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Volume Sitzung 10., 5. März 1925

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1925 (Public Domain)

208 Sitzung am 5. 
eine so erkennbare große Arbeitslosigkeit festzustellen 
ist, daß in der gegenwärtigen Zeit diese Überleitung 
natürlich auf schier unüberwindliche Schwierigkeiten 
stoßen wird. Wir als Stadtverordnetenversammlung 
und städtische Körperschaft werden dieses Problem 
nicht allein lösen können, daran müssen vor allem alle 
wirtschaftlich tätigen Kräfte und die Regierungsstellen 
mitwirken. Ehe dieses Problem nicht einigermaßen 
gut gelöst werde» kann, werden alle Mittel, die wir 
anwenden, um die Not der vom Abbau, von der all 
gemeinen Wirtschaftslage betroffenen Angestellten zu 
lindern, zu einem überwiegenden Teile Palliativmit 
tel bleiben müssen. Das werden sich auch die Antrag 
steller gesagt haben, als sie die uns vorgelegten An 
träge eingebracht haben. Immerhin aber mußte doch 
angesichts dieser unglaublichen Notlage mit allen 
Kräften versucht werden, wenigstens für eine Hebe r- 
g a ii g s z e i t, die man sich nach Lage der Dinge aller 
dings nicht zu kurz vorstelle»'bars, etwaszu schaffen. 
Darüber — so glaube ich mich zu erinnern — war sich 
der' Ausschuß ja völlig einig, daß der Punkt a) des 
Dringlichkeitsantrages Nr. 173, der eine Einwirkung 
des Magistrats bei den Landes- und Reichsbehörden 
auf Aufhebung der Personalabbauverordnung vor 
sieht, angenommen werden sollte. Das ist ja auch ge 
schehen! 
Bei den übrigen Punkten haben meine Freunde 
im Ausschuß neue Anträge eingebracht und sind dabei 
zurückgegangen auf das, was bei den inzwischen an 
gestellten Erhebungen als tatsächliches Material zu 
Tage gefördert worden war. Nun begreife ich aber 
den Vertreter der Deutschen Volkspartei nicht. Wenn 
er schon einmal, wie er gesagt hat, dafür ist, daß nach 
seiner Auffassung auch jetzt noch der Punkt 1 ange 
nommen wird, der auf die Aufhebung der Personal- 
abbauverordnung hinwirken soll, dann verstehe ich 
nicht,, warum man den zweiten Schritt nicht gehen 
und nicht festlegen will, daß der Abbau in den für uns 
zunächst zuständigen Stellen des Magistrats für die 
Angestellten unterbleibt. 
Meine Damen und Herren! Im Ausschuß hat 
uns der Herr Stadtsyndikus zahlenmäßig nachge 
wiesen, daß der Prozentsatz, der von den 
oberbe hördlichenStellen für den Ab 
bau der An ge st eilten vorgesehen war, 
nicht nur erreicht, sondern schon über 
schritten worden ist. Wie man angesichts dieser 
authentischen Auskunft noch sagen will, man will 
einen derartigen Antrag, der den Abbau unterbindet, 
nicht annehmen und noch weiter abbauen, das weiß 
ich nicht! Denn wir wissen doch, daß einige Stellen 
schon wieder Neueinstellungen vornehmen, und wir 
stehen auf dem Standpunkt, daß bei diesen Neuein 
stellungen diejenigen berücksichtigt werden müßten, 
die bisher beim Magistrat tätig gewesen und abgebaut 
worden sind. ist mir also ganz unerfindlich, warum 
man diesem unserm Antrage nicht zustimmen will, 
wenn nachgewiesen wird, wie es geschehen ist, daß der 
Aobauprozentsatz erreicht ist. 
Nun, meine Damen und Herren, befinden wir 
uns aber in einem Gegensatz zu der Auffassung man 
cher Mitglieder dieses Hauses und auch mancher Mit 
glieder des Magistrats. Die Reichsabbauverordnung 
enthält gewissermaßen einen teilweise» „Befehl", 
der nachher später auch sehr gewaltsam von einzelnen 
Stellen des Magistrats durchgeführt worden ist, in 
bezug auf den Abbau der Angestellten. Die preu 
ßische Abbauverordnung aber enthält diesen 
generellen Befehl nicht mehr und setzt 
ganz bestimmte Voraussetzungen fest, unter denen die 
Angestellten abgebaut werden sollen. Es ist dort nicht 
gesagt, daß zunächst einmal restlos alle Angestellten 
abgebaut werden sollen, ehe andere Arbeitnehmerkate 
gorien herankommen. Auch diese Tatsache müßte Sie 
. März 1925. 
veranlassen, unserem Antrage, den wir unter Punkt 2 
des Ausschußantrages eingebracht haben, zuzustimmen. 
Nun kommt unter Punkt 3 eine Angelegenheit, 
die den Höhepunkt der Notlage der Angestellten dar 
stellt. Ob Sie gegenwärtig Umfrage haltön, bei Pri 
vatbetrieben oder bei behördlichen Stel 
len, sofern sie überhaupt noch gewillt sind, Ange 
stellte anzunehmen, jeder sträubt sich mit einer unver 
hüllten Herzensroheit dagegen, daß Angestellte einge 
stellt werden, die das 2 8. Lebensjahr über 
schritten haben, weil man sie schon als zu a l t be 
trachtet, um bei dielen Stellen tätig zu fein. Das ist 
sowohl bei de» Betrieben des Herrn von Siemens wie 
bei den Betrieben der 21.6.G. und auch bei allen be 
hördlichen Stellen der Fall. Nun frage ich Sie, meine 
Damen und Herren, wie soll es denn weiter noch mög 
lich sein, das durchzuführen, was mit so großer Be 
tonung immer als wirtschaftlicher Ausbau in den Vor 
dergrund gestellt wird, wönn gerade die Kräfte nicht 
hineinkommen, die auf Grund ihrer Erfahrungen hin 
eingenommen werden müßten in die wirtschaftlichen 
Betriebe. Diese Erfahrungen konnten sie natürlich nur 
in langjähriger Tätigkeit, also bei höherem Lebens 
alter haben. Wir haben deshalb unter 3 gefordert: 
Bei der Unterbringung von Angestellten in städti 
schen Büros und Betrieben, in Arbeitsnachweisen 
und Fürsorgestellen die wirtschaftliche Lage der 2ln- 
gestellten zu berücksichtigen und Angestellte in vor 
geschrittenem Lebensalter bei der Einstellung vor 
zugsweise zu behandeln. 
Das ist eine Modifikation des ursprünglich gefundenen 
Wortlauts. 
Nun hat der Herr Kollege Dr. Neumann vorge 
schlagen, hinter „wirtschaftliche Lage" noch 
hinzuzufügen „und die Familienverhält 
nis s e". Also, die Familienverhältnisse sollen auch be 
rücksichtigt werden. Wir haben selbstverständlich gegen 
diese Einschiebung nichts und find mit ihr einver 
standen. Wir sträuben uns aber, daß, nachdem diese 
Einschiebung geschehen sein wird, etwa dann der Nach 
satz fortgelassen wird, wie es Herr Dr. Neumann emp 
fiehlt, daß also Angestellte im vorgeschrittenen Lebens 
alter bei der Einstellung vorzugsweise zu berücksich 
tigen sind. Herr Dr. Neumann und seine Fraktion 
will das also nicht!! Man will für ältere Leute bei der 
Volkspartei nichts tun. 
Nun ist zu diesem Punkte auch ein Abändern» ,?s- 
antrag der Deutschnationalen hier vorgelegt worden. 
Diese möchten haben, daß nach dem Worte „Fürsorge 
stellen" eingeschoben wird „unter der Voraus 
setzung gleicher Brauchbarkei t". Also im 
ter der Voraussetzung gleicher Brauchbarkeit sollen 
dann diejenigen Angestellten, deren wirtschaftliche 
Lage und Familienverhältnisse das verlangen, bei der 
Einstellung berücksichtigt werden, außerdem nach un 
serer Auffassung ferner noch die Angestellten in vor 
geschrittenem Lebensalter. 
Wir haben auch gegen diesen ZÜsatzantrag der 
Deutschnationalen nichts einzuwenden. Selbstver 
ständlich wollen wir die städtischen Stellen nur zwin 
gen, bei gleicher Brauchbarkeit der Singe 
botenen ältere Kräfte in ihre Betriebe zu nehmen. 
Nun kommt das heikelste Kapitel, und ich glaube 
auch nach des Herrn Berichterstatters Meinung das 
schwierigste Kapitel. Es handelt sich um die 
eventuelle Zentralisierung der Angestell- 
tenvermittelung und die für den Herrn Be- 
riu-lerstatter noch fatalere Frage der Beseitigung der 
sogenannten Chiffre-Anzeigen. 
Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, Ihr 
Augenmerk darauf zu lenken, daß wir unter Nr. 4 — 
alle Anträge des Ausschusses find ja unsere Anträge 
— als Einleitung noch hinzusetzen: „durch Ein 
wirkung auf die zuständigen Stellen".
	        
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