Sitzung am 26.
Wir kommen zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Anfrage der Stadtv. Dörr u. Gen. betr. Verlegung
von hospikalien in andere Anstalten. (Drucks. 165).
Zur Begründung hat Herr Stadtv. Rintorf das
Wort.
Stadtv. Rintorf: Meine Damen und Herren!
Wiederholt haben sich die Hospitanten an die Presse
gewandt. Nach den Veröffentlichungen muß man
sagen, daß unter diesen Hospitaliten, hauptsächlich bei
denen in Buch, eine außerordentliche Beunruhigung
deswegen herrscht, weil die alten Leute von der
Stätte, an der sie so lange zugebracht haben, an der
sie sich unter den Verhältnissen einigermaßen wohl ge
fühlt haben, in die Prooinzanstalten verlegt werden.
Die fortwährende Beunruhigung dieser alten' Leute
hat dazu geführt, daß Erschütterungen in ihrer Ge
sundheit stattgefunden haben. Es wird sogar be
hauptet, daß 2 Todesfälle vorgekommen sind.
Meine Damen und Herren! Man kann es ver
stehen, daß die Leute, die kurz vor dem Abschluß
ihres Lebens stehen, sich nach Ruhe sehnen.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie per
sönlich fragen, ob es Ihnen angenehm wäre, wenn
Sie in diesem späten Alter von einer Stätte zur andern
gejagt werden. — Darum haben wir hauptsächlich
diese Anfrage gestellt, die dahin geht: Was gedenkt
der Magistrat zu tun, um diesen Uebelständen abzu
helfen.
Man muß sich ferner vergegenwärtigen, daß,
wenn diese Leute nach den Landesanstalten kommen,
in die unangenehme Situation gesetzt werden, daß
wegen der Entfernungen ihnen nicht die Möglichkeit
gegeben ist, ihre Angehörigen zu sehen. Auch die An
gehörigen sind nicht in der Lage, ihre Eltern, Bater,
Mutter, oder wen sie sonst dort haben, wegen des
hohen Fahrgeldes zu besuchen.
Deshalb, meine Damen und Herren, ist es not-
i wendig, daß hier seitens des Magistrats eine Antwort
gegeben wird, die nicht nur uns als Stadtverordnete
befriedigt, sondern auch die alten Leute beruhigt, die
derartig ausfällt, daß eben mit der Zeit dieser Zustand
geändert wird.
Meine Damen und Herren, wie gradezu blöd
sinnig, möchte man behaupten, diese Verschickung ge-
handhabt wird, ergibt folgendes:
Die Leute werden zunächst in der Fröbelstraße ge
sammelt, halten sich dann vielleicht einige Zeit im
Hospital Buch auf und werden vom Hospital Buch
nach Wuhlgarten verlegt Eine vernünftige Ver
waltung müßte es verstehen, diese Verschickung, wie sie
hier geschehen ist, unmöglich zu machen.
Wir erwarten, wie gesagt, daß die Antwort des
Magistratsvertreters befriedigend ausfällt.
Vorst. haß: Zur Beantwortung der Anfrage
Herr Bürgermeister.
Bürgermeister Scholh: Meine Damen und
Herren! Es ist richtig, daß Verschickungen von Hospi
taliten sowohl in die Provinz, als auch Verlegungen
innerhalb der hiesigen Anstalten vorgenommen wer
den mußten. Aber diese Verlegungen und Verschif
fungen sind nicht so ganz blödsinnig, wie es der Herr
Vorredner bezeichnet hat, sondern sie entsprechen
vollständig der Vernunft. Man muß berücksichtigen,
daß wir im ganzen einen Bestand von 6 300 Siechen
haben, daß wir aber nur 5 200 Betten in Berlin selbst
haben. Infolge davon müssen wir, da wir außerdem
immer als Reserve 300 Betten haben müssen, 1400
Veiten anderweitig, in der Provinz belegen, deshalb
müssen die Betreffenden in die Provinz verlegt wer
den. Nach dem Schiedsspruch mit der Provinz infolge
des Gesetzes Groß-Berlin stehen uns allein in der
Provinz 5200 Betten zu, davon find 3800 für Geistes
kranke vorgesehen und die 1400 sind den Hospitaliten
vorbehalten.
Zunächst müssen also Betten in der Provinz mal
belegt werden. Dagegen hat, glaube ich, der Herr An
tragsteller sich auch nicht so sehr gewendet, wie gegen
die Verlegungen, die wir innerhalb der hiesigen An-
Februar 1925. 157
stalten vorgenommen haben. Er führt einen Fall an,
in dem ein alter Mann oder eine alte Frau zunächst
hier in ein Hospital Fröbelstraße oder Pallisadenstraße
gekommen ist und von dortaus nach Wuhlgarten. Das
hat seinen Grund darin, daß sehr häufig die alten
Leute schon so schwach sind, daß sie eben gar nicht mehr
transportfähig sind. Zur Schonung dieser alten Leute
nehmen wir dann den Transport nach Wuhlgarten
nicht sofort vor, sondern wir nehmen sie dann zunächst
in das erste nächstgelegene Hospital, um ihre Kräfte
auf diese Weise zu schonen. Wenn sie sich dann erholt
haben, kommt es manchmal vor, das Verlegungen
vorgenommen werden müssen, weil eben diese Plätze
innerhalb der Stadt freigemacht werden müssen.
Sie wissen, daß wir 3 Hospitäler haben: Fröbel
straße, Pallisadenstraße, Buch.
Buch kann aus demselben Grunde, nämlich wegen
der Entfernung eben nicht endgültig belegt wer
den, sondern Buch muß zunächst auch erst wieder be
legt werden von den Hospitaliten, die in den andern
Hospitälern erst gesammelt worden sind. Das sind die
Gründe für die Verlegung.
Wenn Herr Rintorf übrigens sagt — ich glaube
wenigstens das verstanden zu haben, es geht auch aus
dem Antrage, den Sie gestellt haben, hervor —, daß
wiederholt Verlegungen derselben Person vorgekommen
sind, d. h. also hin und zurück, dann bitte ich, mir die
einzelnen Fälle zu nennen, ich bin gerne bereit, sie zu
untersuchen. Daß aber aus den Gründen, die ich hier
angeführt habe, Verlegungen vorgenommen werden,
zunächst von der Fröbelstraße nach Buch, u. U. in die
Provinz, das wäre möglich, das entspricht der Not
wendigkeit.
Vorst. haß: Eine Besprechung der Anfrage wird,
nicht gewünscht. Dann ist Punkt 4 der Tagesordnung
erledigt.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort Frau Stadtv.
Rosenthal.
Stadtv. Frau Rosenkhal (Zur Geschäftsordnung):
Wie Ihnen allen bekannt fein dürfte, haben wir schon
vor ungefähr vier Wochen in einer nichtöffentlichen
Sitzung bei der Beantragung und Bewilligung von
Unterstützungen an Witwen ehemaliger ehrenamt
licher Mitglieder usw. einen Antrag eingebracht, der
dahin ging, die Unterstützungen für sämtliche Renten
empfänger so zu erhöhen, daß ein Auskommen möglich
ist.
Dieser unser Antrag steht auf jeder Tagesordnung
so ziemlich am Schluß. Auch heute müssen wir bemer
ken, daß er wieder als Punkt 32 auf der Tages
ordnung steht.
Nun trifft sich aber dieser unser Antrag mit einer
Eingabe, die ja wohl allen Mitgliedern zugegangen ist,
die der Zentralverband der Arbeitsinvaliden und
Witwen eingebracht hat, die auch endlich einmal auf
begehren und beweisen, daß sie mit den Unter
stützungssätzen nicht mehr auskommen können.
Ich beantrage deshalb, daß der Punkt 32 der Ta
gesordnung wenigstens als erster oder zweiter Punkt
jetzt verhandelt wird.
Vorst. haß: Frau Stadtv. Rosenthal hätte von
ihren Parteifreunden erfahren können, daß am
Dienstag nächster Woche ein Schwerinstag stattfindet,,
wo die Anträge behandelt werden sollen. Der Antrag
ist aber ordnungsgemäß gestellt. Wir müssen also dar
über abstimmen.
Wer dem Antrage der Kommunisten stattgeben
will, den Punkt 32 vorweg zu behandeln, bitte ich,
eine Hand zu erheben.
(Geschieht.)
Das ist nicht die Zweidrittelmehrheit des Hauses.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 7 der Tages
ordnung,
II. Beratung der Vorlage, bekr. Bewilligung von
190 500 cU zum Bau je eines Beamtenwohnhauses
für die Erziehungsheime in Lichtender^ Struveshof
und Lichkenrade — Drucks. 63 —
Das Wort hat der Berichterstatter Herr Anton
Schmidt.