Sitzung tim 8.
Dazu stimmen noch die schönen Ausführungen, die
Herr Dr. Saltzgeber hier gemacht hat über die jetzt
ausgebrochene allein selig machende Demokratie.
(Stadtv. Dr. Wehl: Ausgebrochen?)
Ja, ausgebrochen, Herr Dr. Wehl, hoffentlich freuen Sie
sich darüber, daß sie endlich einmal ansgebrochen ist.
Herr Dr. Saltzgeber hat ausgeführt, daß den Sozial
demokraten ohne weiteres der Vorsteher zustünde näm
lich nach der Begründung, die Ihre Fraktion, Herr
Kollege Koch, gegeben hat, um einen eigenen Kandi
daten für beit Vorsteherposten zu empfehlen.
Nun, meine Damen und Herren, wenn man boshaft
wäre, könnte man das, was eben hier passiert ist, als eine
große politische Perversität bezeichnen,
(Große Heiterkeit.)
■ daß nämlich gerade die Parteien, die so außerordentlich
über die Demokratie und über „die Rechte der stärksten
Parteien" geredet haben, nachher, wenn es sich um
Kommunisten handelt, einfach die Rechte der Parteien,
die deren Stimmenzahl den nächsten Anspruch sichert,
mit Füßen treten. Also, Herr Hermann, Heuchelei und
nichts als Heuchelei, wenn es Ahnen so in den Kram paßt.
Wo es um die Interessen des Bürgertums geht, halten
Sie mit ihm zusammen wie Pech und Schwefel.
(Zurufe links.)
Daß Ihnen das unangenehm ist, meine Herren, glaube
ich sehr gern. Sv etwas hören Sie nicht gern. Sie
sind Demokraten dann, wenn es der Bourgeoisie nützt,
Sie sind Verräter des Proletariats, eine bürgerliche
Partei, wie die anderen, die bei jeder Gelegenheit. . . .
(Zurufe von den Kommunisten und von der Tribüne,
großer LärmZ
Vorst. Haß: Ich bi te die Besucher der Tribüne,
sich jeden Eingriffes in die Verhandlungen zu ent
halten !
(Erneuter Lärm und Zurufe von der Tribüne.)
Es wäre ja nicht das erste Mal, daß im Aufträge der
äußersten Rechten der sozialdemokratische Vorsteher die
Polizei holt, das haben wir ja hier schon erlebt und
wer werden es x-mal wieder erleben. Jetzt zeigt es
sich aber und gilt es, festzustellen, daß dieser Hinweis
aus das demokratische Wahlergebnis eben nichts weiter
I ist als Heuchelet. Sie haben' das heute dokumentiert.
Wir werden davon Notiz nehmen und uns danach ein
richten.
(Zuruf links: Ihr seid Heuchler und Demagogen!)
Vorsteher Haß: Wegen des Vorwurfes der Heuche
lei, soweit er sich ans'Personen bezogen hat, rufe ich
Sie zur Ordnung, Herr Kollege Dörr!
Das Wort hat Herr Kollege Dittmann.
Stadtv. Dittman«: Meine Damen und Herren!
Fist aller Ruhe möchte ich gegenüber dein Herrn Dörr
einfach folgendes feststellen:
Wir als Sozialdemokraten stehen aus deut Stand
punkt,
(Zurufe/ von der Tribüne.)
daß die stärkste Fraktion den Vorsteher zu stellen hat
und daß die nächststärksten Fraktionen der Reihe nach die
Vorsteher-Stellvertreter usw. stellen müssen. Voraus
setzung dafür, daß mit die Ansprüche anderer Fraktionen
unterstützen, ist aber, daß diese Fraktionen unsern eigenen
Anspruch respektieren. Für den Kandidaten einer Frak
tion zu stimmen, die ihrerseits nicht für unsern Kandi
daten stimmt, haben wir gar keine Veranlassung und da
die Kommunisten nicht bereit waren, auch hier nicht und
überall nicht, wo es sich um ähnliche Wahlen gehandelt
hat, unserem berechtigten Anspruch entsprechend für unsern
Kandidaten einzutreten, lag für uns gar kein Anlaß vor,
für den Kandidaten der Kommunisten zu stimmen.
Andererseits stelle ist fest, daß sowohl die Demo
kratische Fraktion wie die Fraktion des Zentrums, also
beide, unsern berechtigten Anspruch aus den ersten Vor
steherposten anerkannt haben. Demzufolge haben wir uns
aus den Standpunkt gestellt, daß wir auch den Anspruch
der Demokraten und auch des Zentrums, selbst wenn er
nrcht offiziell erhoben ist, anerkennen und aus diesem
Januar 1925. 5
Grunde haben wir in dem Wahlgange, der eben vor
sich gegangen ist, für einen Kandidaten des Zentrums
gestimmt.
(Zuruf: Für die 8 Mann!)
(Zuruf: Aus die Qualität kommt es an!)
Das ist die einfache Erklärung, die ich hier gebe.
(Große Unruhe im Saal durch Gespräche. Glocke.)
Ich kann ja solange warten, bis die Herren etwas
ruhiger sind, ich brauche mich ja nicht übermäßig anzu
strengen.
Vorst. Haß: Ich bitte die Herrschaften, ihre
Plätze einzunehmen!
(Zurus links: Wir können hinten nichts hören!)
(Stadtv. Schwarz: Ich kann nicht mehr sitzen!)
Vorst. Haß: Ich muß aber sehr darum bitten,
daß die Plätze eingenommen werden!
(Redner fortfahrend) Meine Damen und Herren! Herr
Dorr hat gemeint, es sei fraglich, ob es überhaupt zu
lässig ist, Stimmen für gültig zu erklären, die abge
geben sind für einen Stadtverordneten, der nicht offiziell
vorgeschlagen ist. Meine Damen und Herren, das ist keine
Zweifelsfrage. Es sind also die Stimmen gültig, die
für einen Stadtverordneten abgegeben werden, denn jeder
Stadtverordnete ist wählbar. Ich darf nur darauf hin
weisen, daß z. B. im Reichstage der Herr Löbe überhaupt
nicht offiziell in der Plenarsitzung des Reichstages vor
geschlagen ist. Trotzdem ist er gewählt worden und er ist
der Präsident des Reichstages. Ich glaube, darüber sind
sich die Juristen einig, daß da keine Zweifelsfrage vor
liegt. Das möchte ich auch noch klargestellt haben.
Stadtv. Dörr: Ein paar Worte nur.
(Große Unruhe durch Gespräche.)
Vorst. Haß: Bitte um Ruhe!
Ich habe sehr ruhig mit angehört, lvas Ihr Herr
Dittmann hier sagte, ich hoffe, Sie werden auch das
zur Kenntnis nehmen können, tpas ich dazu zu sagen habe.
(Zurus links: Das kommt aus Ihre Worte an! Nur,
wenn es was Vernünftiges ist!)
Die Art der Beeinflussung, die Herr Dittmann hier
beliebt hat, erinnert sehr stark an einen Prozeß in Magde
burg, Ivo man eine ähnliche Methode versucht hat,
(Lachen.)
wo mit ähnlicher Methode Herr Dittmann zu beweisen
suchte, daß ein sehr nützlicher Landesverrat kein Lan
desverrat .gewesen ist. < ' „ '
Vorst. H a ß: Herr Kollege Dörr, das ist aber nicht
zur Geschäftsordnung!
Ja, es dient aber zur Begründung meiner Einwen
dungen.. I
Vorst. Haß: Das kann ich nicht anerkennen!
Wenn es Ahnen auch unangenehm ist, >es gehört doch dazu,
da ist nichts zu machen.
Im übrigen hat sich Herr Dittmann hier eine Ver
gewaltigung der Geschäftsordnung geleistet, denn er hat
gemeint, daß Kandidaten nicht vorgeschlagen zu werden
brauchen. Wenn die Vorschläge der Kandidaten nicht
voraus gingen, dann wäre eine Wahl überhaupt unmög
lich. Sie. haben vorhin erst hier festgestellt, daß es mög
lich ist, wenn nur ein Vorschlag erfolgt, auf eine
weitere Wahl zu verzichten. Der Vorschlag der kleinen
Achtmüunersraktion, des Zentrums, ist nicht gekommen,
die Sozialdemokraten haben sich beflissen gefühlt, trotz
dem eine der kleinsten Fraktionen, eine bürgerliche Frak
tion, hier zu wählen. Es ist selbstverständlich, wie Herr
Dittmann ganz richtig erklärte: Eine Hand wäscht die
andere,
(Zurufe, Lachen.)
mit dein Zentrum und den Demokraten leben Sie tut
sehr schönen, glücklichen Verhältnis, und ich bin davon
überzeugt, binnen kurzer Zeit wird auch die Deutsche
Volkspartet wieder m ihre Atme zurückkehren, Sie werden
mit Stresemaun dann so gut auskommen können, wie
Sie es bisher konnten.
(Zurus links: Und Sie mit Koch!)