286 Sitzung am 18.
Ich glaube, den Wortlaut des Reverses genau im Kopfe
zu haben. Ich wiederhole, daß ich von der letzten Fassung
spreche und daß sie für alle Beteiligten gelten soll. Dabei
sind die Ansprüche, welche die Beteiligten bezüglich Ruhe
gehalt mid Hinterbliebenenversorgung haben, ausdrück
lich von dem Verzicht ausgenommen, also die Ansprüche
gegenüber der Stadt. Von einer Verweisung aus die neue
Rnhegchaltseinrichtnng der Straßenbahn ist mit keinem
Wort die Rede.
Ich glaube, daß Herr Kollege Lange auch über den
Inhalt dieses letzten Reverses nicht im Zweifel sein kann,
denn Herr Kollege Lange, Sie sind ja hervorragend an
der Abfassung des Wortlautes des letzten Reverses be
teiligt gewesen.
(Stadtv. Lange: Gegen den ich aber Stellung
genommen habe!)
Hinterher!
(Stadtv. Lange: Nein, in der Aussichtsratssitzuug!)
(Stadtv. Müller-Franken: So sehen Aussichts-
rätc aus!)
Es war in Ihrem Einverständnis!
(Stadtv. Lange: Nein, nein, ich habe im Auf sichts
rat dagegen Stellung genommen!)
(Stadtv. Müller-Franken: Au weh Lange! — Ich
möchte Sie mal im Aufsichtsrat sehen!)
Stadtv. Wolfs: Meine Damen und Herren! Es
sind heute hier wohl die Redner aller Parteien zu
Worte gekommen, und alle haben sich dahingehend ge
äußert, daß das Vorgehen der Betriebsgesellschaft zu ver
urteilen ist. Das Verlangen, einen derartigen Revers
zu unterschreiben, das ist hier allgemein geäußert, stellt,
gelinde gesagt, eine Nötigung dar.
Wie ist nun aber dieser ganze Zustand entstanden,
wenn loir rückwärts gehen und die Sache betrachten?
Einmal ist hier die Abbanverordnung herangezogen
worden, um die Angestellten ihrer ehemaligen Rechte
verlustig zu erklären. Sie sind einmal von der Stadt
gekündigt worden und dann in das neue Verhältnis über
nommen. Durch die Kündigung hat mau erwirkt, daß
ihre alten Rechte als Festangestellte verloren gingen.
Nur soweit der Paragraph, ich glaube 21 der Abbauver-
vrdnnng in Frage kommt, sind natürlich ihre Rechte
gewahrt. Man hat also hier eine Abbauverordnung, die
von allen Parteien des Hauses mit Ausnahme meiner
Partei ehemals gebilligt worden ist, dazu benutzt, um
Angestellte und Arbeiter ihrer Rechte verlustig zu erklären.
Daß muß einmal festgestellt werden.
Ferner sagt der Herr Kämmerer Karding, daß sich die
Straßenbahn in dem letzten Jahre derartig gut ent
wickelt habe, daß sie nur zu loben sei. Ja, wenn mir
aber die Anstellungsverhältnisse gegen früher be
trachten, so sind doch besonders die Arbeiter heute be
deutend schlechter gestellt als früher. Früher war der
Achtstundentag bei der städtischen Bahn eingeführt, heute
ist eine dauernde Arbeitsverläugerung durchgesetzt. Ja,
von einem Achtstundentag redet man heute nicht mehr.
Es sind auch die freien Tage: so gut wie aufgehoben.
Ich glaube, die kommen alle 3 Wochen mal vor.
Das alles wird hierbei von demi Herrn Kämmerer
vergessen. Auf Kosten der Arbeitnehmer einen derartigen
Betrieb in kurzer Zeit hoch zu bringen, ist natürlich
dann leicht.
(Hört, hört!)
Jetzt komme ich zu Herrn Kollegen Flatau:
Herr Kollege Flatau sagte, daß der Magistratsver
treter nicht hier ist, der int Anssichtsrat sitzt. Es ist
doch einer Ihrer Herren, ein sozialdemokratischer Ver
treter,
(Hört, hört!)
der es nicht für nötig hält, hier, wenn Arbeiterinteressen
auf dem Spiel stehen, zu erscheinen. Ich meine, Sie
müßten natürlich einen Einfluß auf Ihre Herren, die
im Magistrat sitzen, ausüben, daß sie mindestens dann
erscheinen, wenn die Sache zur Sprache steht, die sie
zu verleiten haben.
(Stadtv. Dr. Weyl: Hat Herr Flatau das nicht
deutlich genug gesagt?)
Ja, das hat er gesagt, aber Sie müssen derartig auf
Ihre Leute drücken, das es anders wird. So ist es
von mir gemeint.
Dezember 1924.
Natürlich stehen wir vollständig auf dem Standpunkt,
daß loir uns einig dahin warnt, daß sämtliche Ange
stellte, die jetzt hier in Frage stehen — es sind glaube ich
48 —, wieder eingestellt werden und meine Fraktion steht
auf dem Standpunkt: zu den alten Bedingungen, zu den
ihnen günstigsten Bedingungen, die zu ermöglichen sind.
Stadtv. Müller-Franken: Meine Damen und
Herren! Der Herr Kämmerer Karding hat uns gesagt,
ivas wir der Leitung der Berliner Straßenbahn denn
eigentlich zu verdanken haben, daß die Straßenbahn,
obwohl sie einmal im Zusammenbruch gewesen ist, es bis
heute soweit gebracht hat.
Ich glaube, tvenu mau jemanden von dieser Stelle
aus den Tank aussprechen kann, kann es nur ein
au das Berliner Publikum sein, das diese Rücksichtslosig
keiten der Straßenbahn mit einer Geduld bisher er
tragen hat,
(Sehr richtig!)
zu der nur das Berliner Publikum! überhaupt fähig ist,
das nach meiner Auffassung das geduldigste ist, das man
überhaupt in allen Großstädten findet.
'(Sehr richtig!)
Was ist denn dabei? Das Unternehmen wächst doch ganz
von selbst. Man könnte die Straßenbahn noch schlechter
leiten, als sie geleitet wird, trotzdem muß sie sich mit der
wirtschaftlichen Verbesserung der Lage, bei der lieber*
füllung, bei der ganzen Betriebsweise entwickeln.
(Stadtv. Dr. Wehl: Bei dem Mangel an Konkurrenz!)
Also Monopolstellung. Meine sehr verehrten Damen
und Herren, lvas wollen wir denn machen? Ver
gnügen machts nicht, aber fahren müssen loir doch,
(Stadtv. Dr, Weyl: Richtig!)
weit wir ja doch nichts anderes haben.
Also, den Dank der Straßenbahn ausznsprechen, das
halte ich für wirklich sehr deplaziert.
(Stadtv. Dr. Weyl: Sehr richtig!)
Ich habe immer die Auffassung, wenn man von der
Straßenbahn und seiner Leitung spricht, denkt man immer
an das Grundelement dort: Rücksichtslosigkeit, Rück
sichtslosigkeit gegen den Verkehr,
(Sehr richtig!)
gegen das Großberliner Publikum und — das habe ich
schon einmal an dieser Stelle gesagt — Rücksichtslosigkeit
gegenüber dem alten guten Personal, das man früher ge
habt hat. Wie es mit dem.andern ist, weiß ich augen
blicklich nicht.
Ich höre, daß der Revers, den ich einmal von dieser
Stelle ans gcgeiselt habe, geändert worden ist. Aber die
Wirkung des Reverses ist doch meines Erachtens be
stehen geblieben trotz der Aenderung. Die Leute sitzen
doch immer noch draußen,
(Sehr richtig!)
und es kommt doch nicht ans den Revers an, sondern
aus die Tatsache, daß die Leutes draußen sitzen.
Also, ich weiß nicht, warum wir uns dann zufrieden
geben, daß der Revers mit oder ohne Zustimmung des
Kollegen Lange geändert worden ist, uns kommt es
darauf an, daß die Wirkung des Reverses aufgehoben wird
Das ist bisher tatsächlich noch nicht geschehen.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich
muß immer wieder sagen, ich wundere mich über diesen
Aussichtsrat, den die Straßenbahn Berlin hat. Ich würde
mir als Leiter eines Werkes auch so einen Aufsichtsrat
zusammensuchen,
(Heiterkeit.)
wie ihn die Straßenbahn hat. Diesem Anssichtsrat müßte
man eigentlich einmal Vorlesungen über die Frage halten:
Wie benehme ich mich als Aufsichtsrat,
(Heiterkeit. — Hört, hört-Rufe.)
denn das scheint er noch nicht zu wissen. Er kommt
hierher, beklagt sich, er schimpft, aber im Aufsichtsrat
scheint leider die Direktion und nicht unsere Vertreter
die erste Flöte zu spielen.
(Sehr gut!)'
Das ist falsch. Deshalb haben wir sie nicht in den
Aufsichtsrat geschickt.
(Sachen, — Bravorufe.)