratsam gehalten, mit dem 
Magistrat der Stadt Berlin bezw. mit der Deputation 
in Verbindung zu treten, um sich darüber zu einigen, 
wie mau die Zuschläge auf diese Arbeiterlöhne am 
April 1925. 321 
besten vereinbart und festlegt. Hierbei sind auch die 
Vertreter der Deputation, die Herren Stadtverordne 
ten, hinzugezogen worden. Man hat sich zunächst rein 
— ich will nicht sagen dilatorisch, — sondern nur in 
formierend zu der Sache gestellt. Von seiten des Dezer 
nenten der Hochbaudeputation ist nicht gesagt worden, 
daß die Stadt Berlin zu diesem Submissionssystem 
übergehen würde. Jedenfalls mußte es ihm bekannt 
sein, daß das Bezirksamt Treptow schon dazu über 
gegangen war bezw. übergehen wollte. Aber es ist 
nichts davon gesagt worden, sondern man hat gesagt: 
Wir wollen zunächst einmal erörtern, welche Zuschläge 
angemessen sind und was nach Recht und Billigkeit 
verlangt werden kann. Dieser Weg ist richtig und 
gut. Denn wenn die namhaften Vertreter, die letzten 
Endes doch nicht allein interessiert sind, sondern auch 
dafür eintreten müssen, daß das, was sie dort tun, 
an anderer Stelle nachgeprüft werden kann, einen 
Prozentsatz feststellen und vereinbaren, so ist das etwas 
anderes, als wenn das auf dem Zwangswege, quasi 
durch Submissionsverfahren als ein Zwang für länger 
bestehende Zeiten der Zuschlag festgesetzt wird. 
Der Zweck der Anfrage, die wir an den Magistrat 
richteten, war auch der, daß wir den Magistrat bitten, 
uns auch folgende Frage zu beantworten: 
Ist der Magistrat gewillt und in der Lage, auf 
die Bezirksämter dahin einzuwirken, daß sie das Sub 
missionsverfahren in der Form nicht machen, solange 
nicht machen, bis eine Einigung zwischen den Vertre 
tern der Wirtschaftlichen Vereinigung der Unterneh 
mer der Handwerker und den Vertretern des Magi 
strats über die angemessene Höhe des Zuschlages her 
beigeführt ist? 
Das ist ein Weg, den meines Erachtens nach jeder 
recht und billig denkende Mensch, der im Wirtschafte 
leben steht, nur anerkennen und billigen kann. Bevor 
das aber nicht geschehen ist, bevor dieser Weg nicht zu 
Ende gegangen ist, bevor nicht ein Resultat gezeitigt 
ist, möchten wir bitten, daß der Magistrat sich dazu 
äußert, ob er gewillt ist, bei den Bezirksämtern diese 
Submissionen zu verhindern. 
Stadtrat Brühl: Meine Damen und Herren! Daß 
der Magistrat gewillt ist, eine Aenderung eintreten 
zu lassen, zeigt, wie ich bei der ersten Erwiderung schon 
sagte, daß wir bereits mit der Hochbaudeputation in 
einem Unterausschuß über die Zuschläge beraten 
haben. 
Der Herr Kollege Paeth hat vorhin mit Recht 
darauf hingewiesen, daß auch die Vertreter der Ge 
werbetreibenden ebenfalls hinzugezogen sind, abge 
sehen von den Stadtverordneten, die der Deputation 
angehören. Sie sehen also, daß der Magistrat in wei 
testgehendem Maße in Gemeinschaft mit den Gewerbe 
treibenden es allen in Frage kommenden Stadtverord 
neten der Hochbaudeputation ermöglicht, ihre Vor 
schläge zu machen. 
Weiter aber ist es nicht aus der Welt zu schaffen, 
Herr Kollege Paeth, daß diese Verfügung des Magi 
strats schon seit dem 11. April 1923 besteht. Seit dieser 
Zeit waren also die verschiedenen Gewerbetreibenden 
in der Lage, sich dagegen zu wenden und evenll. mit 
Abänderungsvorschlägen zu kommen. Wenn man sich 
neuerdings an den Biagistrat gewandt hat, so haben 
Sie gesehen, daß der Magistrat gewillt ist, nach dieser 
Richtung hin etwas zu tun. 
Ich kann weiterhin erklären, daß wir in be 
schleunigtem Verfahren versuchen, zum Abschluß mit 
den in Frage kommenden Gewerbetreibenden zu kom 
men, um dann neue Richtlinien herauszugeben. 
Stadtv. Preißing: Meine Damen und Herren! 
Das Bezirksamt Treptow hat in der vorliegenden An 
frage vollkommen gerecht gehandelt und die zuständige 
Deputation des 15. Verwaltungsbezirks steht in dieser 
Frage einheitlich hinter dem Bezirksamt Treptow. 
Die Snbmissionsfrage ist für uns nur prinzipiell 
zu erörtern. Wir sind durchaus immer für Ausschrei 
bungen gewesen und werden jederzeit auch dafür ein 
treten.- Wir sind dafür und sagen das in jeder Depu 
tation und jeder Kommission, daß man bei den Aus-
	        
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