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Volume Sitzung 12., 12. März 1925

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1925 (Public Domain)

Sitzung am 1 
Also, wir sind gegen den Mißbrauch voll und ganz. 
Wir haben aber den Mißbrauch bisher nicht hindern 
können. £ä 
(Rechts: Hört, hört!) 
Es geht nicht. Und wenn Sie 20 Wächter dafür an 
stellen würden, dann würden Sie es doch nicht hin 
dern können, daß der Wärter schließlich selbst ein 
inertschlich fühlendes Herz, um nicht mehr zu sagen, 
für die leidenden Menschen hat und ihnen zum Ge 
nuß behilflich ist. Da wollen wir denn doch lieber den 
Versuch machen, ihn legitim zu machen und zu über 
wachen. Ich versichere Ihnen 
(Zuruf des Stadtv. von Eynern.) 
Ja, Herr Kollege Eynern, bei Ihnen wäre mir das 
auch zweifelhaft, 
(Links: Sehr richtig!) 
denn Sie sind mir zu klug dafür. 
(Heiterkeit.) 
Seien Sie nicht so böse. — 
Nein, meine Domen und Herren, die Versagung 
schlechthin kann nichts nützen, rechnen Sie damit. Das 
Volk muß draußen etwas haben, wenn es den ganzen 
Sonntag oder Werktag von morgens früh bis spät 
abends sich dort aufhält. Wir bekommen das gleiche 
Bedürfnis restlos am Müggelsee auch noch. Wir 
haben dort das Zulassungsverfahren bezüglich der 
künstlichen Wässer, wir werden es auch bezüglich des 
Biers nicht ganz vermeiden können. Nun, versuchen 
Sie es mal in Gottes Namen, ob die Ueberwachung 
und die legitime Bierausgabe nicht zu besseren Er 
gebnissen führt. Und wenn es doch zu einem schlechten 
Ergebnis führt, dann, meine Damen und Herren, 
machen wir es rückgängig. So schlimm ist das doch 
nicht. 
(Stadtv. von Eynern: Wenn das Kind in den 
Brunnen gefallen ist!) 
Wir werden mit verschwindenden Ausnahmen alle 
Tage älter und klüger, 
(Heiterkeit.) 
ich nehme mich dabei aus. — Wenn wir jetzt den Ver 
such machen, werden wir sehen, welches Ergebnis er 
hat. Ich traue auch dem Magistrat diö Einsicht zu, 
daß, wenn das Ergebnis nur einigermaßen zu be 
anstanden ist, er dazwischen fährt. Wir wollen an dem 
Bier kein Geld verdienen, und das wäre doch der ein 
zige Gesichtspunkt, aus welchem heraus unser Ver 
fahren zum Mißbrauch führen müßte. 
Ich würde also raten, sehen wir uns mal die Sache 
in einem halben Jahre an, denn keiner von uns 
will, was Frau Kollegin Mayer bekämpft. 
Stadtv. Perschke: Meine Damen und Herren! Ich 
glaube, so manch einer, der hier auf den Alkohol 
schimpft, weiß ganz genau, wenn er seine Sommer 
reise macht und sich an der Ostsee oder sonstwo befindet, 
daß er dort sein Bier oder evtl. auch seinen Wein be 
kommt. 
(Links: Sehr richtig!) 
Aber ich weiß nicht, mit welchem Recht man nun den 
jenigen, die nicht in der Lage sind, eine Sommerreise 
anzutreten, die sich freuen, daß sie hier in der Nähe 
von Berlin ein paar Tage in der frischen Luft und am 
Wasser verbringen können, auch noch das Glas Bier 
entziehen will. 
Wenn Frau Dr. Mayer sagt, die Gefahr für die 
Jugendlichen ist so groß, so muß ich sagen: Frau Dr. 
Mayer, die Gefahr besteht auch sonst. Ich weiß nicht, 
ob es besser ist, wenn man sieht, wie die Eltern ihre 
Kinder des Abends hier aus den Berliner Lokalen her 
ausholen. Wir haben dort in Wannsee Gott sei Dank 
eine Ordnung, das Bad, möchte ich sagen, ist in jeder 
Art und Weise mustergültig, weil der Verein der 
Wannseeateir dort für Ordnung sorgt. 
Auch die Sittlichkeit, meine Damen und Herren, 
ist durch das Glas Bier m. E. noch nicht gefährdet, die 
Sittlichkeit ist gefährdet durch das Freibaden neben 
dem Freibad Wannsee, aber nicht dadurch, was in dem 
Freibad Wannsee passiert. 
Auch sogar die Verkümmerung der Kinder schreibt 
Frau Dr. Mayer hier nur dem Glase Bier zu. Meine 
. März-1925. 245 
Damen und Herren, ich glaube ganz bestimmt, daß die 
Verkümmerung der Kinder bisweilen auch dadurch 
hervorgerufen wird, daß sich die Mütter um ihre Kin 
der nicht genügend kümmern, sondern alles mögliche 
in dem Kopf haben, aber nicht die Erziehung der Kin 
der. Aber es trägt auch zum großen Teil die Armut 
des Volkes dazu bei. 
Meine Damen und Herren, wir müssen in Be 
tracht ziehen, daß heute im Freibad Wannsee ungefähr 
600 Vereinsmitglieder und darüber hinaus noch viele 
andere mit ihren Familien wochenlang am Freibad 
Wannsee leben, sie kochen dort, sie wohnen dort. Und 
nun sollen sie noch nicht einmal ein Glas Bier haben? 
(Stadtv. Dr. Cafpari: Das sagt ja kein Mensch!) . 
Meine Damen und Herren, Sie wehren sich aber 
dagegen, daß dort Alkohol verkauft werden soll. Sie 
können doch nicht 14 Tage oder 3 Wochen lang Wann 
seewasser trinken. 
(Zuruf des Stadtv. Dr. Weyl.) 
Herr Dr. Weyl, Ihnen würde es vielleicht ganz gut 
bekommen, aber andern nicht. 
(Stadtv. Dr. Weyl: Versuchen Sie es mal!) 
Nein, ich danke. Meine Damen und Herren, wir müssen 
uns nicht nach denjenigen richten, die hier auf den Al 
kohol schimpfen, die aber nachher heimlich unheimlich 
trinken. 
(Sehr richtig!) 
Meine Damen und Herren, daraus lassen wir uns nicht 
ein. Es soll jeder, der sich dort aufhält, auch seine Er 
frischung bekommen. Wir können uns auf den Verein 
der Wannseeaten verlassen, er wird dafür sorgen, daß 
dort nichts Ungehöriges passiert. 
Stadkv. Dr. Caspari: 
Meine Damen und Herren! Ich möchte doch zu 
nächst mal sagen: Es ist eine wenig erfreuliche Er 
scheinung, daß, wenn über die tiefernste Frage des 
Alkohols gesprochen wird, gewöhnlich die Heiterkeit 
des hohen Hauses nicht zu bändigen ist und daß je 
mand glaubt, besonders gut bei einer derartigen De 
batte abzuschneiden, wenn er möglichst viel Witze dabei 
macht. 
(Stadtv. von Eynern: Sehr richtig!) 
Ich glaube, es entspricht nicht der Art, wie in einem 
solchen Kollegium eine derartige Frage behandelt 
werden soll. 
(Zurufe links: Na, na!) 
(Stadtv. von Eynern: Sehr gut!) 
Meine Samen und Herren! Ich bin selbst kein 
Antialkoholist, bin es nie gewesen und werde es nie wer 
den. Ich bin auch mal Mitglied eines Forstausschusses 
gewesen, es war im Osten unseres Vaterlandes als 
Amtsrichter. Da ich ja ordentliches Mitglied nicht sein 
konnte, wurde ich als Ehrenmitglied zu den Forstbe 
reisungen hinzugezogen. Insofern kann ich den Forst 
ausschuß hier ganz gut verstehen, denn da ist auch 
durchaus nicht die Abneigung gegen den Alkohol be 
sonders hervorgetreten. 
Aber, meine Damen und Herren, man soll doch 
den Alkohol, wenn man ihn liebt, nur da genießen 
und die anderen nur da genießen lassen, wo er hinge 
hört und soll ihn da fortlassen, wo er nicht hingehört. 
(Rechts: Sehr richtig!) 
Er gehört aber unter keinen Umständen in ein Frei 
bad, in dem sich ja nicht nur Familien mit Frau und 
Kindern, sondern auch alle möglichen Personen, die 
wenig kontrollierbar sind, aufhalten und in der Ba 
dehose oder im Badekostüm zusammen baden. Da ist 
der Alkohol nicht angebracht, und es muß ja unter 
allen Umstünden zu Unzutrüglichkeiten führen. 
Nun wird hier der Versuch gemacht, meiner Par 
teifreundin Dr. Mayer zu unterstellen, sie hätte sich 
gegen den Genuß einer Flasche Bier verwahrt und 
hätte aus dem Genusse einer Flasche Bier alle mög 
lichen Schädlichleiten hergeleitet. Das ist ihr garnicht 
eingefallen. Wogegen sie sich gewendet hat, das ist, daß 
die Stadt ein Wirtschaftsunternehmen mit Alkohol 
aufmacht und dadurch zum Alkoholgenuß anreizt. 
(Bei der Deutschen Volkspartei: Sehr richtig!)
	        
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