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Volume Sitzung 6., 12. Februar 1925

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1925 (Public Domain)

10(5 Sitzung aut 12 
möchte ich.mich an die Herren tuenden, die mir im 
Ausschuß immer entgegengehalten haben, wir hätten 
unseren Standpunkt geändert: Meine Damen und 
Herren, das ist nicht wahr. Wir haben immer gesagt, 
diese Gesellschaften sollen nach kaufmännischen Ge 
sichtspunkten verwaltet werden. Gut, in ihren eigent 
lichen Geschäftskreisen, nämlich in der Lieferung von 
Gas, in der Herstellung und Lieferung non Elektrizi- 
» ., in der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, 
auch in der Art und Weise, wie der Verkehr geregelt 
werden soll, soll alles kaufmännisch geschehen, aber 
im Rahmen der eigentlichen Zwecke, nämlich einer Pacht 
gesellschaft, die diese Betriebe führt. Betriebsführungs 
gesellschaften sind es und nicht Eigentuntsgesellschaften, 
die alle möglichen Dinge neu errichten, sondern diese 
Neuerrichtungen müssen von einer anderen Stelle 
ausgehen, und zwar von der Stadt. Sie müssen auch 
mit andörem Gelde gemacht werden als mit dem Gelde 
der sogenannten Ueberschüsse, was die Gesellschaften 
vielleicht liefern. 
(Zuruf: Ja, wo soll das herkommen?) 
Ja, meine Damen und Herren, die Aufsichtsrats- 
mitglieder und die Direktoren dieser Gesellschaften, 
deren Wirken wir durchaus anerkennen, folgen hier 
einem sehr gesunden Prinzip, das man auch in der 
Privatwirtschaft gerade heute sehr viel findet, nämlich 
dem Gedanken, die Werke aus sich gesund zu machen, 
aus sich heraus, und zwar unter Ausschaltung des 
Gesichtspunktes, daß der Aktionär Dividenden wünscht. 
Gut, meine Damen und Herren, wenn eine Privat 
gesellschaft das macht und der Aktionär sich das ge 
altert läßt. Sie kann tatsächlich aus ihren Ueber- 
chüssen soviel zurücklegen, daß sie sich damit gesund 
macht, ganz neue Fabriken herstellt, sich modernisiert 
nach jeder Richtung. Für eine Privatgesellschaft will 
ich das sehr hoch anerkennen. Dann ist das eben ein 
Zeichen dafür, daß sie eben in allererster Linie die 
Werke über den Profit stellen. Aber, meine Damen 
und Herren, bei einer Monopolgesellschaft und bei 
den Monopolgesellschaften, wie wir sie hier haben, ist 
dieses Verfahren doch bedenklich. Die Berliner Bürger 
sind doch gezwungen, Gas zu beziehen, sie sind ge 
zwungen, Elektrizität zu beziehen und das Wasser zu 
trinken. 
(Zuruf des Stadtv. Reuter.) 
O ja, Herr Reuter, da kennen Sie die Verhältnisse 
im kleinen Gewerbe nicht. Wer einmal seine Ma 
schinen darauf eingerichtet hat, daß sie elektrisch be 
trieben werden, ist davon abhängig, er muß Elek 
trizität beziehen, einerlei, wie teuer sie ist. Meine 
Damen und Herren, wir müssen mit der Elektrischen 
fahren, das hilft alles nichts, und es ist sehr einfach, 
durch eine Hochhaltung der Tarife sich dieses Geld zu 
verdienen in der Zeit und bann diese Summen zu 
rückzustellen. Meine Damen und Herren, wer be 
zahlt denn das nun aber in letzter Linie? In letzter 
Linie bezahlt das wieder einmal die Berliner Wirt 
schaft, d. H. die große Allgemeinheit der Berliner 
Bürger, die erwerbsmäßig tätig ist, sei es nun, daß 
die Löhne steigen müssen, weil dem Einzelnen seine 
Lebensbedürfnisse verteuert werden, sei es, daß sie 
unmittelbar Strom oder Gas beziehen und mehr an 
die Stadt abführen müssen. Also, meine Damen und 
Herren, hier wird man zweifellos durch dieses Ver 
fahren den Einzelnen in die Lage bringen, mehr 
von feinem Verdienst opfern zu müssen für das Ganze 
der Stadt. 
Meine Damen und Herren! Aber noch auf eine 
andere Weife wird erreicht, daß hier die Wirtschaft be 
lastet wird. Denn, meine Damen und Herren, wenn 
wir wirklich in den nächsten drei Jahren diese Beträge, 
die wir jetzt eingesetzt haben, als Kapitalentwertungs 
konto wieder aufbringen müssen, um den Gegenwert 
zu lwaffen, dann bedeutet das doch, daß unsere Werke 
nicht in der Lage sind, uns für die nächsten drei Jahre 
irgendwelche wirklichen Ueberschüsse zu liefern. Das 
können sie dann nicht und das dürfen sie sogar nicht. 
Der größte Richter wird sdarauf achten und muß 
darauf achten — die Verordnung schreibt das vor —, 
daß alle möglichen Ueberschüsse zunächst einmal ver 
wendet werden, um den Gegenwert für das Aktien 
, Februar 1925. 
kapital unter Fortfall des Kapitalentwertungskontos 
zu schaffen. 
Meine Damen und Herren, das bedeutet also, daß 
praktisch die Wirtschaft entsprechend höher belastet 
wird, und zwar wahrscheinlich auf dem Gebiete der 
Gewerbesteuer. Denn schließlich, wenn man einmal 
an die Aufstellung des Etats gehen wird, dann wer 
den wir ja sehpn, daß wir auf diese Ueberschüsse der 
Werke nur ungern verzichten können und daß dann 
zur Deckung der Etatsbedllrfnisse andere Quellen her 
angezogen werden müssen, und das wird wohl die 
gute ,liebe Gewerbesteuer sein. 
Meine Damen und Herren! Es ist sehr einfach, 
Anträge zu stellen, die dahin gehen, man soll die Ge 
werbesteuer herabsetzen. Die Herren von den Deutsch 
nationalen haben ja kürzlich eine solche Anfrage an 
den Magistrat gerichtet, ob denn nun der Magistrat 
beabsichtigt, dem dankenswerten Vorgehen des Reiches 
zu folgen auf dem Gebiete der Steuerermäßigung. 
Die Antwort des Herrn Kämmerers Haben Sie gehört, 
sie war im wesentlichen negativ. Ja, meine Herren 
von der Deutschnationalen Partei, wenn es Ihnen 
ernst mit solchen Anfragen ist, bann müssen Sie auch 
dafür sorgen, daß hier nicht Ueberschüsse, die wir so 
gut wie in der Tasche Haben, uns künstlich aus den 
Taschen gezogen werden und festgelegt werden, damit 
nun ja, wir, die böse Stadtverordnetenversammlung, 
in den nächsten drei Jahren nicht herankommen, son 
dern statt dessen Steuern ausschreiben müssen, und 
Sie werden gezwungen sein, Steuern auszuschreiben, 
weil Sie eben über die natürlichen Ueberschüsse der 
Werke anderweitig verfügt Haben. 
(Rechts: Sehr gut!) 
Darüber kann gar kein Zweifel herrschen. Meine Da 
men und Herren, es handelt sich hier gar nicht um 
geringe Summen. Wir Haben einen Antrag gestellt, 
diese Beträge nicht gänzlich zu streichen. Etwas Be 
triebskapital sollen selbstverständlich die Werke Haben 
und müssen sie haben, und sie müssen auch etwas mehr 
Haben, als sie bisher Haben. Aber ich glaube, wenn 
wir das Aktienkapital bei den großen Werken, bei 
Gas, Elektrizität und Straßenbahn, auf 8 Millionen 
festsetzen, und bei den Wasserwerken, die wir jetzt 
mit 6 Millionen versehen, es auf 3 Millionen fest 
setzen, dann bleibt immer noch ein Kapitalentwer 
tungskonto bei den großen Werken von ungefähr vier 
Millionen und bei den Wasserwerken von VA Mil 
lionen. Aber, meine Damen und Herren, was darüber 
hinausgeht, das bekommen wir doch frei für Ueber 
schüsse und können darüber verfügen. Das sind also 
bei den großen Werken je 8 Millionen und bei den 
Wasserwerken 3 Millionen, zusammen also 27 Mil 
lionen, immerhin eine ganz hübsche Summe, so daß 
wir, wenn wir sie durch 3 dividieren, dann im Jahre 
9 Millionen Haben, die wir auf diese Weise für die 
laufende. Etatsgestaltung retten können. 
Meine Damen und Herren! Jetzt wird man mir 
sagen: Ja, woher sollen wir denn bloß das Geld be 
kommen? Ich glaube, wir werden uns an den Ge 
danken gewöhnen müssen, daß wir unsere Werke nicht 
aus laufenden Einnahmen gesund machen können. Ich 
bitte Sie, sich einmal die Gesamtheit unserer Wirtschaft 
vor Augen zu halten. Wir sind nach dem verlorenen 
Kriege in der jetzigen Zeit auf einem Tiefstand unserer 
wirtschaftlichen Möglichkeiten angelangt, wie er viel 
leicht nicht wieder übertroffen werden kann. Man 
hat ausgerechnet, daß wir im letzten Jahre 2,7 Mil 
liarden aus unserem Volksvermögen zugesetzt Haben. 
Meine Damen und Herren! In einer solchen Zeit 
müssen mir dafür sorgen, unsere Wirtschaft aufrecht 
zu erhalten, und wir können unsere Wirtschaft nur 
ausrecht d. h. konkurrenzfähig erhalten, wenn wir sie 
möglichst wenig belasten, denn all diese Belastungen 
unserer Wirtschaft, die hier auf dem Umwege den 
Werken auferlegt werden sollen, wirken preisverteu 
ernd und machen unsere Produkte schließlich dem Aus 
lande gegenüber konkurrenzunfähig. 
Deshalb, meine Damen und Herren, werden wir 
für die Instandsetzung unserer Werke, für die Neu 
anlagen, die gemacht werden müssen, andere Mittel 
heranzuschaffen gezwungen fein.
	        
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