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ändert, daß bei einem Denkmal, das mit einem Teil
in den Boden eingegraben ist, eben die Tiefbau-
uerroaltung zu entscheiden hat. Die Kunstdeputation
ist bis dahin nicht gefragt worden, sondern die T i e f -
bauoermaltung hat darüber zu entscheiden, ob
ein Kunstdenkmal gereinigt werden soll, ob es er
neuert werden soll usw. Die Tiefbauverwaltung des
Bezirksamts, stster glaube ich des Bezirksamts Mitte,
hat getreu dem ihr übertragenen Aufträge nun eine
® r o b ft e i 11 f i r nt a beauftragt. Eine Grab -
ft e i n f i r m a zur Erneuerung des Schil
lerdenkmals! Das kann von symbolischer Be
deutung sein, nicht wahr? Die Stadtverwaltung, der
Magistrat, wird sich vielleicht einen Grabstein für den
eigenen Kunstgeschmack haben setzen wollen.
(Links: Sehr gut!)
Das ist unangenehm! Wir befinden uns gewisser
maßen, wenn wir die Dinge in der Stadtverwaltung
betrachten, jetzt im Anfang einer Kunstära. Nachdem
wir die Hürden gewisser Sportbestrebungen über
sprungen zu haben scheinen, sind wir jetzt sozusagen
mitten drin in der Gestaltung einer neuen Kunst-
ä r a. Wenn man eine solche Kunstära inauguriert,
dann bleiben der Nachwelt die Nomen derjenigen, die
dafür verantwortlich sind, mehr in Erinnerung, als
wenn sie durch so und soviele Sportereignisse in den
Vordergrund gestellt mürben. Die gehen vorüber und
die Namen der Betreffenden werden auch schneller
vergessen. Also beginnen mir eine neue Kunstära! Un
glücklicherweise geht im selben Moment die Tiefbau
verwaltung gegen ein Denkmal vor, gegen das kein
vernünftiger Mensch etwas einzuwenden haben wird,
gegen das Schillerdenkmal! Die Figur zeigt eine Fein
heit der Ausführung, gegen die die Tiefbauverwal
tung natürlich paragraphenmäßig vorgehen muhte!
Anscheinend hak man im Tiesbauamt des Bezirks
amts Mitte nichts weiter zu tun. Ich weiß nicht, ob
der Dezernent literarisch belesen ist. Wie er sich aber
auf feinem Gebiete fachlich gezeigt hat, glaube ich
nicht annehmen zu können, daß er literarisch belesen
ist, sonst würde ich nämlich sagen, er hat getreu seiner
politischen Ueberzeugung geglaubt, vielleicht hier gegen
einen Dichter vorgehen zu müssen, der fein Jugend
werk mit dem Sinnspruch verzierte: „In tyronnos!"
Gegen diesen „Revolutionär" mußte man
etwas tun! „Ich bin Angehöriger einer bürgerlichen
Fraktion" — so hat sich der Herr Stadtbaurat von
Mitte vielleicht gesagt — „und da müssen wir wenig
stens etwas tun: „Ron mit dem Raspel!"
(Heiterkeit.)
Meine Damen und Herren! Wir haben dadurch
wenigstens etwas erreicht. Wir haben erreicht, daß
einzelne Berliner Zeitungen, die nicht genügend Stoff
hatten, vor allen Dingen deswegen nicht genügend
Stoff hatten, weil einige Herren, die das sonst tun,
aus den Stadtverordneten-Aussthußsitzungen ihnen
zu wenig berichten konnten, nun wenigstens die Tat
sache des beschädigten Schiller-Denkmals zu Artikeln
verwerten konnten, teils zu Artikeln, teils zu poetischen
Ergüssen. Mit dem Verlesen der poetischen Ergüsse
will ich Sie verschonen.
(Stadtv. von Eynern: Das ist der Fluch der bösen
Tat!)
Ein Teil der hier Anwesenden hat diesen Erguß schon
über sich ergehen lassen müssen als Mitglieder der
Bezirksversammlung Mitte. Hier also will ich nach
sichtig sein.
(Stadtv. Czeminski: Ich habe es nicht gehört!)
Einen dieser Artikel ober kann ich Ihnen nicht vor
enthalten, der im Berliner Tageblatt unter der Ueber-
schrift „Der auf neu gereinigte Schiller" erschienen
ist. Wir gebeG also durch die Arbeiten der Tiefbau
verwaltung Anlaß zu ironischen Zeitungsartikeln. Es
heißt dort:
„Berlin hat es immer mit der Reinlichkeit im
Sinne seiner Pauline Buchholz gehabt. Die Denk
mäler mußten blitzen wie das Cuivre poli in der
guten Stube dieser Dame. Die staatlichen und
Kronbehörden machten mit. Von den Figuren am
Bassin von Sanssouci ist im Laufe der Zeit gewiß
ein halber Zentimeter fortgeschmirgelt worden. Nun
hat die Stadt die Reinlichkeit aufgegeben, wo sie
Februar 1925.
verdienstlich war. Man kann unsere Straßen nur
noch mit Ekel ansehen; keine andere deutsche Groß
stadt sieht so ungepflegt aus. Aber da, wo die Reini
gung ein Laster war, ärgerlich und lächerlich zu
gleich, da wird sie weiter geübt. Die Tiefbauver
waltung, der feit je und noch immer utifüglich auch
die Denkmäler unterstehen, hat gegen das Schiller-
denkmal von Begas Arbeiterhände mit Säuren und
Raspel — wirklich mit Raspel! — losgelassen. Ein
Optimist wird nun vielleicht glauben, daß man jetzt
wenigstens diesem Unglücksamt die Denkmälerfür
sorge entziehen werde. Das geschieht aber nicht, wie
niemals etwas geschieht. Es werden höchstens Er
wägungen schweben. Ressort ist Ressort. Und Kunst
nur eine Sorge, wenn bei Festen über sie geredet
werden muß."
Dieser Artikel hat nun allerdings wenigstens die
normal empfindenden Menschen in der Berliner Stadt
verwaltung nicht schlafen lassen. Ich will nicht sagen,
daß sie überhaupt sonst schlafen bei der Erledigung
ihrer städtischen Ausgaben. Also, die Mitglieder der
Kunstdeputation sind dazu gekommen, auf Grund des
von uns eingebrachten Antrages den Magistrat zu
ersuchen, Vorschläge zu machen, wie in Zukunft die
Dinge gehanbhabt werden können, und wir haben
auch in der Kunstdeputation derartige Vorschläge an
genommen, wahrscheinlich sehr zum Leidwesen der
Tiefbauverwaltung des Bezirksamts Mitte, die nun
gar nichts mehr zu tun hat, nachdem sie gegen die
Denkmäler nicht mehr vorgehen kann. Wir haben
eine Ergänzungsvorlage in der Kunstdeputation be
kommen, die genau festlegt, wie in Zukunft nicht nur
Marmordenkmäler, sondern auch Bronzedenkmäler zu
behandeln sind. Es wird ein Verfahren angewendet
werden mit einer Mischung von irgend einer Lösung
und Wachs, die die Denkmäler, die aus Marmor sind,
mit einer Schicht überzieht und schützt.
Was ober bei der ganzen Angelegenheit bedenk
lich ist, ist, daß das städtische Nachrichtenamt, obgleich
die Stadtverwaltung wissen mußte, wie fatal für die
Stadt die Dinge lagen, dennoch auf Veranlassung
eines zuständigen Magistratsdezernenten, nehme ich
an, berichten konnte, es fei alles in Butter, — das
Denkmal war nicht in Butter, das wäre besser ge
wesen, als daß es mit dem Raspel behandelt worden
wäre —, „gegen die Angelegenheit wäre
gar nichte zu sagen, es wäre eine Kom
mission tätig geworden und die Kom -
in i f i o n hätte festgestellt, die Behand
lung m i t dem Raspel und mit Säuren
durch eine Grabsteinfirma hätte dem
Denkmal nichts geschahe t."
Um so mehr konnte man staunen, als am nächsten
Tage durch eine wirkliche Sachverständigenkommission,
nämlich durch einen Gutachterausschuß der Akademie
der Künste unter Führung eines Mitgliedes der
Kunstdeputation, Prof. Liebermann, dann bekannt ge
geben wurde, daß tatsächlich wesentliche und
unentschuldbare Veränderungen durch
diese unsachgemäße Behandlung ent
standen sind. Was dort ruiniert worden ist,
ist niemals wieder herzustellen. Sie werden das nach
gelesen hoben in den Zeitungen unter der Ueberfchrift:
„Das beschädigte Denkmal, ein Gutachten der Aka
demie der Künste." Ich will das Gutachten nicht ver
lesen. Es bleibt die betrübliche Tatsache bestehen, daß
infolge ungenügender Aufsicht eine Tiefbauverwaltung
in der Langenweile, die sie hat, auf den ulkigen Ge
danken gekommen ist, mal an das Schillerdenkmal her
anzugehen, so daß dieser Schaden nun dauernd be
stehen bleibt.
Meine Damen und Herren! Nun komme ich auf
den Teil unseres damals einstimmig angenommenen
Dringlichkeitsantrages, der noch nicht erledigt ist, und
ich will die beiden Reste des Magistrats auf diesen un
erledigten Teil hinweisen.
(Zuruf: Es ist ja nur e i n Rest!)
0, bitte sehr, rechts sitzt ein ebenso wertvoller Rest.
Ich möchte also die beiden heute noch vorhandenen
wertvollen Reste des Magistrats auf den unerledigten
Teil des Dringlichkeitsantrages aufmerksam machen.