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Volume Sitzung 8., 26. Februar 1925

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1925 (Public Domain)

Sitzung ant 26. 
neuen schweren E r s ch ü t t e r n g e n nicht nur in 
den Kommunen, sondern auch in den Landern und 
im Reich führen muß 
Noch ist es Zeit, das geschehene Unrecht wieder 
gut zu machen. Wir glauben uns dabei nicht auf die 
K. P. D. verlassen zu können, die ja nach ihrer letzten 
Entwicklung nicht daran denken wird, hier zur Aer- 
nunft und zu einer wirklich im Interesse der Arbeiter 
schaft gelegenen Kulturpolitik zurückzukehren. Wir 
glauben aber, daß doch andere Parteien um ihre Be 
schlüsse einigermaßen bange geworden sein müßten. 
Der Beschluß ist seinerzeit aus der Idee des B ü r - 
g e r b l o ck s heraus geboren worden, an dem man. 
ja damals hier im Rathause schmiedete. Inzwischen 
haben wohl einige Parteien aus der politischen Ent 
wicklung und aus der Entwicklung, die dieser Beschluß 
selbst durchlaufen hat, einiges hinzugelernt, haben sie 
gelernt, daß eine lediglich antisozialdemo 
kratische Politik uns in Irrungen und Wir 
rungen hineinführen muh, deren Ende nicht ab 
zusehen ist. 
Meine Damen und Herren! Sie werden es ver 
stehen, wenn wir uns jetzt wie vorher mit allen Mit 
teln gegen diese Politik wehren. Wir sind dazu ver 
pflichtet durch die Verantwortung, die wir gegenüber 
der Masse unserer Wähler tragen. Darum erlauben 
wir uns, in dem zweiten Teil unseres Antrages an 
Sie einen Appell zu richten, das geschehene Unrecht 
wieder gut zu machen und dafür zu sorgen, daß durch 
die Wiederwahl Paulsens zum Stadtschulrat der Be 
weis erbracht wird, daß auch im Berliner Rathaus 
Vernunft und Recht noch einen Kurswert haben. 
(Bravo! bei den Sozialdemokrataen.) 
Sfabfv. Dr. Steiniger: Meine Damen und Her 
ren! Ich möchte mich kurz zu der Magistratsoorlage 
äußern. Im Grunde genommen haben meine Freunde 
und ich eigentlich nichtdasBedürfnis, der Vor 
lage stattzugeben. Wir finden, es könnte eine Zeit 
lang auch so gehen. Zwar haben meine Freunde 
seinerzeit — im Gegensatz zu der Annahme des 
Herrn Vorredners — Herrn Pausten mit abbauen 
helfen aus persönlichen Gründen. Aber wenn man 
jetzt schleunigst die Stelle besetzt, und es kommt dann 
ein anderes politisches Element in die Stelle hinein, 
so hat das einen gewissen gehässigen Charakter. 
(Stadtv. Dr. Weyl: Immer dasselbe politische 
Element.) 
Ja, das Element können wir wohl wählen, aber 
nicht die Person, die wir für untauglich erklärten. 
Darüber wollen wir uns doch klar sein, Herr Dr. 
Weyl. 
Dann zweitens haben meine Freunde und ich 
so ein bißchen das Gefühl, daß bei gewissen Vor 
gängen in der letzten Zeit es sich wieder um so ein 
gewisses Haustiergeschäft handelt, das ja recht 
häufig zu sein scheint. 
(Stadtv. Dr. Weyl: Kuhandel nenstt man das!) 
Nun find wir in derartigen Handelsgeschäften wenig 
bewandert. 
(Lachen links? 
(Zuruf links: Das war der beste Witz, den Sie 
gemacht haben!) 
(Zuruf: Als ehemaliger Kämmerer!) 
Ich freue mich Ihrer Zustimmung. Ich lache gern 
mit. 
(Zuruf links: Sie hätten das Geschäft beim Ab 
bau machen müssen!) 
Verzeihen Sie, das wäre noch unsauberer gewesen! 
(Heiterkeit.) 
Also, wir machen so etwas nicht. Wir gönnen neidlos 
anderen Fraktionen die größere Gewandtheit auf 
diesem Gebiete, aber wir machen das nicht immer mit. 
Deshalb gehen wir in diese ganze Verhandlung sehr 
kühl und objektiv hinein. 
(Zuruf links: Objektiv ist gut!) 
Wir find also der Meinung, wir müßten es mit 
den drei Fachmännern, die wir haben, durchaus eine 
Zeit lang versuchen. Rein sachlich ist das durchaus 
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möglich. Jeder Fachmann wird mehr herausschlagen 
können zum Wohle des Ganzen, als wenn die drei 
Fachleute wieder zusammengefaßt werden in einer 
Person, die dann das Material doch nicht einheitlich 
beherrschen kann. 
(Links: Sehr richtig!) 
Ich alaube, insbesondere ein Gebiet, das uns allen 
nahe liegt, nämlich das Fach- und Fortbildungsschul 
wesen, kommt bei diesen Dingen ganz entschieden zu 
kurz. 
(Zuruf: Aber Herr Merten doch nicht!) 
Aber ich bitte, nicht solche Anspielungen, bei denen 
man rot werden müßte! 
(Heiterkeit.) 
Das könnte doch also sehr leicht zu kurz kommen, nicht 
wahr? Wenn nun die drei vollkommen gleichberechtigt 
nebeneinander sind, dann hätte ich eigentlich die Mei- 
nuna, könnten sie mal zeigen, wer es besser kann. Es 
kann jeder für feinen- Teil das Beste herausholen. Man 
kann natürlich auch anderer Meinung fein, 
das gebe ich gern tzu. Und wenn Sie 
mit aller Gewalt an den Ausschuß herangehen 
wollen, so werden mir uns das nicht versagen. Wir 
werden uns aber sehr wohl unsere Stellungnahme vor 
behalten. Wir werden den Beweis erwarten, daß 
wirklich eine Neubesetzung für die Stadt und für das 
ganze Schulwesen eine wesentliche Besserung verspricht. 
Wenn das nicht der Fall ist, werden wir uns zu Han 
delsgeschäften nicht gebrauchen lassen. 
Ein Wort noch zu der anderen Ausführung des 
Herrn Kollegen Lohmann: Ich verstehe, meine Damen 
und Herren, und finde es menschlich ganz richtig, daß 
Sie so für Herrn Pausten eintreten. Rechtlich läßt sich 
das aber, glaube ich, sehr schwer machen. Und wenn 
Sie Kritik an dem Herrn Oberpräsidenten üben, so 
weste ich darauf hin: er ist nur eine Instanz des 
Systems, das jetzt herrscht. 
(Lachen. — Links: Oh!) 
Sfabto. von Eynern: Meine sehr verehrten 
Damen und Herren! Zu der vorläge des Magistrats 
ist eigentlich sehr wenig zu sagen. Ich höre eben, daß 
der Antrag gestellt werden soll, sie einem Ausschuß 
zu überweisen. Meine Freunde werden dem nicht 
widersprechen. Wir werden ja dann im Ausschuß 
hören, aus welchen Gründen der Magistrat eine Neu 
besetzung der Stelle für erforderlich hält, und ich 
kann in dieser Beziehung nur sagen, es scheint mir, 
daß die Neubesetzung ja ohnehin nicht mit großer Be 
schleunigung erfolgen kann, da die Praxis des Herrn 
Oberpräsidenten dahin geht, vorläufig mit Rücksicht auf 
die Entscheidungen des Ausschusses beim Kammer 
gericht Neubesetzungen nicht zu bestätigen. Wenn 
diese alten Abbauangelegenheiten auch schon vom Aus 
schuß des Kammergerichts erledigt sind, so hat doch 
die Partei des Herrn Dr. Lohmann sich bekanntlich 
außerordentlich stark eingesetzt gegen den Abbau von 
Wahlbeamten, nämlich ganz allgemein gegen den 
Abbau von Wahlbeamten, nicht nur gegen 
den Abbau der Person des Herrn Pausten. 
Die Gründe hierfür find sehr selbstverständlich, 
sie hatte eben Angst, daß gerade ihre Herren 
davon betroffen werden könnten. Dement 
sprechend hat die sozialdemokratische Fraktion im 
Landtag einen Antrag gestellt über den sich ja der 
Ausschuß im Landtage demnächst wird unterhalten 
müssen. Es ist nun fraglich, welche Entscheidung der 
Landtag fällt, und es ist durchaus verständlich, wenn 
der Herr Oberpräfident sich sagt, da will ich nicht der 
Gefahr ausgesetzt sein, daß nachher womöglich eine 
Doppelbesetzung der Stelle vorliegt, wenn nämlich 
nach einem neuen Rechtsverfahren diese Abbauange 
legenheit wieder geändert oder die Entscheidungen 
umgestoßen werden sollten. 
Meine Damen und Herren! Sie sehen also die 
Sache in einer Entwicklung, die gerade von der Partei 
des Herrn Dr. Lohmann durchaus als korrekt und 
angemessen bezeichnet werden könnte. Ich verstehe 
also nicht recht, welche Veranlassung für Herrn Loh 
mann vorlag, hier alle großen Register seines be 
kannten agitatorischen Genies zu ziehen.
	        
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