Path:
Volume Sitzung 14., 31. März 1925

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1925 (Public Domain)

29ü Sitzung am 31. 
faul zu fein, und es scheint die allerhöchste Zeit zu 
fein, daß hier einmal ganz energisch ausgeräumt wird. 
Stadlrat Wutzky: Meine Damen und Herren! 
Es ist doch schließlich unmöglich, den Magistrat für 
jeden Unsinn verantwortlich zu machen. 
(Zuruf bei den Kommunisten: Dann machen Sie 
solchen Unsinn für schweres Geld!) 
Es ist doch ganz undenkbar, daß man den Magistrat 
dafür verantwortlich machen sann, wenn irgend 
jemand einen solchen Scherz ausheckt, wie ihn dieses 
Flugblatt darstellt. 
Meine Damen und Herren! Mir persönlich ist 
von diesem Erbsen-Zählexperiment nichts bekannt 
(Hört, hört!) 
und ich darf hinzufügen, daß der Herr Dörr sich offen 
bar irrt, wenn er erklärt, daß es sich dabei um eine 
Wohnung handeln soll, die meiner Obhut unterstellt 
ist. Er hat selbst vorgelesen, daß es sich um eine be 
schlagnahmefreie Wohnung handelt, und Sie wissen 
doch wohl, daß Wohnungen, die beschlagnahmefrei 
sind, sich vollkommen der Einwirkung des Magistrats 
und natürlich auch meiner Einwirkung entziehen, st>- 
daß ich nicht in der Lage bin, darüber irgendwie eine 
Aeußerung zu geben. Es sind dies auch Dinge, die 
mich an sich nicht interessieren. 
Nun noch ein anderes: Herr Dörr hat jetzt in 
seinen letzten Ausführungen die Geschichte auf ein Ge 
biet hinübergespielt, daß es meines Erachtens eine 
Ablenkung ist. Es kann sich doch bei der Beurteilung 
der Frage der fünf Wohnungen hier in BerlimMitte 
nicht darum drehen, wer Herausaeber des Gemeinde 
blattes ist, ganz abgesehen davon, daß mir die Ver 
öffentlichungen nicht vorher zur Zensur unterbreitet 
werden, sondern sie werden an einer Stelle gesammelt 
und bann natürlich zusammengestellt. 
(Stadtv. von Eynern: Das ist egal, der Magistrat 
ist verantwortlich!) 
Man kam, es nicht in der Form machen, wie es der 
Herr Kollege Dörr macht, indem er mir erklärt, das 
muß ich vorher gesehen haben. Da muß ich sagen, 
die Sache ist vom Bezirksamt Mitte in das Gemeinde 
blatt hineingebracht worden. Außerdem habe ich vor 
hin selber erklärt, daß ich diese Art der Anpreisung 
von Wohnungen wahrhaftig nicht für geschickt halte. 
Ich will jetzt noch hinzufügen, daß ich mich deswegen 
mit dem jetzigen Dezernenten des Wohnungsamts 
Berlin-Mitte und mit dem Bezirksbürgermeister des 
Bezirksamts Berlin-Mitte auseinandergesetzt habe. 
Der letztere hat mir vollständig zugestimmt. Der 
erstere hat eine abweichende Meinung 
(Hört, hört!) 
und hat infolgedessen die Geschichte ins Gemeindeblatt 
gegeben. Das ist doch aber nicht der entscheidende 
Punkt zur Beurteilung der Frage, sondern es dreht 
sich doch lediglich darum: War es möglich, diese Woh 
nungen denjenigen Bevölkerungskreisen zuzuführen, 
von denen der Herr Dörr sprach oder sind wir in 
diesem Punkte machtlos? Sind wir nicht bestimmten 
zwangsläufigen Vorgängen dabei ausgeliefert? Das 
glaube ich vorhin dargestellt zu haben. Ich glaube 
auch, meine Herrschaften, deutlich genug hinzugefügt 
zu haben, daß wir jetzt im Augenblick dabei sind, nach 
dem die Bahn frei geworden ist, wie ich glaube, nach 
der anderen Richtung hin auch eine Finanzierungs 
möglichkeit für eine gewisse Anzahl, ich möchte sagen 
große Anzahl der Wohnungen, die mit Hauszins 
steuerhypotheken ausgestattet werden, zu schaffen, die 
es ermöglichen, auch denjenigen Berlinern Woh 
nungen in diesen Neubauten zur Verfügung zu 
stellen, die nichts besitzen. Ich hoffe, daß die Stadt 
verordnetenversammlung, wenn der Magistrat mit 
einer solchen Vorlage an sie herantritt, das nötige 
Verständnis und Entgegenkommen dafür haben wird 
und das bewilligt, was wir fordern müssen, um 
wenigstens das zum Teil durchzuführen, was der 
Herr Dörr, wie ich persönlich zugeben muß, mit Recht 
fordert. 
Vorst. Haß: Das Wort hat Herr Dörr. 
(Stadtv. Dr. Weyl: Wollen Sie Ihren Freund 
Bösel retten?) 
(Stadtv. Dörr: Der ist nicht mehr zu retten!) 
. März 1925. 
Sfabfo. Dörr: Ich stelle fest, daß der Herr Stadt 
rat Wutzky zugegeben hat, daß die Wohnungen, so 
wie ich es dargestellt habe, im Gemeindeblatt ange 
kündigt worden sind. 
(Zuruf links: Von wem?) 
Vom Berliner Magistrat, der der Herausgeber des 
Gemeindeblattes ist. 
(Zuruf links: Vom kommunistischen Stadtrat 
Bösel!) 
Gestatten Sie! Sie scheinen die Verhältnisse bei 
der Presse nicht zu kennen. Wenn irgendjemand 
einen Artikel veröffentlicht, dann ist nicht er verant 
wortlich, sondern der Herausgeber der Zeitung. Das' 
ist in diesem Falle der Magistrat. 
Nun hätte ich es durchaus verstanden, wenn der 
Herr Stadtrat Wutzky erklärt hätte, er sei nicht der 
Vorsitzende des Nachrichtenamts, sondern er ist der 
Dezernent für das Wohnungswesen. Das wäre ein 
Standpunkt gewesen, und irgendein anderes Mit 
glied des Magistrats hätte die Verantwortung für die 
Veröffentlichung im Gemeindeblatd übernehmen 
müssen. 
Meine Damen und Herren! Ob diese Wohnungs 
vergebung durch Herrn Bösel oder Herrn Wutzky er 
folgt ist, das bleibt bei der Beurteilung, die wir der 
Sache angedeihen lassen, ganz gleichgültig. Wir haben 
noch an einer anderen Stelle Gelegenheit, mit Herrn 
Bösel zu sprechen. Wir benutzen hier nur die Mög 
lichkeit, über alles mit Herrn Wutzky zu sprechen, wo 
für e r verantwortlich ist und daß er sich zu der Sache 
geäußert hat, beweist ohne weiteres, daß er diese Ver 
antwortung auch übernehmen will. 
Meine Damen und Herren! Der Herr Stadtrat 
Wutzky hat erklärt, daß er die Erbsen noch nicht ge 
zählt hat. Das nehme ich auch ohne weiteres an. 
Denn ich glaube kaum, daß der Leiter des Berliner 
Wohnungsamts es dulden kann, daß der Leiter des 
Berliner Magistrats, der Herr Oberbürgermeister 
Böß, ein Preisausschreiben unterzeichnet, in dem an 
gekündigt wird, daß eine Wohnung zu verschenken ist. 
So reichlich sind wir doch in Berlin mit leeren Woh 
nungen nicht gesegnet, daß sich der Oberbürgermeister 
erlauben darf, an der Verscheukung einer solchen 
Wohnung an irgendeinen, der das Glück hat, teilzu 
nehmen. Wir behalten uns jedenfalls das Recht vor, 
ein solches Unternehmen aufs schärfste zu kritisieren. 
Meine Damen und Herren! Ich empfehle Ihnen, 
den von uns in dieser Wohnungssache gestellten An 
trag anzunehmen. Ich glaube, auch Herr Stadtrat 
Wutzky hat in seinen Schlußausführungen für die An 
nahme des kommunistischen Antrages gesprochen, 
wenn er meint, daß man doch nach und nach sich 
diesen Verhältnissen nähern sollte, die wir erstreben, 
nämlich, daß die Wohnungen nicht an die Zahlungs 
fähigen sondern an die Bedürftigsten vergeben wer 
den, und wenn Sie das wollen, wenn Sie nicht wün 
schen, daß die Wohnungen an Leute vergeben wer 
den, die monatlich 100 Ä Miete für zwei Zimmer und 
außerdem 2200 Jl Baukostenzuschuß bezahlen können, 
sondern an diejenigen, die gesundheitlich, moralisch 
oder sonstwie gefährdet sind oder die mit einem Wort 
gesagt am schlechtesten wohnen, dann bleibt Ihnen 
garnichts anderes übrig, als den kommunistischen An 
trag anzunehmen. 
Dorff. Haß: Die Beratung ist geschlossen. Die 
Abstimmung wird am Donnerstag um 7 Uhr erfolgen. 
Die übrigen Punkte der Tagesordnung können 
heute nicht mehr verhandelt werden, weil die Antrag 
steller nicht mehr im Saale find. Ich vertage deshalb 
die Beratung. 
(Stadtv. Dr. Falkenberg: Weil der Magistrats 
vertreter nicht da ist!) 
Dann kann ich sagen, weil die Beteiligten nicht an 
wesend sind. 
(Zuruf: Ein Teil!) 
Wir wollen uns nicht darum streiten. Die übrigen 
Punkte werden also vertagt. Die Sitzung ist für heute 
geschlossen. 
(Schluß der Sitzung: 8 Uhr 58 Min. abends.) 
Druck von W. & S. Soeroentbal, söerlin C. 19.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.