120 Sitzung ant 12. Februar 192c».
der hier getätigten Abbaumaßnahmen. Da wurde
immer gesagt, es handelt sich keineswegs um politische
Gründe, sondern es handelt sich lediglich um sachliche
Gründe, aus denen man abbaut.
Also, in diesem Zusammenhaitg wurde durchaus
gesagt, daß dieses Haus sachliche Arbeit aus allen Ge
bieten leisten soll und leisten will.
Und nun noch ein anderes, meine Herren und
Damen: Wir müßten ja Kinder sein, wenn wir an
nehmen wollten, daß die Verbände der freien Wohl
fahrtspflege, soweit ihre Führungen in Frage kommen,
nicht irgendwie auch politisch orientiert wären.
(Sehr richtig!)
Ich möchte das von ganz bestimmten Vereinen bei
nahe nachweisen können, und zwar mit einer gewiss »n
Präzisierung, daß sie in jeder Beziehung sogar be
wußt Politik treiben.
(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)
Aber ganz davon abgesehen, es würde bedeuten,
daß zum erstenmal einem Verein, einer freien Ver
einigung Rechte der Stadtverordnetenversammlung
übertragen würden, die bisher noch keinem irgendwie
gearteten Jnteressenverbande zugestanden worden sind.
Das, was heute für die Wohlfahrts-Deputation ver
langt wird, könnte morgen für die Bildungsdepu
tatton, könnte übermorgen für irgend eine andere
Deputation Gepflogenheit werden sollen.
Wir glauben durchaus dem Verlangen der freien
Wohlfahrtspflege, an dieser Stelle mitarbeiten zu
können, entgegenkommen zu müssen, wenn wir den
Weg gefunden haben, daß die Vorschläge durch die
Stadtverordnetenversammlung auf dem Wege des
Verhältniswahlsystems angenommen werden sollen.
Damit ist Klarheit geschaffen, damit ist dem Recht
des Haufes kein Abbruch getan.
Ich möchte in diesem Zusammenhange auch da
rauf hinweisen, daß ja die freie Wohlfahrtspflege, die
ich auch vertrete, — ich bin die Vorsitzende einer Or
ganisation, die auch freie Wohlfahrtspflege treibt
und die es als ihre besondere Aufgabe betrachtet, die
städtische Wohlfahrtspflege nach besten Kräften, und
zwar unter Hergabe ihrer ganzen ideellen, zum Teil
auch materiellen Kraft zu unterstützen und zu helfen,
— seit langem zusammenarbeitet nur mit der Stadt
und nicht zuletzt durch die Stadt, ihre freie Arbeit
fördert dadurch, daß ja bereits eine Zentralarbeits-
gemeinschaft besteht. In dieser Zentral-Ärbeitsgemein-
schaft werden ja schon alle gemeinsamen Interessen be
sprochen, werden ja alle gemeinsamen Arbeiten auf
genommen. Ja, es ist doch schon der Zentralarbeits
gemeinschaft ein Stück Arbeit übertragen worden, die
Herausgabe eines Mitteilungsblattes, das wäre eigent
lich Aufgabe des Magistrats.
Also, ich habe vollkommen das Recht, den Antrag
der Sozialdemokratischen Partei, die Einbeziehung der
freien Wohlfahrtspflege in die Deputation über die
Stadtverordnetenversammlung nach dem Verhältnis
wahlsystem zu vertreten.
Wie liegen denn die Dinge, meine Herren und
Damen? Sie sprechen immer von einer freien Wohl
fahrtspflege. Noch niemand von uns, auch in den De
putationen, hat sich jemals dagegen gewehrt, daß die
Stadt mit ganz erheblichen Mitteilt ihre freie Wohl
fahrtspflege stützt und unterhält. Ohne diese Stützung
durch die städtischen Mittel wäre die freie Wohlfahrts
pflege längst zusammengebrochen. Ihre Kinderhorte
und Ihre Kindergärten könnten längst nicht mehr be
stehen, wenn die Stadt nicht 70% des Gehaltes ihrer
Angestellten dazu legte.
(Sehr richtig!)
Also, man kann im eigentlichen Sinne von einer
freien Wohlfahrtspflege heute nicht mehr sprechen,
(Sehr wahr!)
abgesehen von den großen staatlichen Mitteln, die der
freien Wohlfahrtspflege auch noch gegeben werden.
(Sehr wahr!)
Wir können also mit Fug und Recht sagen, wenn
Sie heute unter Einschränkung des Rechts der ge
wählten Bürgerdeputierten verlangen, daß die Ver
treter der freien Wohlfahrtspflege in die Wohlfahrts
deputation mit Sitz und Stimme einziehen sollen, Sie
damit eine gewisse Interessenpolitik vertreten.
(Bei den Sozialdemokraten: Sehr richtig!)
Das können wir als Bürger vor den Bürgern der
Stadt nicht verantvortem
(Sehr wahr!)
Das verbietet sich also schon aus gewissen Rücksichten
auf die Öffentlichkeit selbst. Es dürfte der Ehre der
freien Wohlfahrtspflege mehr entsprechen, wenn Sie
sich unserem Vorschlage stillschweigend anschlössen. Ich
bitte Sie also, dem Ausschuhantrage zuzustimmen und
sich damit abzufinden, daß die Bürgerdeputierten, vor
geschlagen von den Vereinen, über die Stadtverord
netenversammlung gewählt werden.
(Zustimmung und Bravorufe bei den Sozial
demokraten.)
Stadkv. Alerten: Meine Damen und Herren! Ich
halte es für meine Pflicht, gegenüber den Ausfüh
rungen der Frau Kollegin Rosenthal einige richtigstel
lende Bemerkungen zu machen.
(Zuruf: Ist Ihnen ja unmöglich. — Heiterkeit.)
Sie kennen mich zwar nicht, aber Sie halten es für
unmöglich.
(Heiterkeit.)
Daß sich im Jahre 1925 nach all den Kriegs
und Unglücksjahren, die wir durchgemacht haben, eine
Berliner Stadtverordnete hierher stellt und sagt, die
Organisation der freien Wohlfahrtspflege hätte nur
einen Zweck, sie trüge „zur Verdummung des ar
beitenden Volkes" bei,
(Stadtv. Fr. Rosenthal: Sehr richtig!)
habe ich bis heute für unmöglich gehalten und kann
ich auch heute nicht vereinbaren mit dem an und für
sich so klugen und liebenswürdigen Lächeln der
Frau Kollegin.
(Heiterkeit.)
Ich würde ihr nur den einen Rat geben, daß sie, be
vor sie dieses Urteil vielleicht in einem anderen Kreise,
wo sie sich noch mehr blamieren könnte,
(Zuruf: Kann nicht mehr geschehen! — Heiterkeit.)
wiederholt, erst mal in den Betrieb dieser Organi
sationen hinein schaut.
(Zuruf der Stadtv. Fr. Rosenthal.)
Meine Damen und Herren, ich habe vielleicht mehr als
die hier Anwesenden Gelegenheit gehabt, mich mit der
Sache zu beschäftigen, ich habe mich z. B. an Verhand
lungen in der Zentrale für soziale Fürsorge mit be
ratender Stimme und sonst wo betätigt.
(Zuruf: Wohl im Kriege!)
Nein! Nach dem Kriege, während des Krieges
war ich Soldat, vielleicht länger als Sie, Herr Kollege,
das merken Sie sich mal!
(Zuruf der Stadtv. Fr. Rosenthal.)
Wenn Sie in einen solchen Betrieb einmal hinein
schauen würden, dann müßten Sie die Ueberzeugung
gewinnen, daß da ehrliche, ernste Arbeit zum besten
aller Volksgenossen ohne Unterschied geleistet wird,
ohne Unterschied der Konfession.
(Zuruf: Das haben wir auf dem Schlesischen
Bahnhof gesehen!)
Ehe Sie eine so dumme Zwischenbemerkung machen
— nehmen Sie mir das nicht übel, es war nicht per
sönlich bemerkt, nein, es war nur sachlich so dumm —,
ehe Sie so etwas dazwischen bemerken, müssen Sie
sich doch mal überzeugen, daß'die Zentrale für soziale
Fürsorge mit den Vorgängen am Schlesischen Bahn
hof gar nichts zu tun hat. Dann bringen Sie Ihre Be
merkungen da an, wo sie hingehören.
Ich behaupte, wer da hineingeschaut hat, muß
eine hohe Achtung vor dem Idealismus, der sich in
diesen Organisationen auswirkt, bekommen und der
muß seine Knie beugen aus Dankbarkeit gegenüber
den Männern und Frauen, die unter großen persön
lichen Opfern ein Menschenalter hindurch im Dienst
dieser freien Wohlfahrtspflege stehen. Und wer sich
zu vieser Anerkennung nicht bekennen will, dem man
gelt es an jedem richtigen und objektiven Urteil. Der
soll lieber nicht darüber sprechen.
(Rechts: Sehr wahr!)