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Volume Sitzung 40, 28. Oktober 1924

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1924 (Public Domain)

Sitzung am 28. 
Der Etatsausschuß ist veranlaßt worden, diesem 
Beschlusse zuzustimmen, weil gesagt worden ist, daß 
durch die anderweitige Veranlagung der Grundstücke 
die Ungleichheit, die insofern bestand, als die unbe 
bauten Grundstücke tatsächlich zu hoch veranlagt waren, 
beseitigt sei. Nach den Informationen, die meine 
Freunde eingezogen haben, trifft das nun nicht in 
allen Fällen zu. Wir halten es deshalb, da ja heute 
jeder Mensch nur darauf angewiesen ist, von der Hand 
in den Mund zu leben, für erforderlich, die Besitzer von 
unbebauten Grundstücken davor zu schützen, daß sie 
größere Beträge nachzuschießen haben. 
Ich habe, nachdem der Antrag gestellt war, mit 
dem Magistrat selbst Fühlung genommen. Der Ma 
gistrat hat erklärt, daß dann keine Bedenken gegen den 
Antrag bestünden, wenn die „gewerblich benutzten" 
Grundstücke auf der einen Seite ausgenommen 
würden, bei denen diese Gründe an sich nicht vorlägen, 
und wenn andererseits diejenigen Besitzer ausge 
nommen werden, die aus der Herabsetzung des Wertes 
des Grundstückes, soviel zurückbekommen, daß sie nichts 
mehr zu zahlen hätten. 
Ich habe infolgedessen meinen Antrag im Einver 
ständnis meiner Freunde dahin eingeschränkt, daß ich 
sage „bei unbebauten Grundstücken, soweit sie nicht 
gewerblich benutzt werden" und daß ich am Schluß 
weiter sage „Abstand zu nehmen, soweit diese Nach 
forderung nicht durch die infolge der Veranlagungs 
ermäßigung erfolgende Rückzahlung der Erundver- 
mögenssteuer ausgeglichen wird. 
Wenn ich den Antrag dahin einschränke, so besteht 
also die Tendenz des Antrages lediglich dahin, daß für 
die Zeit vom 1. April bis 1. Oktober keine Nach 
zahlungen seitens der Besitzer unbebauter Grund 
stücke zu erfolgen haben, wenn diese an sich nicht zu 
gewerblichen Zwecken benutzt werden. Mit der Maß 
gabe bitte ich Sie, diesen Antrag anzunehmen. 
Vorst. Haß: Die Beratung ist eröffnet. Das Wort 
hat der Herr Stadtv. Dethleffsen. 
Sfabfo Dethleffsen: Ich möchte namens meiner 
politischen Freunde nur die kurze Erklärung abgeben, 
daß wir dem Antrage der Volkspartei in der Form, 
in der jetzt gestellt worden ist seitens des Herrn 
Kollegen Hallensleben, zustimmen werden. Dieser 
Antrag bewegt sich durchaus in der Linie der Auf 
fassung, die wir in dieser Angelegenheit von jeher 
vertreten haben und die ich selbst schon vor einiger 
Zeit Ihnen vorzutragen die Ehre hatte. 
(Bravo!) 
I • ! 
Stobst). Dr. Lohmann: Ich möchte namens meiner 
Freunde nur die Erklärung abgeben, daß auch wir 
entsprechend dem Standpunkte, den wir von jeher 
vertreten, nicht in der Lage sind, den Besitzern un 
bebauter Grundstücke auf diesem Wege ein neues 
Geschenk zu machen und darum gegen den Antrag 
stimmen werden. 
Stobfo. Sfolf: Im Gegensatz zu den Antrag 
stellern werden meine Freunde gegen diesen Antrag 
stimmen. Wir sind nicht dafür, daß durch Nachlaß 
den Eigentümern unbebauter Grundstücke irgend ein 
Geschenk gemacht wird. Wir werden also gegen 
diesen Antrag stimmen. 
(Stadtv. Dr. Lohmann: Da konnten Sie doch ein 
fach sagen: Wir schließen uns der Auffassung der 
S.P.D. voll und ganz an!) 
Dorff. Haß: Auf das Schlußwort wird verzichtet. 
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte, Platz zu 
nehmen. Der Antrag lautet: 
Die Versammlung wolle beschließen, den Ma 
gistrat zu ersuchen, bei unbebauten, nicht gewerblich 
benutzten Grundstücken von der Nachforderung der 
durch den Umlagebeschluß eingeführten Erhöhung 
der Zuschläge zur Grundvermögenssteuer für die 
Zeit vom 1. April bis 1. Oktober 1924 Abstand zu 
nehmen, soweit diese Nachforderungen nicht durch 
Oktober 1924. 161 
die infolge der Veranlagungsermäßigung erfol 
gende Rückzahlung der erhobenen Grundvermögens 
steuer ausgeglichen werden. 
Wer für diesen Antrag ist, bitte ich, eine Hand 
zu erheben. 
(Geschieht.) 
Ich bitte um die Gegenprobe. 
(Geschieht.) 
Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist ab 
gelehnt. 
Wir kommen zu Punkt 32 der Tagesordnung 
Anträge 
a) bet Stobst). Vierten unb parfeifreunbe — 
Drucks. 460 — 
b) ber Stobto. Dörr unb Genossen — Drucks. 461 — 
best. Auflösung bet Sfabfoetotbnefenoer- 
sammlung. 
Zur Begründung des ersten Antrages hat der Herr 
Stadtv. Dr. Michaelis das Wort. 
(Stadtv. Dr. Lohmann: Lösen Sie sich auf, Herr 
Doktor!) 
(Stadtv. Flatau: Der Auslösungskommissar!) 
ITP ! ; n - 
Stobst). Dr. Michaelis: Meine Damen und 
Herren! 
(Stadtv. Flatau: Das ist das einzig Richtige 
an der Rede!) 
Ich darf Sie bitten, dem Antrage, daß die Stadt 
verordnetenwahlen gleichzeitig mit den Wahlen zum 
Reichstage und zum Preußischen Landtage stattfinden, 
zuzustimmen. 
Meine Damen und Herren! Wir nehmen, indem 
wir diesen eigentlich selbstverständlichen Antrag heute 
hier einbringen, Rücksicht einmal auf diese höchst ehren 
werte Versammlung und wir nehmen ebenso Rücksicht 
auch auf die Wähler. Diese Versammlung hat, man 
kann wohl sagen recht mühsam, bisher ein Leben von 
drei Jahren gefristet. Sie wird es wahrscheinlich auch 
noch, wenn diesmal der Anschluß versäumt wird, ein 
Jahr länger aushalten müssen. Aber ich muß sagen, 
wenn das Lebenslicht dieser ehrenwerten Ver 
sammlung bald ausgeblasen würde, dann würde ihr 
wahrscheinlich niemand, weder auf der rechten noch auf 
der linken Seite des Hauses, eine Träne nachweinen. 
Diese Stadtverordnetenversammlung — das ist kein 
unberechtigter Vorwurf — war nicht in der Lage, sich 
diejenige Aktionsfähigkeit zu verschaffen, die man von 
der Versammlung der Wähler einer Weltstadt erwar 
ten darf. 
(Stadtv. Urich: Jetzt kriegen sie sich!) 
Wir haben gesehen, daß die Stadtverordnetenver 
sammlung noch nicht einmal bei der Wahl ihres Prä 
sidiums eine entscheidende Stellung einnehmen konnte, 
sondern daß sie hin- und herschwankte. 
(Stadtv. Flatau: Daran waren Sie doch Schuld!) 
Wer daran schuld war, das brauchen wir doch heute 
nicht alles zu untersuchen, Herr Kollege. Ich würde 
natürlich auch sagen, daß es andere gewesen sind. 
(Zuruf Flatau: Die haben ja nickt gewählt!) 
Ich möchte ebenso darauf hinweisen und auch dabei die 
Schuldfrage außer Betracht ziehen, daß es schon wie 
derholt nicht möglich gewesen ist, den Haushalt recht 
zeitig fertigzustellen. 
(Stadtv. Flatau: Das ist auch Ihre Schuld!) 
Herr Kollege Flatau, es ist ja sehr einfach, immer den 
andern als das Karnickel hinzustellen. Ich könnte 
dasselbe tun und sagen, daß die vollkommen unzu 
verlässige Haltung der Sozialdemokratischen Partei 
es gewesen ist, 
(Lachen bei den Sozialdemokraten.) 
die dazu geführt hat, daß die Stadtverordnetenver 
sammlung so wenig leistungs- und aktionsfähig ge 
worden ist. Ich will das aber auch nicht tun, ich will 
ganz sachlich bleiben. 
(Links: Sehr richtig!) 
Soviel aber darf man sagen, daß nicht die Stadt 
verordnetenversammlung gegenüber dem Magistrat 
den Willen durchsetzen konnte in der Weise, wie es 
notwendig gewesen wäre. 
(Links: Sehr richtig!)
	        
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