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Folge einer Erklärung zum Heimstättengebiet (§ 10
Abs. 1 des Preußischen Ausführungsgesetzes zum
Reichsheimstättengesetz Ziffer VIII der Preußischem
Ausführung,Sbestimntitugen) ist, daß Anlägen, die die
Verwendung des Gebietes für Heimstätten beeinträch
tigen würden, daselbst nicht errichtet werden dürfen.
Wenn also ein Gebiet zum Heimstätten gartengebiet
erklärt ist, so bedeutet dieses, daß Baulichkeiten, die
nicht dem Garteubetriebe dienen, sondern ihm abträg
lich sind dort nicht errichtet werden dürfen. Die
näheren Vorschriften werden zweckmäßig im Wege der
Pvlizeiverordnuug zu regeln sein. (§ 10 Abs. 1
Satz 2.) Es ist nicht etwa nötig, daß alsbald alle
dort liegenden Gärten zu Neichsheimstättenrecht aus»
gegeben werden — dies ist zwar das Ziel—, aber
seine Verwirklichung kann allmählich erfolgen. Da
mit ist aber das Gelände der Bebauung im wesent
lichen entzogen und der beabsichtigte Zwech vorerst
erreicht."
Meine Damen und Herren! Ter Erlaß des Preußi
schen Wohlsahrtsmiuisters bezieht sich tiuf den § 30
des ReichsheimslätleugesetzeS, Absatz 2, der besagt, daß
in besonderen Fällen, >oo ein besonderes Bedürfnis vor
liegt, flanbflächeu ausnahmsweise als Heimstättengrund-
ftücfe ausgegeben werden können, die ans Einsaniilien->
haus oder Nutzgarten bestehen, oder Grundstücke, die
für nicht gewerbsmäßige gärtnerische Nutzung, Klein
gärten, Laubeuland bestimmt find.
Meine Damen und Herren! Unsere Anfrage be
zieht sich auf diesen letzten Absatz des § 30 .des Reichs
heimstättengesetzes. Wiederholte Anträge der Klein
gärtner beim Städtebauamt auf Ausweisung von soge
nannten Dauetkleingartenkolonien in den Bebauungs
plänen haben bisher leider eine Berücksichtigung bei
der Aufstellung des jetzt von der Einheitsgemeinde Groß
Berlin festgelegten Bebauungsplanes nicht gefunden.
Weite Kreise — nicht nur der Kleingärtner, sondern)
darüber hinaus der gesamten bodenreformerischen Be
völkerung — haben das als einen außerordentlich starken
Mangel empfunden. Rund 170000 Kleingärtner, die
ihre Gärten heute zum großen Teil auf baureifen Ge
länden oder aber auf Gelände haben, das jedenfalls in
absehbarer Zeit als banreifes Gelände angesprochen wer
den kaun, streben darauf hin, nun endlich ein dauerndes
Gebiet zu bekommen. Sie wissen heute nicht, ob sie
ihre Scholle, die sie durch viele Mühe und Arbeit erst,
zu nutzbringendem Kulturboden umgewandelt haben, be
halten können oder ob diese Scholle mit der fortschrei
tenden Bebauung ihnen wieder verloren gehen wird,
womit denn die aufgewendete Mühe und die Arbeit illu
sorisch gemacht werben würde.
Meine Damen und Herren! Die Kleingartenbewe
gung ist ott und für sich eine außerordentlich junge Be
wegung. Wir hatten in Berlin in den Jahren der
Vorkriegszeit — bis 1910 — außerordentlich wenige
Kleingärten, während in Mitteldeutschland, ganz be
sonders aber in Sachsen, die Kleingärten schon seit
Jahrzehnten vor dein Kriege volkstümliche Einrich
tungen waren. Besonders der Leipziger Arzt Dr. Schie
ber und sein Schwiegersohn, der Schuldirektor Hau-
schild, hatten vor mehr als 50 Jahren fit Sachsen
die ersten sogenannten Schirebervereine gegründet, die
ursprünglich den Zweck hatten, durch Schaffung von
Spielplätzen die Kinder den Gefahren der Straße zu
entziehen und so die Spielplätze als einen erzieheri
schen Zweck und als ein erzieherisches Mittel einzu
führen. Kurze Zeit darauf bildeten sich um diesen
Spielplätzen sogenannte Schrebergärten. So wurden ans
diesen Schrebervereineu nachträglich Schreber-Garten-
Vereine, die sich neben der Jugendpflege auch zugleich
der Bearbeitung der Gärten, die als Pacht gärten auf
gezogen wurden, angelegen sein ließen.
Meine Damen und Herren! Diese Bewegung hat
sich daun lange Jahre hindurch nur auf Mitteldeutsch
land beschränkt, und nicht ganz ein Jahrzehnt vor dem
Kriege fand daun diese Bewegung u. a. auch in Berlin Ein
gang, allerdings kamt ich sagen unter der Bezeichnung
der wilden Laubenkolonien. In Berlin hatte der Ge
neralpächter das Land in den Händen und verpachtete
die Parzellen an diejenigen, die ihm angenehm waren
und von denen er die höchste Pacht erhalten konnte.
Meistenteils kam noch hinzu, daß dieser Generalpächter
November 1924.
zu gleicher Zeit der sogenannte Vereinsgastwirt oder
Vereinsbudiker, wie damals der Berliner Ausdruck hieß,
war und daß er dann bei der Verpachtung wesentlichen
Wert darauf legte, daß die Leute bei ihm auch erheblich
in der Kreide standen. Daten sie das nicht, so mußten
sie damit rechnen, daß sie bei der nächsten Verpachtung
ausfielen.
Dann kam der Krieg. Der Krieg hat für die ge
samte Kleingarteubewegnng einen erheblichen Aufschwung
gebracht, konnte sich doch die Regierung infolge der Er-
uährungsschwierigkeiten im Kriege nicht davon abhalten
lassen, mich die Kleingärten durch Verordnungen unter
Schutz zu stellen. Sie wirkte darauf hin, daß nicht von
Seilen des Eigentümers die Kündigung ohne weiteres
ausgesprochen werden durfte. Die Kleingärten sollten
die Ernährungsschwierigkeiten durch eine intensive Be
wirtschaftung mit beseitigen helfen- Nachdem nun die
Verhältnisse günstiger geworden sind, nachdem vor allen
Dingen die Eruähruugsschwierigkeiteu erheblich nachge
lassen haben, und nachdem weiter ein Teil derjenigen
Kleingärtner, die während des Krieges nur aus Er
nährungsbedürfnissen heraus. Um ihren mageren Tisch
mit etwas Gemüse zu bedecken, zum Kleingarten ge
griffen haben, die sogenannten Kartoffel- und Kriegs-
kleingärtuer inzwischen ihre Scholle wieder aufgegeben
haben, hat aber ein erheblicher Teil der Kleingärtner heute
den kulturielleu, bett sozialen und den gesundheitlichen
Wert der Kleingärten eingesehen. Ich möchte dabei
erwähnen, daß allerdings ein Teil dieser Kleingärtner
deswegen die Scholle aufgegeben hat, weil die Entfer
nungen, die die Kleingärtner zu den Kleingärten zurück
zulegen hatten, ganz erheblich waren und weil durch die
Entfernungen eine erhebliche Verteuerung eintrat.
Ein erheblicher Teil der Kleingärtner hat auch tu
Zukunft das größte Interesse daran, daß ihm der Klein
garten, der ihm eilte Erholungsstätte, eine Stätte der
körperlichen und seelischen Gesundung darstellt, bleibt,
daß er diese Kleingärten sich für die Zukunft sichern kann.
Da leider die Gemeinden bisher wenig, ganz besonders
aber Berlin außerordentlich wenig dafür getan hat, daß
— Wie alle modernen und weitschauenden Städtebauer
das heute verlangen — Kleingartengebiete in die städti
schen Bebauungsplätte aufgenommen werden, daß diese
Gebiete als sogenannte dauernde Grünflächen ausgewiesen
werden, sind die Kleingärtner heute mit berechtigten For
derungen sowohl an Reich und Staat als auch an die
Gemeinden herangetreten, um diesen ihren Wünschen
Geltung zu verschaffen, um die Gemeinden zu veran
lassen, besonders bei der Aufstellung der Bebauungspläne
Dauetkleingarteugeläude auszuweisen.
Meine Domen und Herren! Wenn man bedenkt, daß
die Eiichcttsgiemieinbe heute einen Flächeninhalt von
87 744,22 ha aufweist gegenüber einer Flächengröße von
6 586,32 ha vor der Eingemeindung!, so kann man sich
'vorstellen, daß neben "der politischen Einheit, die hervor
gegangen ist ans der wirtschaftlichen Einheit, die Berlin,
ja schon vor der Eingemeindung darstellte, und die
deswegen ganz besonders die Sozialdemokratie veran
laßt Hat, sich mit aller Energie für eine Einheitsgemeinde
auszusprecheu und für sie zu wirken, daß die starke Zu
nahme der Flächengröße sowie der Personenzahl eine ge
wisse, sagen wir mal vorsichtige Behandlung dieser ge
samten Angelegenheit dem Städte-Bauamt zur Aufgabe
gemacht hat. Darüber hinaus muß man allerdings, wenn
man diese Flächenzone der Einheitsgemeinde betrachtet, sich
sagen, daß, nachdem die Einheitsgemeinde politisch vor
handen ist, auch im Laufe der Zeit städtebaulich zu einer
organischen Einheit zusamuieugeschwrißt werden muß und
daß bei der Aufstellung eines Bebauungsplanes für die
^Einheitsgemeinde, die ja zur Grundlage haben muß, daß
die bisherigen einzelnen Bebauungspläne der früheren
Einzelgemetuden verschwinden müssen, und dafür ein
sogenannter Generalbebau ungspl an für die Einheit ^ge
meinde Berlin Platz greifen muß. Und da kann mau
schon fordern, daß bei der Aufstellung dieses neuen Be
bauungsplanes für die Einheitsgemeinde Berlin der For
derung der Kleingärtner auf Ausweisung von Daitcr-
Ileingartenkolonien im Bebauungsplan Rechnung getragen
werden muß, deswegen, weil daran fast alle gartenlosen
Mietkaserneubewohner interessiert sind und weil heute
viele Städtebauer dafür eintreten. Ich erinnere da nur
ott Professor Dr. Schnnmcher-Hamburg, den Professor au