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Sibung 'am" 18. November 1916
erfolgreiße Erfüllung diejer Pflicht ist das Wohl der
Hauptstadt und des Landes bedingt. Helfen auc<h Sie
dazu, meine Herren! Rufen Sie gleich uns die gesamte
Bürgerschaft auf, daß wir mit Obdach, Unterhalt und
Arbeitsgelegenheit, vor allem mit freudiger dankbarer Liebe
die aufnehmen, die 4*2/, Jahre für uns gelitten und ge-
stritten haben!
Zn dem Zeichen jo großer ernster Anforderungen
wollen wir den gemeinsamen Weg zu einer neuen Gestal-
tung des öffentlichen Lebens mutig beschreiten.
(Lebhafter Beifall.)
hin anstellt. Sie hat hierzu 'die Beihilfe der bestehenden
Behörden, insbesondere auch der städtischen Selbstver-
waltung3organe angerufen. Im Einklang mit dieser Auf-
forderung werden auch wir bemüht sein, für dieje Aus-
gaben innerhalb unserer Zuständigkeit unsere ganze Kraft
einzuseßen, soweit wir es vermögen, und wir hoffen, daß
bis zum Erlaß anderweitiger geseßlicher Vorschristen wir
unsere Arbeiten auf Grund der Selbstverwaltung im
Rahmen der bestehenden Geseßgebung erfüllen können.
Die so sc<wierige und gefahrvolle Lage unseres
Vaterlandes und unserer Stadt Berlin erfordert, daß wir
zweds fchleuniger, sofort wirkender Erledigung des oft im
Augenblick Notwendigen eine aus beiden städtischen Behörden
zusammengeseßte gemischte Deputation, bestehend aus einer
größeren Anzahl von Mitgliedern als gewöhnlich, ein-
sezen, um alle3 Erforderliche schleunigit zu veranlassen
und vorzubereiten. Wir haben sicherlich die Pflicht, alles
zu tun, wa3 die Bedürfnisse unserer Bevölkerung nament-
lich in der Lebensmittelversorgung und zweds. Herstellung
ausreichender Wohnräume mit Rücsicht auch auf die
Rückkehr unserer Krieger in dieser für unser Vaterland
und unserer Stadt so verhäng3nisvollen Zeit erheischen, und
dabei auch unseren heimkehrenden Kriegern nach jo vieler
Aufopferung, Mühe und körperlichen und seelischen Qualen,
unter denen sie die Heimat heldenmütig geschübt haben,
eine solche Aufnahme zu bereiten, daß ssie in dieser Heimat
sich wieder wohl fühlen und erkennen, daß mit den städti-
schen Behörden unsere gesamte Bügerschaft aller Stände
sich bemüht, ihnen die Eingewöhnung in ihre friedlichen
Berufe und Verhältnisse nach Kräften zu erleichtern. So
werden wir auch unsere tiefgefühlte Dankbarkeit durch die
Tat zum Ausdrut bringen.
In diesem Sinne werden wir die jeßige Regierung,
joweit es an uns liegt, zur Erhaltung der Ordnung; der
persönlichen Freiheit und Sicherheit, zur Versorgung der
Bevölkerung und der heimkehrenden Krieger mit den er-
forderlichen Lebensmitteln und Wohnräumen in gewissen-
hafter und pflihtmäßiger Fortsezung unserer städtischen
Verwaltung und Betriebe nachdrü>lichst unterstüßen. So
werden wir dazu beitragen, unsere Stadt Berlin und
ihre Bewohner über diese schwere Zeit zu einer besseren
Zukunft hindurchzuführen, und durch unser Beispiel die
Gemeinden unseres Vaterlandes in gleichem Tun bestärken.
(Lehbhafter Beifall.)
Vorst. Michelet: Wir treten in die Tagezordung
ein. Herr Liebenow führt die Rednerliste, .
Erster Gegenstand der Tagesordnung:
Uebereinstimmender Antrag sämtlicher Fraktionen
der Stadtverordnetenversammlung. -- Vorlage 544,
Der Antrag, der zur Beratung gestellt wird, ist der
folgende: ,
In Erwägung, daß bei der tiefgreifenden Umwäl-
zung, die die Vorgänge der lezten Tage in unserem
Vaterlande und so auch in Berlin bewirkt haben, es
im Cinklang mit der von der Regierung ergangenen
Aufforderung dringende Pflicht der städtischen Behörden
ist, auch "ihrerseits
für Aufrechterhaltung der Ordnung, +
für persönliche Freiheit und Sicherheit,
jür ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit
den erforderlichen Lebensbedürfnissen sowie
für ungestörte Fortführung der städtischen Betriebe
»inzustehen, richtet die Versammlung an den Magistrat
das Ersuchen, eine Deputation, bestehend aus
10 Magistratsmitgliedern und 20 Stadtverordneten
einzusezen, welche berechtigt ist, zur Erfüllung der
vorerwähnten Aufgaben die geeigneten Maßnahmen
zu treffen und zu diesem Zwe auch mit anderen
Behörden und Organisationen in „Verbindung zu
treten,
Der Antrag ist namentlich unterzeichnet .von zwölf
Vertretern der vier Fraktionen.
Antragsteller Stadtv. Cassel: Im Auftrage meiner
Freunde gestatte ich mir, unsere Zustimmung zu dem
von allen Fraktionen eingereichten Antrage vor der Oeffent-
lichfeit furz mit folgender Erklärung zu begründen.
Wir beabsichtigen nicht, zu den Ereignissen der lekßten
Tage, welche eine jo tief eingreisende Umwälzung in un-
jerem Staatswesen bewirkt haben, von diesem Plate aus
politische Stellung zu nehmen. Dies wird Sache der
Parteien, Vereine und Versammlungen, welche die Volks-
genossen zu gemeinschaftlichen Beratungen und zum Ein-
treten für bestimmte politijche Ziele berufen, vor allem
der, jo erwarten wir, baldigst zu wählenden und einzu-
berufenden 'Nationalversammlung für Deutschland und
Volksvertretung für Preußen sein, welche die versassungs-
mäßigen Grundlagen des Reiches und des Staates zu
bestimmen haben werden. Dann werden Recht und Gesetz
in unserem Staatswesen und unserer Selbstverwaltung
einen festen Boden finden
Wir erkennen unter Wahrung unserer Ueberzeugungen
die Regierung, welche jeht die Staatsleitung inne hat,
als im tatsächlichen Besitz derselben sich befindend an.
Wir erkennen weiter an, daß diese Regierung mit Be-
stimmtheit erklärt hat, für Ordnung und Sicherheit, für
die so unbedingt nötige Versorgung der Bevölkerung mit
den Lebernisbedürfnissen mit "größter Energie Sorge zu
agen. und auch eifrig Bemühungen nach diefer Richtung
Stadtv. Mommsen: M. H., nicht über grund-
legende Fragen vergangener, gegenwärtiger oder zu-
fünftiger Kommunalpolitik, nicht über Befürchtungen und
Hofsnungen, die sich an die schwere Umwälzung der
leßten Zeit für unser Vaterland und insbesondere für
die Stadt Berlin knüpfen, haben wir uns heute hier zu
unterhalten. Für meine Freunde handelt es sich in
diesen ernsten Zeiten darum, daß ein jeder ohne Rücsicht
auf seine politische Gesinnung, aber auch ohne Ausgabe
seiner politischen Grundanshauungen sich in den Rahmen
des Ganzen einfügt zu praktis<her gemeinsamer Arbeit,
Wir wollen weder uns selbst noc< unsere Mitbürger, als
deren Vertreter wir in dieser Versammlung sitzen, bei
den wichtigen Aufgaben der Berliner Stadtverwaltung
ausschalten und wollen zeigen, daß wir auch bei gänzlich
veränderten politischen Verhältnissen im Rahmen des
Ganzen pflichtgemäß mitzuarbeiten gewillt sind. Das
nach außen zum Ausdru> zu bringen, ist Zweck des
gemeinsamen Antrages aller Fraktionen. - 4
Ruhe und Ordnung, Freiheit und Sicherheit der
Person aufrecht zu erhalten, ist an sich Aufgabe der
Reqieruna, und die gegenwärtige Regierung ist nach ihren