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Volume Sitzung 8., 26. Februar 1925

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1925 (Public Domain)

178 Sitzung ant 26. 
ändert, daß bei einem Denkmal, das mit einem Teil 
in den Boden eingegraben ist, eben die Tiefbau- 
uerroaltung zu entscheiden hat. Die Kunstdeputation 
ist bis dahin nicht gefragt worden, sondern die T i e f - 
bauoermaltung hat darüber zu entscheiden, ob 
ein Kunstdenkmal gereinigt werden soll, ob es er 
neuert werden soll usw. Die Tiefbauverwaltung des 
Bezirksamts, stster glaube ich des Bezirksamts Mitte, 
hat getreu dem ihr übertragenen Aufträge nun eine 
® r o b ft e i 11 f i r nt a beauftragt. Eine Grab - 
ft e i n f i r m a zur Erneuerung des Schil 
lerdenkmals! Das kann von symbolischer Be 
deutung sein, nicht wahr? Die Stadtverwaltung, der 
Magistrat, wird sich vielleicht einen Grabstein für den 
eigenen Kunstgeschmack haben setzen wollen. 
(Links: Sehr gut!) 
Das ist unangenehm! Wir befinden uns gewisser 
maßen, wenn wir die Dinge in der Stadtverwaltung 
betrachten, jetzt im Anfang einer Kunstära. Nachdem 
wir die Hürden gewisser Sportbestrebungen über 
sprungen zu haben scheinen, sind wir jetzt sozusagen 
mitten drin in der Gestaltung einer neuen Kunst- 
ä r a. Wenn man eine solche Kunstära inauguriert, 
dann bleiben der Nachwelt die Nomen derjenigen, die 
dafür verantwortlich sind, mehr in Erinnerung, als 
wenn sie durch so und soviele Sportereignisse in den 
Vordergrund gestellt mürben. Die gehen vorüber und 
die Namen der Betreffenden werden auch schneller 
vergessen. Also beginnen mir eine neue Kunstära! Un 
glücklicherweise geht im selben Moment die Tiefbau 
verwaltung gegen ein Denkmal vor, gegen das kein 
vernünftiger Mensch etwas einzuwenden haben wird, 
gegen das Schillerdenkmal! Die Figur zeigt eine Fein 
heit der Ausführung, gegen die die Tiefbauverwal 
tung natürlich paragraphenmäßig vorgehen muhte! 
Anscheinend hak man im Tiesbauamt des Bezirks 
amts Mitte nichts weiter zu tun. Ich weiß nicht, ob 
der Dezernent literarisch belesen ist. Wie er sich aber 
auf feinem Gebiete fachlich gezeigt hat, glaube ich 
nicht annehmen zu können, daß er literarisch belesen 
ist, sonst würde ich nämlich sagen, er hat getreu seiner 
politischen Ueberzeugung geglaubt, vielleicht hier gegen 
einen Dichter vorgehen zu müssen, der fein Jugend 
werk mit dem Sinnspruch verzierte: „In tyronnos!" 
Gegen diesen „Revolutionär" mußte man 
etwas tun! „Ich bin Angehöriger einer bürgerlichen 
Fraktion" — so hat sich der Herr Stadtbaurat von 
Mitte vielleicht gesagt — „und da müssen wir wenig 
stens etwas tun: „Ron mit dem Raspel!" 
(Heiterkeit.) 
Meine Damen und Herren! Wir haben dadurch 
wenigstens etwas erreicht. Wir haben erreicht, daß 
einzelne Berliner Zeitungen, die nicht genügend Stoff 
hatten, vor allen Dingen deswegen nicht genügend 
Stoff hatten, weil einige Herren, die das sonst tun, 
aus den Stadtverordneten-Aussthußsitzungen ihnen 
zu wenig berichten konnten, nun wenigstens die Tat 
sache des beschädigten Schiller-Denkmals zu Artikeln 
verwerten konnten, teils zu Artikeln, teils zu poetischen 
Ergüssen. Mit dem Verlesen der poetischen Ergüsse 
will ich Sie verschonen. 
(Stadtv. von Eynern: Das ist der Fluch der bösen 
Tat!) 
Ein Teil der hier Anwesenden hat diesen Erguß schon 
über sich ergehen lassen müssen als Mitglieder der 
Bezirksversammlung Mitte. Hier also will ich nach 
sichtig sein. 
(Stadtv. Czeminski: Ich habe es nicht gehört!) 
Einen dieser Artikel ober kann ich Ihnen nicht vor 
enthalten, der im Berliner Tageblatt unter der Ueber- 
schrift „Der auf neu gereinigte Schiller" erschienen 
ist. Wir gebeG also durch die Arbeiten der Tiefbau 
verwaltung Anlaß zu ironischen Zeitungsartikeln. Es 
heißt dort: 
„Berlin hat es immer mit der Reinlichkeit im 
Sinne seiner Pauline Buchholz gehabt. Die Denk 
mäler mußten blitzen wie das Cuivre poli in der 
guten Stube dieser Dame. Die staatlichen und 
Kronbehörden machten mit. Von den Figuren am 
Bassin von Sanssouci ist im Laufe der Zeit gewiß 
ein halber Zentimeter fortgeschmirgelt worden. Nun 
hat die Stadt die Reinlichkeit aufgegeben, wo sie 
Februar 1925. 
verdienstlich war. Man kann unsere Straßen nur 
noch mit Ekel ansehen; keine andere deutsche Groß 
stadt sieht so ungepflegt aus. Aber da, wo die Reini 
gung ein Laster war, ärgerlich und lächerlich zu 
gleich, da wird sie weiter geübt. Die Tiefbauver 
waltung, der feit je und noch immer utifüglich auch 
die Denkmäler unterstehen, hat gegen das Schiller- 
denkmal von Begas Arbeiterhände mit Säuren und 
Raspel — wirklich mit Raspel! — losgelassen. Ein 
Optimist wird nun vielleicht glauben, daß man jetzt 
wenigstens diesem Unglücksamt die Denkmälerfür 
sorge entziehen werde. Das geschieht aber nicht, wie 
niemals etwas geschieht. Es werden höchstens Er 
wägungen schweben. Ressort ist Ressort. Und Kunst 
nur eine Sorge, wenn bei Festen über sie geredet 
werden muß." 
Dieser Artikel hat nun allerdings wenigstens die 
normal empfindenden Menschen in der Berliner Stadt 
verwaltung nicht schlafen lassen. Ich will nicht sagen, 
daß sie überhaupt sonst schlafen bei der Erledigung 
ihrer städtischen Ausgaben. Also, die Mitglieder der 
Kunstdeputation sind dazu gekommen, auf Grund des 
von uns eingebrachten Antrages den Magistrat zu 
ersuchen, Vorschläge zu machen, wie in Zukunft die 
Dinge gehanbhabt werden können, und wir haben 
auch in der Kunstdeputation derartige Vorschläge an 
genommen, wahrscheinlich sehr zum Leidwesen der 
Tiefbauverwaltung des Bezirksamts Mitte, die nun 
gar nichts mehr zu tun hat, nachdem sie gegen die 
Denkmäler nicht mehr vorgehen kann. Wir haben 
eine Ergänzungsvorlage in der Kunstdeputation be 
kommen, die genau festlegt, wie in Zukunft nicht nur 
Marmordenkmäler, sondern auch Bronzedenkmäler zu 
behandeln sind. Es wird ein Verfahren angewendet 
werden mit einer Mischung von irgend einer Lösung 
und Wachs, die die Denkmäler, die aus Marmor sind, 
mit einer Schicht überzieht und schützt. 
Was ober bei der ganzen Angelegenheit bedenk 
lich ist, ist, daß das städtische Nachrichtenamt, obgleich 
die Stadtverwaltung wissen mußte, wie fatal für die 
Stadt die Dinge lagen, dennoch auf Veranlassung 
eines zuständigen Magistratsdezernenten, nehme ich 
an, berichten konnte, es fei alles in Butter, — das 
Denkmal war nicht in Butter, das wäre besser ge 
wesen, als daß es mit dem Raspel behandelt worden 
wäre —, „gegen die Angelegenheit wäre 
gar nichte zu sagen, es wäre eine Kom 
mission tätig geworden und die Kom - 
in i f i o n hätte festgestellt, die Behand 
lung m i t dem Raspel und mit Säuren 
durch eine Grabsteinfirma hätte dem 
Denkmal nichts geschahe t." 
Um so mehr konnte man staunen, als am nächsten 
Tage durch eine wirkliche Sachverständigenkommission, 
nämlich durch einen Gutachterausschuß der Akademie 
der Künste unter Führung eines Mitgliedes der 
Kunstdeputation, Prof. Liebermann, dann bekannt ge 
geben wurde, daß tatsächlich wesentliche und 
unentschuldbare Veränderungen durch 
diese unsachgemäße Behandlung ent 
standen sind. Was dort ruiniert worden ist, 
ist niemals wieder herzustellen. Sie werden das nach 
gelesen hoben in den Zeitungen unter der Ueberfchrift: 
„Das beschädigte Denkmal, ein Gutachten der Aka 
demie der Künste." Ich will das Gutachten nicht ver 
lesen. Es bleibt die betrübliche Tatsache bestehen, daß 
infolge ungenügender Aufsicht eine Tiefbauverwaltung 
in der Langenweile, die sie hat, auf den ulkigen Ge 
danken gekommen ist, mal an das Schillerdenkmal her 
anzugehen, so daß dieser Schaden nun dauernd be 
stehen bleibt. 
Meine Damen und Herren! Nun komme ich auf 
den Teil unseres damals einstimmig angenommenen 
Dringlichkeitsantrages, der noch nicht erledigt ist, und 
ich will die beiden Reste des Magistrats auf diesen un 
erledigten Teil hinweisen. 
(Zuruf: Es ist ja nur e i n Rest!) 
0, bitte sehr, rechts sitzt ein ebenso wertvoller Rest. 
Ich möchte also die beiden heute noch vorhandenen 
wertvollen Reste des Magistrats auf den unerledigten 
Teil des Dringlichkeitsantrages aufmerksam machen.
	        
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