44 Sitzung mit 18.
machen, das kostet nur der Bürgerschaft von Berlin
etwas. Anstatt daß Sie hier sachliche Arbeit leisten,
kominen Sie mit provokatorischen und agitatorischen
Anträgen und fühlen sich nachher als die berufenen
Vertreter ausgerechnet der Berliner Bevölkerung. Auf
Zuruf links: Sie rede» ja auch dazu! Wenn ich darauf
antlvortc, hab ich dazu Grund und Berechtigung.
(Zuruf links: Aha!)
Wenn Sie den Unterschied nicht verstehen, dann ver
stehe ich Sie nicht. Wenn jemand ciitcit Antrag stellt,
ist er für die ganze Sache, die daraus sich entwickelt,
verantwortlich und nicht der, der ans Weltanschauung
sich dagegen wehrt.
(Zuruf des Stadtv. GroßMann.)
Herr Kollege Großmann, nachdem Sie soviel Zurufe
in der Neuköllner Bezirksversammlung gemacht haben,
seien Sie doch wenigstens heute still, ausgerechnet Sic!
Ja, meine verehrten Herren von der Linken, cs
ist Ihnen Meistenteils unangenehm, weint ein völkischer
Vertreter das Wort nimmt.
(Zuruf links: Nein, sehr angenehm!)
Wenn Ihnen das nicht so unangenehm wäre, würden
Sie wahrscheinlich etwas stiller sein und nicht ver
hindern, daß man Ihnen die Wahrheit sagt.
(Stadtv. Dr. Wehl: Die Wahrheit? Aus Ihrer Quelle?)
— Sollten Sie die allein objektive haben, Herr Dr. Wehl?
Ich habe Sie für so schlau noch nicht gehalten! —•
Es ist das von Herrn Dr. Weinberg Angezogene
weiter nichts als eine Agitation und zwar eine sehr
schwache Agitation. In dem Augenblick, tue die ganze
Welt von Waffen starrt, ivo überall der kriegerische "Geist
im Ausland lebendig ist, da sorgen Sie dafür, nachdem
lvir zunächst einmal wehrlos sind, daß auch jede Spur
eines männlichen Geistes bei uns verloren geht. Sie
möchten am liebsten, daß alle Deutschen Weiber würden,
(Große Heiterkeit, Klopsen auf den Tischen.)
daß jedes männliche Gefühl aus den deutschen Herzen
genommen würde.
(Zurns: Da müßten Sie dagegen protestieren!)
Dann hätten Sie erreicht, was Sie wollen, dann wäre
Deutschland vollständig dem Auslande preisgegeben, unter
dessen Sklavenpeitsche wir jetzt schon seufzen. Das ist so
Ihre agitatorische Art und Weise bei Gelegenheit eines
Kriegerdenkmals, der Ehrung der Gefallenen, die allen
Kreisen angehören, die etwas Ehrwürdiges ist.
(Zuruf links.)
Da sollten Sie sehr ruhig sein. Aber das ist ja bei
Ihnen tatsächlich das, wovor Sie Angst haben. Herr
Kollege Kimbel sagte es schon, Sie haben eine heillose
Angst, daß der national-völkische Gedanke so stark lvird,
daß er Sie endlich nicht nur hier wegfegt, sondern auch
im Landtag und im Reichstag.
(Zwischenrufe. Lärm. Glocke.)
Es ist ja viel. besser, wenn Sie bei der nächsten Wahl
zeigen, lvas Sie können. Aber ich glaube, sie lvird etwas
anders ausfallen, als Sie es wünschen. Sie sind tat
sächlich bloß dafür, die armen Deutschen immer tiefer
rein zu bringen, daß sie sich selbst vollständig aller
Kraft, alles männlichen Gefühls enischlagen, daß sie
nur noch nach der Pfeife tanzen der Herren vom' Stamme
Dr. Weinberg. Das Beschämende dabei ist gerade, wenn
auf Nationales, auf Deutschvölkisches, auf Deutsche über
haupt geschimpft werden muß, dann muß es ausgerechnet
ein Jude sein.
(Zuruf links: Heil!)
t
Stadtv. Dr. Leidig: Meine Wanten und Herren!
Wenn ich nicht Wilmersdorser Stadtverordneter wäre,
dann würde ich das Wort nicht, genommen haben.
(Zuruf links: Dann wäre vielleicht aujch das Denkmal
nicht gekommen!)
Wenn ich muß sagen, es fällt mir schwer, hier zu
sprechen, nach dem, was vorausgegangen ist. Sie mögen
verschiedener Auffassung sein über die Ausgestaltung
des Denkmals, aber Sie wissen wohl, um was es sich
hier gehandelt hat, um die Ehrung gefallener Volks
genossen.
Nun, meine Damen und Herren, durch die Art
und Weise, wie die Dinge jetzt hier behandelt worden
September 1924.
sind, wird diese Ehrung von gefallenen Volksgenossen
herabgezogen und herabgewürdigt.
(Zuruf links: Durch die Feier!)
Durch Herrn Dr. Weinberg.
(Zuruf links: Sorgen Sic für die Frauen und Kinder
der Gefallenen, das ist die beste Ehrung!)
Ich bedaure das, was hier geschehen ist und ich be
dauere cs ebenso, daß von der rechten Seite dieses
Hauses von dem letzten Herrn Vorredner hier anti
semitische Aeußerungen gefallen sind.
(Stadtv. Dr. Wehl: Das ist typisch!)
Dienn die ©formt g, die dort stattgefunden hat, gilt
auch den jüdischen Volksgenossen, die für unser Vater
land innerhalb des XXII. Armeekorps gefallen sind.
(Stadtv. Flatau: Das haben Sie vielleicht gedacht, aber
die übrigen nicht!)!
Ich bedaure auch, daß Sie versuchen, diese Ehrung
für die Gefallenen unter parteipolitische Gesichtspunkte
zu stellen.
(Stadtv. Dr. Wehl: Das haben doch die andern gemacht!)
Was wir uns Unter dem Denkmal denken und glauben,
daß hat Ihnen mein Freund Dr. Caspari gesagt, und
ich meine, die weitesten Volkskreise können sich sagen, daß
das, loas dort steht, aufgefaßt werden soll und aufgefaßt
werden Muß in dem Sinne, daß es einigend und zu
sammenfassend wirken soll, wie es bei dieser Ent-
hülluugsfner der General Cramon zum Ausdruck
gebracht hat.
(Zuruf: Hakenkreuzler!)
Lassen Sie doch die Hakenkreuzler, sie versuchen, in
ihrer Weise dem Vaterlande zu dienen, wie Sie ihm
in Ihrer Weise dienen . Wenn die Hakenkreuzler nichts
anderes tun, als mit der Hakenkreuzfahne zu einer
Ehrung zu erscheinen, nun, meine Damen und Herren,
dann sind sie ziemlich harmlose Leute.
(Zuruf links: Haben Sie noch nie weiter etwas gemacht?)
Nun aber noch ein Wort, meine Damen und Herren:
Sie, Herr Kollege Weinberg, haben sich mit scharfen
Worten gegen die Schrecknisse des Krieges ausgesprochen.
Ganz geioiß, diesen Gedanken teilen wir alle. Aber,
Meine Damen und Herren, das haben Sie sich selbst
gesagt, unter Umständen wollen auch Sie Krieg — diesen
Gedanken führen Sie selbst ja gerade auch in' Ihrer
parteipolitischen Aufmachung ans — in Ihrem Reichs
banner Schwarz-Rot-Gold.
(Zuruf links.)
Gestatten Sie! Wenn das Vaterland, wenn die Republik
bekämpft lvird, wenn Gewalt gegen die Republik an
gewandt wird, so werden lvir uns dem — so heißt
es in den Ausführungen der Reichsbanners Schwarz-
Rot-Gold — mit Gewalt widersetzen.
(Zuruf links: Das ist richtig, gegen die Republik!)
Gestatten Sie einen Augenblick, lassen Sie mich den
Gedanken ausführen. Sie sagen, daß Sie in dem Falle,
in dem man die Republik mit Gewalt bedroht, sich
mit aller Kraft dem widersetzen werden. Mit' diesem
Gedanken sind wir ja auch im August 1914 in den Krieg
hinausgegangen, lveil lvir wußten, daß es sich um
unsere Existenz handelte.
(Zuruf links: Wo waren Sie?)
Mögen Sie sagen, daß die Regierung Dummheiten
gemacht, große Dummheiten, aber wer heute sich das
in Massen herausgekommene Material ansieht, der weiß
doch daß es sich um einen Existenzkampf Deutschlands
gegen die Einkreisung gehandelt hat und wer das nicht
zugibt, Meine Damen und Herren, der kennt entweder
das Material nicht, oder wenn er es kennt, daun
spricht er bewußt die Unwahrheit.
(Rechts: Bravo! Sehr gut!)
(Links: Unerhört!)
Und weiter sage ich weint Sie im Reichsbanner Schwarz-
Rot-Gold sagen: Wir schützen die Republik auch mit
Gewalt gegen ihre Feinde, dann ivollen Sie lediglich
den Bürgerkrieg führen und nicht auch wenn es not
wendig ist, den Krieg gegen diejenigen, die das Vater
land zerstören wollen. Ich meine, das, meine Damen
und Herren, das sollte über» alle Kritik hinwegführen.
(Lärm links.)