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Volume Sitzung 38, 16. Oktober 1924

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1924 (Public Domain)

126 Sitzung mit' 16. 
Verbandsdirektor nicht Gelegenheit gefunden, diese 
Schiebergeschäfte 31t verhindern oder anzufechten, die 
kurz vor der Nebergabe erfolgt sind. Genau so, wie in 
letzter Minute ganz horrend hohe Bezüge festgelegt »vor- 
den sind für die oberen Beamten der Straßenbahndiirek- 
tion, die sich formell und juristisch durch Verträge weit 
über das Jahr 1930 hinaus gesichert haben. 
Nun, meine Damen ttttb Herren, bei der jetzigen 
Direktion scheint der Geist, der dort am Leipziger Platz 
herrschte, auch noch nicht verflogen zu sein, denn diese 
Allüren der Selbstherrlichkeit scheinen auch heute noch 
dort vorhanden zu sein. Was erleben wir? Wir alle 
wissen, das; diese Betriebs-G. m. b. H. nur deshalb er 
richtet werden sollte — so war die Argumentation und 
deshalb stimmten die Sozialdemokraten glatt zu, weil 
diese Umformung dazu dienen sollte —, um die Straßen 
bahn beweglicher in ihrer Betriebssührung usw. zu 
machen. Aber ich glaube, kein Mitglied dieser Ver 
sammlung wird wollen, das; die Direktion unter Aus 
schaltung des Aufsichtsrats, unter Ausschaltung der 
städtischen Körperschaften fremde Bahnunternehmungen 
stillschweigend erwirbt und Direktoren anstellt, — inan 
weih gar nicht, was sie für Gehälter bekommen —, und 
nun auf ihre Weise diese alte selbstherrliche Direktions 
politik der Großen Berliner Straßenbahn, aus der Vor 
kriegszeit fortsetzt. Weil wir das als unerhört finden, 
haben wir diese Tatsache zu einem Antrage verdichtet 
und wir erwarten von den anwesenden Mitgliedern der 
Stadtverordnetenversammlung, wenn sie noch ein ge-- 
ringes Maß von Selbstachtung haben, daß sie im In 
teresse ihres Vertreterrechtes nun auch dem Magistrat 
klar machen, daß auch der Direktion gesagt wird: Bis 
hierher und nicht weiter! 
(Beifall auf der Tribüne.) 
Nun noch eine Frage, die der Herr Verkehrsbaurat 
zum besten gab. Ich habe ja die Absicht, ihm einige 
Federn zu rupfen. 
(Zuruf bei den Kommunisten: Dem Adler auch 
noch Fedenr rupfen!) 
(Zurufe von der Tribüne.) 
— Langsam, langsam! — .Der Herr Kollege Dr. Adler 
in seiner liebenswürdigen Art erklärte mit seiner ganzen 
Naivität, die ihm eigen ist, 
(Lachen) 
bei ihm wären keine Federn mehr zu rupfen. Weil er 
nicht mehr da ist und er aufgehört hat, ein Adler zu 
sein, will ich ihn glimpflich behandeln. Ich möchte nur 
die eine Frage, die der ü h m t e Bremsen- 
frage, behandeln. Der Herr Kollege Dr. Adler sagte, 
die elektrische Bremse fei gleichwertig der Luftdruck-- 
bremse. Ja, das sagt Herr Dr. Adler. Er ist der 
verantwortliche Mann des Magistrats für die Stadt. 
Er sagt das in seinem Bericht, der mir vorgelegt und 
der 1922 gedruckt herausgegeben worden ist. Herr Dr. 
Adler läßt sehr viel drucket;, was er redet, es wäre aber 
manchmal besser, wenn er nicht soviel drucken ließe. Das 
habe ich ihm wiederholt und öfters gesagt, vertraulich 
und kollegial. Hier sagt er folgendes in einer fach 
männischen Sitzung: 
Bei der elektrische,; Bremse hingegen ist die Brems 
wirkung eine rotierende, die auch selbsttätig aufhört, 
sobald die Näder festgestellt werbet; 
und nachdem er »veiler noch allerhand Ausführungen! 
macht, kommt er zu dem Kernpunkt: 
Weit überlegen ist bei Stratzenbahntvagen jedoch 
die elektrische Bremse der Luftdruckbremse in wirt 
schaftlicher Beziehung. 
,(Hört, hört!) 
Meine Damen und Herren! Das heißt in gut 
deutsch übersetzt: Es sind nicht so hohe materielle Auf 
wendungen notwendig, »vie bei der Unterhaltung der 
Luftdruckbremse. Fragt man nun mal diejenigen, die 
verantlvortlich mit diesen Sachen zu tun haben, dann 
bekommt man zur Anttvort: Die enge Verbindung der 
Berliner Straßenbahn mit der N. A. G. ist schuld daran, 
daß die elektrischen Bremsen eingeführt und vorgehallten 
»verdett und nicht die Luftdruckbremsen, »veil die N.A.G. 
nicht in der Lage ist, 
(Zuruf: Die A. E. G.!) 
Ja, die N. A. G. ist deren Tochtergesellschaft. 
(Stadtv. Dr. Wehl: Man nimmt doch die Mutter, 
nicht die Tochter!) 
Oktober 1924. 
»veil der A. E. G.-Konzern »vohl zur Lieferung von 
elektrischen Bremsen fähig ist, aber nicht zur Lieferung 
von Luftdruckbremsen, und aus diesen; Grunde, »veil 
diese engen kaufmännische»; Beziehungen bestehen, unter 
bleibt in z»vciter Linie die Einführung der Luftdruck 
bremse. 
(Stadtv. Dr. Wehl: Hört, hört!) 
Die Führer aber, mit denen man in; Laufe der 
Zeit hat sprechen können, sind der Meinung, daß die 
Luftdruckbremse vorteilhafter ist. 
Dam; eit; Argument, das Herr Dr. Adler glaubte, 
hier zun; besten geben zu können: 
In der vorigen Sitzung hat mein Parteifreund iSelb 
heim mit vollem Recht auf die Verkehrsverhältnisse in 
den Großstädten Leningrad und Maskat; hingeiviesen. 
Als die Herrschaften Maskat» hörtet;, wurden sie sehr 
nervös. Heute glaubte Herr Dr. Adler, Moskau! für 
sich als Argument benutzen zu können. Er erwähnte die 
elektrische Bremse, die dort zur Einführung gelangt ist, 
vergißt aber festzustellen und zu vergleichen, wie die 
Arbeitszeit für die Straßenbahner in Moskau und »vie 
sie in Berlin ist. 
Herr Friesland — Verzeihung; Herr Reuter hat 
zun; Ausdruck gebracht, das; seine Freunde im Hinter 
gründe und manchmal auch im Vordergründe gestanden 
hätten, um diese Gesundung und Sanierung herbeizu 
führen. 
(Zuruf links: Stehen »verden!) 
Nein, er hat auch im Vordergrund gestanden. Er sagte, 
es »väre notwendig, diese Sanierung durchzuführen, und 
z»var wäre es nottvendig, auch die Angestellten und 
Arbeiter zu berücksichtigen. Ich glaube nicht, fehlzu 
gehen, »venn ich das Programm, das vorgeschrieben ist, 
mitteile, das damals im Dezember 1922 seitens der 
maßgebenden Jndustriegruppen Berlins verlangt und 
zum Ausdmck gebracht wurde. Es ist sehr interessant, 
wenn man das heute »nieder ausgräbt und die Oeffent- 
lichkeit — und für die spreche ich — darauf hinweist, 
ivas die maßgebenden Jndustrieherren Berlins von der 
Straßenbahn verlangten. In der fraglichen Konferenz, 
die auf Veranlassung des Herrn Verkehrsbaurats statt 
fand, hat der Herr Direktor Waldschmidt die Ausfüh 
rungen am Schlüsse der Sitzung zusammengefaßt. Herr 
Direktor Waldschmidt vom Löwekonzern — 
(Zuruf: Wird Knochenkarl genannt!) 
führte aus — und nun bitte ich um Aufmerksamkeit. 
„Es »väre eiirfältiig von seiten der Industrie, für 
die Straßenbahn irgend »velche Mittel herzugeben. 
Was morsch ist, muß fallen. Die Straßenbahn ist 
reif, laßt sie fallen. Es muß erkannt »verden, daß 
schreiende Mißstände innerhalb der Straßenbahn vor 
handen sind. Die Verlängerung der Arbeitszeit muß 
kommen, denn steter Tropfen höhlt den Stein, 
(Hört, hört!) 
und es tropft. Der allgemeine Zustand in der In 
dustrie ist heute ein derartiger, das; die Ausgaben sich 
zusammensetzen aus % für Löhne und V 3 für Mate 
rialien. Vor dem Kriege war das Verhältnis 
anders: zu % . Die Industrie hat es also fertig 
gebracht, die Ausgaben in einer für sie günstigen Form 
zu beeinflussen. Sie hat dies durchgesetzt trotz der 
Sozialisterungsmaßnahmen, die von ihr abgewürgt 
»norden sind. — Lassen Sie (sagt er zum Schlüsse) die 
Straßenbahn in den Dreck fahren und helfen Sie ihr 
»richt. Nur auf diese Weise »vird der Einfluß des 
allgemeinen Wahlrechts auf die Industrie, der gott 
verfluchter Unfug ist, gebrochen." 
Hier haben Sie das Progrännn, das den; Magistrat als 
Leitfajden diente: Verlängerung der Arbeitszeit, Ver 
schlechterung der Lohn- und Arbeitsbedingungen. 
(Zurufe von den Kommunisten.) 
Herr Schüning trug hier die Lohn- u n d A r - 
beitsverhältnisse vor, »vie sie bis zum 1. Ok 
tober »varen und »vie sie jetzt ab 1. Oktober 1924 sind. 
Da stellte Herr Schüning fest, daß die Löhne bis 
1. Oktober 24 netto 26 M. für Schaffner und ab 1. Ok 
tober 1924 wöchentlich netto 28,62 M. sind, für Fahrer 
netto 33 M. Ich frage hier nicht den Stadtrat und 
den Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Berliner 
Straßenbahn, Herrn Schüning, sondern ich frage
	        
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