Sitzung am 1
Also, wir sind gegen den Mißbrauch voll und ganz.
Wir haben aber den Mißbrauch bisher nicht hindern
können. £ä
(Rechts: Hört, hört!)
Es geht nicht. Und wenn Sie 20 Wächter dafür an
stellen würden, dann würden Sie es doch nicht hin
dern können, daß der Wärter schließlich selbst ein
inertschlich fühlendes Herz, um nicht mehr zu sagen,
für die leidenden Menschen hat und ihnen zum Ge
nuß behilflich ist. Da wollen wir denn doch lieber den
Versuch machen, ihn legitim zu machen und zu über
wachen. Ich versichere Ihnen
(Zuruf des Stadtv. von Eynern.)
Ja, Herr Kollege Eynern, bei Ihnen wäre mir das
auch zweifelhaft,
(Links: Sehr richtig!)
denn Sie sind mir zu klug dafür.
(Heiterkeit.)
Seien Sie nicht so böse. —
Nein, meine Domen und Herren, die Versagung
schlechthin kann nichts nützen, rechnen Sie damit. Das
Volk muß draußen etwas haben, wenn es den ganzen
Sonntag oder Werktag von morgens früh bis spät
abends sich dort aufhält. Wir bekommen das gleiche
Bedürfnis restlos am Müggelsee auch noch. Wir
haben dort das Zulassungsverfahren bezüglich der
künstlichen Wässer, wir werden es auch bezüglich des
Biers nicht ganz vermeiden können. Nun, versuchen
Sie es mal in Gottes Namen, ob die Ueberwachung
und die legitime Bierausgabe nicht zu besseren Er
gebnissen führt. Und wenn es doch zu einem schlechten
Ergebnis führt, dann, meine Damen und Herren,
machen wir es rückgängig. So schlimm ist das doch
nicht.
(Stadtv. von Eynern: Wenn das Kind in den
Brunnen gefallen ist!)
Wir werden mit verschwindenden Ausnahmen alle
Tage älter und klüger,
(Heiterkeit.)
ich nehme mich dabei aus. — Wenn wir jetzt den Ver
such machen, werden wir sehen, welches Ergebnis er
hat. Ich traue auch dem Magistrat diö Einsicht zu,
daß, wenn das Ergebnis nur einigermaßen zu be
anstanden ist, er dazwischen fährt. Wir wollen an dem
Bier kein Geld verdienen, und das wäre doch der ein
zige Gesichtspunkt, aus welchem heraus unser Ver
fahren zum Mißbrauch führen müßte.
Ich würde also raten, sehen wir uns mal die Sache
in einem halben Jahre an, denn keiner von uns
will, was Frau Kollegin Mayer bekämpft.
Stadtv. Perschke: Meine Damen und Herren! Ich
glaube, so manch einer, der hier auf den Alkohol
schimpft, weiß ganz genau, wenn er seine Sommer
reise macht und sich an der Ostsee oder sonstwo befindet,
daß er dort sein Bier oder evtl. auch seinen Wein be
kommt.
(Links: Sehr richtig!)
Aber ich weiß nicht, mit welchem Recht man nun den
jenigen, die nicht in der Lage sind, eine Sommerreise
anzutreten, die sich freuen, daß sie hier in der Nähe
von Berlin ein paar Tage in der frischen Luft und am
Wasser verbringen können, auch noch das Glas Bier
entziehen will.
Wenn Frau Dr. Mayer sagt, die Gefahr für die
Jugendlichen ist so groß, so muß ich sagen: Frau Dr.
Mayer, die Gefahr besteht auch sonst. Ich weiß nicht,
ob es besser ist, wenn man sieht, wie die Eltern ihre
Kinder des Abends hier aus den Berliner Lokalen her
ausholen. Wir haben dort in Wannsee Gott sei Dank
eine Ordnung, das Bad, möchte ich sagen, ist in jeder
Art und Weise mustergültig, weil der Verein der
Wannseeateir dort für Ordnung sorgt.
Auch die Sittlichkeit, meine Damen und Herren,
ist durch das Glas Bier m. E. noch nicht gefährdet, die
Sittlichkeit ist gefährdet durch das Freibaden neben
dem Freibad Wannsee, aber nicht dadurch, was in dem
Freibad Wannsee passiert.
Auch sogar die Verkümmerung der Kinder schreibt
Frau Dr. Mayer hier nur dem Glase Bier zu. Meine
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Damen und Herren, ich glaube ganz bestimmt, daß die
Verkümmerung der Kinder bisweilen auch dadurch
hervorgerufen wird, daß sich die Mütter um ihre Kin
der nicht genügend kümmern, sondern alles mögliche
in dem Kopf haben, aber nicht die Erziehung der Kin
der. Aber es trägt auch zum großen Teil die Armut
des Volkes dazu bei.
Meine Damen und Herren, wir müssen in Be
tracht ziehen, daß heute im Freibad Wannsee ungefähr
600 Vereinsmitglieder und darüber hinaus noch viele
andere mit ihren Familien wochenlang am Freibad
Wannsee leben, sie kochen dort, sie wohnen dort. Und
nun sollen sie noch nicht einmal ein Glas Bier haben?
(Stadtv. Dr. Cafpari: Das sagt ja kein Mensch!) .
Meine Damen und Herren, Sie wehren sich aber
dagegen, daß dort Alkohol verkauft werden soll. Sie
können doch nicht 14 Tage oder 3 Wochen lang Wann
seewasser trinken.
(Zuruf des Stadtv. Dr. Weyl.)
Herr Dr. Weyl, Ihnen würde es vielleicht ganz gut
bekommen, aber andern nicht.
(Stadtv. Dr. Weyl: Versuchen Sie es mal!)
Nein, ich danke. Meine Damen und Herren, wir müssen
uns nicht nach denjenigen richten, die hier auf den Al
kohol schimpfen, die aber nachher heimlich unheimlich
trinken.
(Sehr richtig!)
Meine Damen und Herren, daraus lassen wir uns nicht
ein. Es soll jeder, der sich dort aufhält, auch seine Er
frischung bekommen. Wir können uns auf den Verein
der Wannseeaten verlassen, er wird dafür sorgen, daß
dort nichts Ungehöriges passiert.
Stadkv. Dr. Caspari:
Meine Damen und Herren! Ich möchte doch zu
nächst mal sagen: Es ist eine wenig erfreuliche Er
scheinung, daß, wenn über die tiefernste Frage des
Alkohols gesprochen wird, gewöhnlich die Heiterkeit
des hohen Hauses nicht zu bändigen ist und daß je
mand glaubt, besonders gut bei einer derartigen De
batte abzuschneiden, wenn er möglichst viel Witze dabei
macht.
(Stadtv. von Eynern: Sehr richtig!)
Ich glaube, es entspricht nicht der Art, wie in einem
solchen Kollegium eine derartige Frage behandelt
werden soll.
(Zurufe links: Na, na!)
(Stadtv. von Eynern: Sehr gut!)
Meine Samen und Herren! Ich bin selbst kein
Antialkoholist, bin es nie gewesen und werde es nie wer
den. Ich bin auch mal Mitglied eines Forstausschusses
gewesen, es war im Osten unseres Vaterlandes als
Amtsrichter. Da ich ja ordentliches Mitglied nicht sein
konnte, wurde ich als Ehrenmitglied zu den Forstbe
reisungen hinzugezogen. Insofern kann ich den Forst
ausschuß hier ganz gut verstehen, denn da ist auch
durchaus nicht die Abneigung gegen den Alkohol be
sonders hervorgetreten.
Aber, meine Damen und Herren, man soll doch
den Alkohol, wenn man ihn liebt, nur da genießen
und die anderen nur da genießen lassen, wo er hinge
hört und soll ihn da fortlassen, wo er nicht hingehört.
(Rechts: Sehr richtig!)
Er gehört aber unter keinen Umständen in ein Frei
bad, in dem sich ja nicht nur Familien mit Frau und
Kindern, sondern auch alle möglichen Personen, die
wenig kontrollierbar sind, aufhalten und in der Ba
dehose oder im Badekostüm zusammen baden. Da ist
der Alkohol nicht angebracht, und es muß ja unter
allen Umstünden zu Unzutrüglichkeiten führen.
Nun wird hier der Versuch gemacht, meiner Par
teifreundin Dr. Mayer zu unterstellen, sie hätte sich
gegen den Genuß einer Flasche Bier verwahrt und
hätte aus dem Genusse einer Flasche Bier alle mög
lichen Schädlichleiten hergeleitet. Das ist ihr garnicht
eingefallen. Wogegen sie sich gewendet hat, das ist, daß
die Stadt ein Wirtschaftsunternehmen mit Alkohol
aufmacht und dadurch zum Alkoholgenuß anreizt.
(Bei der Deutschen Volkspartei: Sehr richtig!)