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Volume Sitzung 37, 9. Oktober 1924

Full text: Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Haupt- und Residenzstadt Berlin (Public Domain) Issue1924 (Public Domain)

Sitzung <mt 9. 
man Unkosten hat für die Entsendung eines Beamten 
oder für die Aufstellung des Messers, sondern Unkosten 
für die Amortisation und Verzinsung der Messer. Der 
kleinste Messer kostet heute 36 M. Berechnen Sie die 
Amortisation und Verzinsung mit 20 pCt., so sind das 
7,20 M> pro Jahr, die allein für die kleinen Messer ent 
stehen. 
Nun wird gesagt, der Milchhändler und bergt, muß 
auch seine Gefäße vorhalte». Meine Damen und Herren, 
berücksichtigen Sie doch eins: Cs wird kein Kaufmann, 
hem Privatwirttschaftler irgendein, Meßgefäß oder eilneWage 
oder dergl. einem andern leihweise zur Verfügung stel 
len, wenn er nicht weiß, daß er wenigstens einen Mindest 
absatz vermittels dieses Messers oder dieser Wage hat. 
(Stadtv. Reimann: Darum handelt es sich gar nicht, 
sondern darum, daß wir unter dem Rubrum „Ver 
billigung" den armen Leuten das Gas Verteuert haben!) 
Herr Reimann! Das stimmt nicht! 
(Zuruf des Stadtv. Dr. Weyl.) 
Herr Dr. Weyl! Entschuldigen Sie, der Durchschnitt 
dieser Verbraucher ist 20 Kubikmeter. 
Zuruf.) 
Ich sehen Sie Herr Dr. Weyl, Sie machen aus po 
litischen Gründen nicht nach der Statistik der Werke die 
Rechnung ans, sondern lote es Ihnen am besten paßt. 
Wird der Gaspreis bei 15 Kubikmeter herabgesetzt, 
dann kommen Sie mit 5 Kubikmeter oder einer der 
artigen Grenze, wie sie Ihnen in den Kram paßt. So 
kann man nicht arbeiten. Ich glaube, auch diejenigen 
Herren, die aus Ihrer Partei im Aufsichtsrat sind, 
werden Ihnen zur Genüge dargetan haben, daß die Ver 
hältnisse hier anders liegen, als es im politischen Inter 
esse hier ausgeschlachtet wird. 
Ich habe im übrigen im Namen meiner Partei 
freunde noch zu bitten, den Antrag betr. Verbesserung 
des Gases anzunehmen. Diese Verbesserung des Gases 
wird, wie ich' Ihnen verraten kann, seitens der Gesellschaft 
selbst angestrebt. Im übrigen ist es naturgemäß die 
Pflicht der Gaswerke, eine Verbesserung des Gases durch 
zuführen. 
Meine Damen und Herren! Im Auftrage meiner 
Fraktion möchte ich erklären, daß meine Fraktion nicht 
einheitlich auf dem Standpunkt steht, daß der Tarif 
richtig ist, daß sie es aber für fehlerhaft erachten würde, 
jetzt sofort beim ersten Mal, wo eine Tarifierung ein 
geführt wird, dem Aufsichtsrat des jungen Unterneh 
mens in die Arme zu fallen, da letzten Endes die ein 
heitlichen Preisgrundsätze und die Berechnungsart der 
allgemein nicht bekannt sind. 
Stadtv. Ostrowski: Der Vertreter der Deutsch- 
nationalen Volkspartei war in seiner Argumentation 
und Rede äußerst schwach. 
(Lachen.) 
Was hat er denn eigentlich gesagt? 
(Stadtv. Fabian: Ist das ein großes Anerkenntnis, 
wenn Sie das sagen?) 
Sie sind doch die Vertreter der Allgemeinheit, nicht 
wahr? d. H. der größten Gasverbraucher und das ist 
doch die minderbemittelte Bevölkerung. 
(Zuruf rechts: Nein!) 
Wie können Sie denn „nein" sagen? 
(Lachen.) 
Ich bin ein alter Praktiker, nicht nur als Verbraucher- 
sage ich das: Es würde viel besser sein, Sie würden mal 
hierher kommen und Ihre Keimtnisse zum Besten geben, 
als daß Sie „nein" rufen. 
Ich will nur mit allem Nachdruck betonen, Herr 
Kollege Fabian, Was Sie heute hier vorgebracht haben 
das sind Zahlen und Worte, die gänzlich ohne Bedeu 
tung sind. 
' (Lachen.) 
Tie haben für die Gasverbraucher utitb im Wirtschafts 
leben gar keine Bedeutring. Sie Hafen sich mit Ihrer 
Rede vollständig von der gasverbrauchenden Bevölkerung 
entfernt. Wen» Sie nachweisen, daß früher ein Kubik 
meter Gas 21, 23 und 24 ^ gekostet hat und vielleicht 
im nächsten Jahre, wenn wir .irgendwie eine Verbindung 
mit dem Mars haben, billiger werden kann, so ist damit 
gar nichts gesagt. Hier heißt es doch einfach für den 
Oktober 1924. 95 
praktischen Kenner: „Was ist notwendig, um die »otlei- 
I erbende Bevölkerung Berlins so zu befriedigen, daß 
sie auch in der Lage ist, in der gegenwärtigen Zeit einen 
Preis zu bezahlen, den sie in der wirtschaftlichen Lage 
erschwingen kann?" 
Wenn gesagt wird, daß die Werke Ueberschüsse ab 
werfen sollen, nun schön, so kaun dies aber doch nicht 
geschehen auf Kosten derjenigen, die überhaupt das ganze 
Staatsleben erhalten, sondern auf Kosten derjenigen, die 
die Nießbraucher dieses Extrakts der Arbeit sind. Davon 
hat der Herr Kollege Fabian und auch der Vertreter der 
Deutschen Bolkspartei, Herr Kollege Kröpelin, gar nicht 
gesprochen. 
Wenn Einrichtungen geschaffen werden, die der All 
gemeinheit zugänglich gemacht werden, so müssen dieselben 
auch nutzbringend angewendet werden oder angebracht 
werden. Dann kann man nicht denjenigen, die 8, 9 
oder mehr Stunden im Dienste des Kapitalismus arbei 
ten, eine solche allgemeine Einrichtung Verteuern oder 
entzteyen, wie es in einigen Fällen vorgekommen ist. 
Ich als Vertreter der Kommunistischen Stadtv erord- 
netensraktion werde für den Antrag der Sozialldemokra- 
ischeu Partei stimmen, indem wir zunächst die Anträge 
auf Ermäßigung der Preise befürworten. Wir halten es 
selbstverständlich für einen großen Unsinn, wenn man 
von den Arbeitern verlangt, irgend welche Miete zu 
zahlen für einen Gegenstand, der nutzbringend ist als 
Konsumartikel. Man dürfte doch Per nicht zweierlei 
Recht walten lassen. Cs trifft zu, daß der Staats 
beamte keine Kaution zählt, keine Miete zahlt,, während 
der Arbeiter die Miete zahlen soll und ich sage mit allem 
Nachdruck, im neuen republikanischen Deutschland dürfte 
dieser Unterschied nicht gemacht werfen. Gin Unterschied, 
wer Gasverbraucher ist, Angestellter, Beamter oder Ar 
beiter, darf nicht stattfinden, sondern derjenige, der Gas 
konsumiert, muß den Zähler unentgeltlich ohne Miete 
oder eine Erhöhung gestellt erhalten. 
(Beifall von der Tribüne.), 
Dies wirb stets der Grundsatz derjenigen bleiben, die 
die allgemeinen Interessen und besonders die Arbeiter 
interessen vertreten. 
Nun haben sich aber demokratische Uebermcnschen an 
gemaßt, besonders hervvrzUtun, daß man Arbeitern oder 
Arbeiterinnen, die während der Tageszeit auf Arbeit 
auf Arbeit sind — die Rjote Fahne hat darüber schon 
sind — die Rote Fahne hat darüber schon berichtet — 
fen Gasmesser, gesperrt hat. Diese Arbeiterin, die 
regelmäßig das Gas bezahlt hat, die am Sonnabend 
ihren Lohn erhielt und sofort zur Post ging, um den 
Gaspreis, der fällig war, zu bezahlen, mußte es sich 
gefallen lassen, daß der Gasmesser gesperrt wurde, weil 
die Summe, die sie abgeschickt hatte, nicht mehr am Sonnl- 
abend eintraf, sondern erst am Montag. 
(Links: Hört, hört!) 
Dies geschah, obschon sie Monat für Monat regelmäßig 
ordnungsmäßig ihre Verpflichtungen erfüllt hatte und 
nur, weil sie am Sonnabend ihr Geld erhielt und des 
halb die Gasverwältung nicht rechtzeitig in den Besitz 
des Geldes gelangte. 
(Links: Hört, hört!) 
Das sind Einrichtungen, die wir auf das allerschärsste 
verurteilen. Solche allgemeinen Einrichtungen wie die 
Gasanstalt sind da, um das Los der Minderbemittelten, 
das Dos der Arbeiterklassen, das Los der Allgemeinheit 
zu erleichtern. Diejenigen, die aus Bürokratismus, aus 
llebermut den betreffenden Abnehmern Schwierigkeiten 
entstehen lassen, müssen von ihren Posten entfernt werden. 
Wir verlangen zunächst nichts weiteres als eine 
Verbilligung des Preises und daß Mieten überhaupt nicht 
erhoben Werben, wenn wir darüber hinaus noch ver 
langen, daß eine bestimmte Staffelung des Gasverbrauchs 
nach dem Einkommen stattfindet, so ist das ganz selbst 
verständlich. Denn der Arbeiter müßte einen viel nie 
drigeren Gaspreis bezahlen als derjenige, der luxuriös 
im Westen wohnt und von dem! Extrakt unserer Hände 
Arbeit lebt, der nicht arbeitet, und dennoch denselben 
Gaspreis zahlt. 
Im gegenwärtigen Moment werden wir für den 
Antrag der Sozialdemokratischen Partei stimmen. 
(Stadtv. Flatau: Das ist bitter!)
	        
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